Trust me - Blindes Vertrauen. Moni Kaspers. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Moni Kaspers
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783982180403
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Sein Ton klang leicht erschreckt und Eywa musste lachen.

      „Normalerweise ist sie nicht so rabiat“, erklärte sie. „Aber sie ist nicht meine Schwester.“

      „Sie sehen sich sehr ähnlich.“

      „Meine Cousine.“

      „Ah, verstehe.“

      Na Gottseidank schien auch er etwas beklommen zu sein.

      „Sie sind fremd hier, oder?“

      „Ja, ich bin nur zufällig in der Stadt. Darf ich mich vorstellen, mein Name ist …“

      Joe unterbrach ihn leider, als er ihr das Getränk in die Hand schob.

      „Bitteschön, Eywa. Lass ihn dir schmecken. Und was kann ich Ihnen bringen, junger Mann?“

      Aus Nervosität nahm Eywa einen viel zu großen Schluck ihres Cocktails. Joe hatte, wie gewünscht, nicht mit dem Alkohol gespart und sie hätte beinahe angefangen zu husten, als das scharfe Getränk ihre Kehle herunterlief. Gerade noch konnte sie den Reiz unterdrücken.

      „Nur Wasser, danke.“

      Leider kehrte July in diesem Moment zurück.

      „Sie schon wieder“, sagte sie, doch es klang bei Weitem versöhnlicher.

      „Wie geht es Ihrem Handgelenk?“, fragte er, ohne auf July einzugehen.

      „Nicht der Rede wert.“

      „Das sehe ich anders“, warf July dazwischen, „aber leider ist sie stur wie ein Esel und möchte nicht zum Arzt.“

      Eywa empfand ihre Anwesenheit und den Ton, mit dem sie ihn anging, als störend. Sie hätte gerne mehr von ihm erfahren, sie war neugierig geworden. Vor allem seine Stimme hatte es ihr angetan. Zu gerne hätte sie gewusst, wie er aussah und ob seine Erscheinung zu dieser sanften Stimme passte. July würde ihr das sicher später verraten.

      „Sie ist eine großartige Pianistin und wenn sie nicht mehr spielen kann …“

      „July, bitte!“

      „Ich komme selbstverständlich für alles auf.“

      „Sie können sicher nichts dafür und außerdem ist alles in Ordnung“, versuchte sie die Schärfe aus der Situation zu nehmen. „Sie wollten mir Ihren Namen verraten.“

      „Leon Marshall und es tut mir wirklich leid.“

      „Ihre Gestik kann sie nicht sehen, Mister Marshall“, warf July ein. „Wenn Sie auf ihr Handgelenk deuten, kann sie es nicht bemerken. Sie müssen es ihr schon sagen. Wie auch Kopfschütteln, oder nicken.“

      „Verzeihung! Man ist leider so eingefahren in seinen Gewohnheiten.“

      Er tat Eywa leid, weil ihre Cousine ihren leicht schnippischen Unterton offenbar nicht ablegen konnte. Sie fürchtete, July könnte ihn verjagen, bevor sie mehr von ihm erfahren konnte. Sie fand ihn nämlich sehr interessant. Joe stellte derweil das Wasser für ihn auf den Tresen und er bedankte sich höflich.

      „Nun“, sagte er, „ich möchte nicht weiter stören.“

      Bevor Eywa ihm antworten konnte, kam überraschend die Wende von July.

      „Sie stören doch nicht. Wie wäre es, wenn wir das Kriegsbeil begraben?“

      Eywa ärgerte sich, denn July war ihr zuvorgekommen und mehr noch, ihr Ton wurde plötzlich zuckersüß.

      „Das würde mich freuen“, gab er zurück.

      „Wie gefällt es Ihnen in unserem schönen Tillamook?“, wollte July wissen.

      Er lachte leise und Eywa gefiel der tiefe Klang. Er erzählte, dass er in der kurzen Zeit seines Aufenthaltes einen deftigen Strafzettel kassiert hatte, dass es in diesem Hafenstädtchen überraschend nach Käse, statt nach Fisch roch, und er bedauerte noch einmal seinen Zusammenprall mit ihr.

      „Diese Stadt und ich werden wohl keine Freunde“, schlussfolgerte er über seinen ersten Eindruck. July kicherte. Tatsächlich, sie kicherte wie ein Teenie!

      „Dann sind Sie auf der Durchreise?“

      Das hatte Eywa ihn auch fragen wollen, doch July war erneut schneller. Es grummelte in ihrer Magengegend, denn sie fühlte sich ausgeschlossen.

      „Das stimmt, ich bin auf dem Weg nach Bakersfield.“

      „Zu den Ölfeldern?“

      „Ja richtig. Ich habe dort einen Job angenommen.“

      „Ein Ölwurm“, sagte July und ihre Stimme war hell und vibrierte leicht. Sie lächelte offenbar, während sie mit ihm sprach. Eywa kannte die verschiedenen Timbres in Stimmen. Wer blind war, musste gut hören können und hier war es ganz offensichtlich, sie flirtete mit ihm! „Das soll ein ziemlich harter Job sein. Wenn Sie keine Lust mehr darauf haben, kommen Sie her. Hier werden immer starke Männer gebraucht.“

      „Für die Käsefabrik?“

      July lachte glockenhell und Eywa kam sich sehr deplatziert vor.

      „Nein, aber auch die suchen immer Arbeiter. Meine Familie besitzt hier eine …“

      Eywa erhob sich.

      „Wo willst du hin?“

      „Mir die Nase pudern.“ Sie verpasste es, die Enttäuschung aus ihrer Stimme zu nehmen und war verärgert über sich. Nun wirkte es, als wäre sie eifersüchtig. Um Himmelswillen. Warum reagierte sie so verspannt, anstatt July den Spaß zu gönnen?

      „Ich begleite dich.“

      Eywa wollte verneinen, doch das hätte sie noch zickiger erscheinen lassen.

      „Ich muss sowieso los“, sagte der Mann. „Es war nett, euch beide kennenzulernen und Eywa, rufen Sie mich an, wenn es Probleme gibt. Meine Nummer haben Sie ja.“

      July hatte seine Nummer, sie nicht. „Ihre Cousine kann für Sie anrufen“, schob er schnell hinterher, weil ihm das offenbar auffiel.

      „Sie werden es nicht glauben, Mister Marshall, aber ich bin durchaus fähig zu telefonieren, ja mehr noch, ich bin sogar in der Lage zu essen, ohne mich zu bekleckern, zu trinken, mich allein anzuziehen, oder mich zu unterhalten, ohne dass andere für mich antworten müssen.“

      „Eywa!“

      Gottseidank, July stoppte sie, sonst wäre es vermutlich noch schlimmer geworden. In diesem Moment war sie froh, sein Gesicht nicht sehen zu können. Ein sehr peinlicher Auftritt und nun wurde es höchste Zeit, zu verschwinden. Den Weg zu den Toiletten kannte sie. Blieb nur die Hoffnung, dass nichts im Weg stand. Als hinter ihr die Schwingtür der Toiletten hin und her pendelte, lehnte sie sich an die Wand und fragte sich, was mit ihr los war. Sekunden später trat July zu ihr. „Alles ok?“

      „Ich hatte einen scheiß Tag.“

      „Wegen dem Schüler?“

      „Mit dem fing es an.“

      „Sollen wir heimfahren?“

      „Ist er weg?“

      „Ja, er ist weg.“

      „Ok, lass uns fahren.“

      Bis zum Auto sprachen sie kein Wort und auch auf den ersten Meilen blieb es still zwischen ihnen.

      „Sag mal“, unterbrach July die Stille. „Fandest du ihn irgendwie … nett?“

      „Mach dich nicht lächerlich.“

      „Wieso? Du bist eine junge Frau, du hast Gefühle, du bist wunderschön.“

      „Ich bin behindert.“

      Wieder blieb es eine Weile still, doch diesmal war es Eywa, die das Gespräch wieder aufnahm. Vor allem, weil ihre Neugier sie