Die Bestände an notleidenden Krediten in den Bilanzen der Banken sanken in diesem Zeitraum signifikant. Z.T. ist dies auf die getätigten Verkäufe zurückzuführen; z.T. jedoch auch auf den starken Aufschwung im Immobilienmarkt, der auch den eigenen Restrukturierungsbemühungen der Banken entgegenkam.
Ab dem Jahre 2007 und verstärkt durch die Finanzmarktkrise ab 2008 war der Markt für NPL-Transaktionen stark rückläufig. Sinkende Preise der Kreditsicherheiten und eine zunehmend gegen Null tendierende Möglichkeit zur Aufnahme von Fremdkapital für Akquisitionen sorgten für einen Beinahe-Stillstand des Transaktionsgeschäfts. Erst im Zuge der Erholung der Finanzmärkte etwa ab dem Jahre 2010 wurde auch wieder eine stärkere Transaktionstätigkeit verzeichnet.
Die aktuellsten Werte zu Transaktionsvolumina stammen aus dem Jahr 2018 (Tabelle 1).
Tabelle 1: NPL-Transaktionsvolumen nach Ländern im Jahr 2018
Land | Transaktionsvolumen | |
Deutschland | 7,6 Mrd. EUR | |
Griechenland | 13,9 Mrd. EUR | |
Irland | 14,3 Mrd. EUR | |
Italien | 103,6 Mrd. EUR | |
Portugal | 8,0 Mrd. EUR | |
Spanien | 43,2 Mrd. EUR | |
Vereinigtes Königreich | 7,3 Mrd. EUR |
Quelle: Debtwire, A Global NPL Perspective, 2019, S 7
Während im Süden Europas ein Anstieg der Transaktionsvolumina zu beobachten ist und die Länder Italien, Spanien und Griechenland einen Großteil des Marktvolumens ausmachen, haben die jährlichen Verkäufe in Deutschland laut Debtwire in 2018 zuletzt ca. 7,6 Mrd. EUR betragen.[33] Allein 6,3 Mrd. EUR entfielen auf einen Verkauf im Rahmen der Übernahme der HSH Nordbank durch ein Konsortium aus Cerberus Capital Management, J.C. Flowers, GoldenTree Asset Management, Centaurus und BAWAG. Für 2019 beobachtete Deloitte Transaktionsvolumina für NPL-Portfolien in Höhe von insgesamt knapp 8 Mrd. EUR.[34]
Während das Transaktionsvolumen in Spanien und insbesondere Italien um ein Vielfaches höher liegt als in Deutschland[35], ist das Kreditvolumen in Deutschland dennoch ansteigend. So sind die Kredite an Unternehmen und Selbständige mit Zuwachsraten von 0,78% in 2013 auf 4,16% in 2017 (Privatkredite ähnlich) kontinuierlich gewachsen.[36] Im Gegenzug zeigen die Deutschen, v.a. aufgrund der bis zuletzt sehr guten wirtschaftlichen Lage des Landes, eine gute Zahlungsmoral, die sich bei Ratenkrediten bspw. in einer Rückzahlquote von 97,9% in 2018 widerspiegelt.[37] Das gesteigerte (Privat-)Kreditvolumen hat dadurch nicht zu einer höheren NPL-Quote geführt.
Seit 2019 kühlte sich das deutsche Wirtschaftswachstum jedoch bereits merklich ab und globale Handelskonflikte, die langfristige Nullzinspolitik der EZB[38] sowie die Krise im Automobilsektor[39] waren erste Indikatoren für eine mögliche Rezession. In einem solchen Szenario fänden Kreditausfälle dann zunächst im gewerblichen Sektor statt und würden mit einiger Verzögerung auch bei den Privatkrediten auftreten. Einige Unternehmen ohne profitables Geschäftsmodell konnten bereits in 2019 maßgeblich nur aufgrund des niedrigen Zinsniveaus weiter existieren, jedoch bestand auch damals schon die Gefahr eines steigenden Niveaus an Unternehmensinsolvenzen.[40]
3.2 Entwicklung ab 2020
Die im 1. Quartal 2020 auch in Deutschland angekommene Corona-Pandemie hat dem NPL-Markt eine Dynamik verliehen, wie es sie seit der Finanzkrise Ende des ersten 2000er Jahrzehnts nicht mehr gegeben hat. Ein zweifacher Lockdown (voller Lockdown im März/April 2020 sowie „Lockdown light“ im November/Dezember 2020) mit Produktionsstopps, Konsumrückgang im Einzelhandel und einer generellen Investitionszurückhaltung[41] sorgten dafür, dass die Finanzinstitute mit stark ansteigenden Ausfallquoten bei ihren Krediten rechnen müssen. Allerdings hat das 3. Quartal 2020 aufgrund niedriger Corona-Zahlen in den Sommermonaten zu einem deutlichen Wirtschaftswachstum (8,5% gegenüber dem 2. Quartal) geführt, so dass sich der trotz allem erwartete und durch steigende Corona-Zahlen im 4. Quartal befeuerte wirtschaftliche Abschwung Ende des Jahres 2020 noch nicht in bedrohlichen Ausfallquoten niedergeschlagen hat. Auch die Transaktionstätigkeiten sind bisher nicht gestiegen. Dieser Umstand dürfte auf mehreren Faktoren basieren:
Zum einen sorgen staatliche Unterstützungsprogramme, allen voran das bis Ende 2021 ausgezahlte Kurzarbeitergeld, dafür, dass die Corona-bedingte Wirtschaftskrise nur abgeschwächt auf die Verbraucher durchschlägt. Dies zeigt sich in einer im Jahre 2020 vergleichsweise moderat gestiegenen Arbeitslosenquote (ca. 20%iger Anstieg ggü. 2019 auf 6% im Oktober 2020). Viele Unternehmen, deren Geschäftsmodell unter der Corona-Krise leidet und deren größte Aufwandsposition Personalkosten sind, dürften sich durch diese Maßnahme wirtschaftlich über Wasser halten.
Zum anderen hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bis Ende April 2021[42] dafür gesorgt, dass weit weniger Insolvenzen beantragt worden sind als in einem normalen Marktumfeld.[43] Für zahlungsunfähige Unternehmen gilt diese Regelung nicht, jedoch wird diese Maßnahme flankiert von der Zahlung von Kurzarbeitergeld, was wiederum für einen Aufschub der Zahlungsunfähigkeit bei vielen Unternehmen sorgt.
Die niedrige Zahl an Insolvenzanträgen ist auch im Bereich der Verbraucher spürbar. Die seitens der Bundesregierung früher als ursprünglich geplant verabschiedete und nahezu ohne Übergangsfrist rückwirkend zum 01.10.2020 eingetretene dreijährige Frist zur Erlangung der Restschuldbefreiung (ohne die Erfüllung von Voraussetzungen) hat dazu geführt, dass Insolvenzanträge aufgeschoben wurden, um diese Regelung als Entschuldungsinstrument nutzen zu können.
Des Weiteren haben viele Institute in den zurückliegenden, wirtschaftlich erfolgreichen Jahren Reserven aufgebaut, von denen sie jetzt zehren. Diese dürften allerdings in den Folgejahren aufgebraucht oder zumindest empfindlich geschmälert worden sein, so dass in den Risikoabteilungen auch mit einem deutlich steigenden Transaktionsgeschäft gerechnet wird.[44] Dies dürfte sich insbesondere in den Jahren 2021 und 2022 zeigen.
Verkäufe notleidender Kredite haben sich unter den Workout-Optionen der Banken zu einer festen Alternative entwickelt. Dabei herrscht in Deutschland unverändert eine starke Nachfrage durch Investoren. Kapital ist in ausreichendem Maße vorhanden, es fehlte jedoch in den vergangenen Jahren an ausreichenden Akquisitionsmöglichkeiten.[45]