2 NPLs in der Fachliteratur und der Presse
Die ersten Transaktionen mit NPLs fanden in Deutschland ab dem Jahre 2003 statt. Aufmerksam geworden durch die steigende Bedeutung von NPL-Verkäufen begann dann auch die Fachliteratur, sich diesem Thema verstärkt zu widmen. Anfangs standen v.a. rechtliche Fragestellungen bezüglich eines möglichen Abtretungsverbotes sowie einer eventuellen Verletzung von Bankgeheimnis und Datenschutz im Vordergrund.[10] Mit einem Grundsatzurteil entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahre 2007, dass der wirksamen Abtretung von Darlehensforderungen eines Kreditinstituts weder das Bankgeheimnis noch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entgegenstehen.[11] Dieses Urteil hat bei allen Verfahrensbeteiligten für Rechtssicherheit gesorgt und dazu beigetragen, den Verkauf von Forderungen fest im Workout-Repertoire der Finanzinstitute zu verankern.
Das Thema Forderungsverkäufe fand in der Hochzeit des Transaktionsgeschäfts ca. Mitte des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts eine hohe Beachtung in der Fachliteratur sowie auch in der Tagespresse[12] und in Wirtschaftsmedien.[13] In Folge eines sich verringernden Transaktionsvolumens im Zuge der Finanzmarktkrise nahm auch die Anzahl der Fachbeiträge ab. Mit einem sich nun auf niedrigem Niveau stabilisierenden Bestands- und Transaktionsvolumen an NPLs ist die Berichterstattung überwiegend auf Spezialthemen fokussiert.[14] Diese beinhalten z.B. den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) zur mangelnden Gesetzeskonformität des Sanierungserlasses[15] und das anschließende „Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“,[16] die Frage der Konformität von Forderungsabtretungen und Datenschutz[17] und darüber hinaus vor allem den Leitfaden der Europäischen Zentralbank (EZB) für notleidende Kredite[18] und die EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen.[19]
Die von der EU verabschiedete Verordnung 2019/630 zur Mindestabdeckung notleidender Risikopositionen (Prudential Backstop) trat Mitte 2019 in Kraft und gilt seit dem 01.01.2020.[20] Die Verordnung enthält die Verpflichtung für Banken, bei neuen notleidenden Krediten ausreichende Rückstellungen vorzunehmen. Für unbesicherte Kredite ist eine 100%-ige Provisionierung nach Ablauf von drei Jahren vorgesehen, bei mit Immobilien besicherten Krediten beträgt diese Frist sieben Jahre.
Für Forderungskäufer und -Servicer besonders interessant dürften in diesem Zusammenhang zwei Änderungen im Bereich des Insolvenzrechts sein. Zum einen setzt die Bundesregierung mit dem Gesetz über die Verkürzung der Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens die EU-Richtlinie 2019/1023/EU über Restrukturierung und Insolvenz um, die eine EU-weite einheitliche Entschuldungsfrist von drei Jahren für redliche, unternehmerisch tätige Schuldner vorsieht. Dieselbe Regelung gilt darüber hinaus auch für Verbraucher. Das Gesetz ist rückwirkend zum 01.10.2020 in Kraft getreten.
Zum anderen wurde das Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungsrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG)) verabschiedet, mit dem das Sanierungs- und Insolvenzrecht weiterentwickelt wird.[21] Mit dem in diesem Gesetz enthaltenen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) soll eine Lücke zwischen der vorinsolvenzlichen freien Sanierung von Unternehmen und dem Insolvenzverfahren geschlossen werden, indem Unternehmen künftig einen Sanierungsplan mit ihren Gläubigern abstimmen und Zwangsvollstreckungen opponierender Gläubiger durch ein Moratorium ausgesetzt werden können. Dieses Vorhaben wurde in weiten Teilen von Fachliteratur und Tagespresse positiv aufgenommen.[22]
Die Corona-Pandemie und der daraus entstehende Druck auf die Banken hat das Thema NPLs wiederverstärkt in den Fokus auch der Tagespresse gerückt.[23] Für die Folgejahre ist von einer hohen Relevanz dieses Bereichs in den Medien auszugehen.
3.1 Entwicklung bis Ende 2019
Bevor der Verkauf notleidender Kredite in Deutschland eine signifikante Bedeutung erlangte und damit auch in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte, gehörten Transaktionen dieser Art weltweit längst zum Standardrepertoire der Banken zur Bereinigung ihrer Bilanzen. Vor rund 25 Jahren begann man als Folge der Savings-and-Loans-Krise in den USA mit dem Verkauf notleidender Kredite, bevor sich dieses Instrument dann auch auf Asien (insbesondere Japan) und Europa ausweitete.[24]
In Europa gab es v.a. in Italien und Frankreich einen funktionierenden NPL-Markt. Zu Beginn der 2000er Jahre bildete sich dann auch in Deutschland ein Markt für den Verkauf notleidender Kredite. Lange Zeit galt Deutschland als der größte und für Investoren attraktivste Markt für NPLs in Europa. In Deutschland war auf dem Immobilienmarkt mehr als ein Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung Ernüchterung eingetreten. Eklatante Fehleinschätzungen von Investoren und Finanzierern über die wirtschaftliche Entwicklung in den östlichen Bundesländern hatten Überkapazitäten und daher hohe Leerstände zur Folge. Die deutschen Banken schoben als Folge einer zu starken Kreditvergabe und eines Wertverfalls der Sicherheiten[25] riesige Bestände an notleidenden Krediten vor sich her. Zu Beginn/Mitte des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrtausends wurde der Bestand an NPLs in den Büchern der deutschen Institute auf 160 Mrd.[26] bis 300 Mrd. EUR[27] geschätzt.[28] Es existiert nach wie vor keine einheitliche Definition eines NPLs[29] und weder die Bundesbank noch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) publizieren NPL-Statistiken; allerdings gibt es mittlerweile Statistiken der European Banking Authority (EBA) zu NPLs, die helfen, das Marktvolumen einzugrenzen.[30]
In den Bilanzen hatte sich ein enormer Druck aufgebaut, für den ein Ventil gesucht wurde. Mit ihren eigenen Workout-Bemühungen konnten die Institute den Abbau nicht in der notwendigen Geschwindigkeit vornehmen. Die Zeit schien somit reif für neue Ideen. Die zunächst vorwiegend aus dem US-amerikanischen Raum kommenden Investoren fanden demnach einen Markt vor, der bezüglich NPL-Verkäufen zwar unerfahren, aber aufgeschlossen war und dringenden Lösungsbedarf aufwies.
Die ersten relevanten Transaktionen in Deutschland wurden im Jahre 2003 beobachtet. In den folgenden Jahren wurden immer mehr und immer größere Transaktionen mit notleidenden Krediten vorgenommen, bis der Markt im Jahre 2006 mit einem geschätzten Transaktionsvolumen von 14,4 Mrd. EUR[31] seinen Höhepunkt erreichte.[32] Auf der Investorenseite war die Konkurrenz groß, was sich in den stetig steigenden Kaufpreisen ausdrückte. Längst hatte sich ein Verkäufermarkt gebildet, von dem der gesamte Bankensektor – quer durch alle