Homilien über die Buße. Johannes Chrysostomus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Johannes Chrysostomus
Издательство: Bookwire
Серия: Die Schriften der Kirchenväter
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783849659950
Скачать книгу
Gottes vernehmen, selbst so die Hoffnung nicht aufgeben und nicht verzweifeln, sondern auf jenes Beispiel hinsehen. Die Menschenfreundlichkeit Gottes erhellet nicht allein daraus, daß er den bußfertigen Sündern verzieh, obgleich sein Ausspruch unbedingt war, sondern auch gerade daraus, daß er ihn eben ohne Bedingung gethan. Um nämlich die Furcht zu vermehren und ihre große Trägheit aufzurütteln, that er Dieß, und die Zeit der Buße selbst zeigt seine unaussprechliche Gnade. Denn wie wären drei Tage im Stande gewesen, eine solche Ruchlosigkeit zu tilgen? Du siehst, wie auch hier die Vorsorge Gottes sich zeigt; denn diese hat das Meiste beigetragen, die Stadt zu erhalten. Da wir also das wissen, sollen wir niemals verzweifeln; denn keine Waffe des Satans ist stärker als die Verzweiflung. Deßhalb bereiten wir ihm eine größere Freude, wenn wir verzweifeln, als wenn wir sündigen. Höre, wie Paulus in Betreff des Blutschändens mehr wegen der Verzweiflung als wegen der Sünde in Furcht war. Denn in seinem Schreiben an die Korinther sagt er: „Allgemein hört man von Hurerei unter euch, und zwar von einer solchen Hurerei, die nicht einmal bei den Heiden genannt wird.“11 Er sagt nicht: „Eine solche, welche nicht einmal die Heiden zu begehen wagen,“ sondern: „Die nicht einmal genannt wird;“ wovon ihnen schon der Name unerträglich ist, das habt ihr thatsächlich gewagt. Und „ihr seid aufgeblasen;“ er sagt nicht: „Er ist aufgeblasen,“ sondern er verläßt Den, der gesündiget hat, und redet zu den Gesunden, gleichwie es die Ärzte machen, die von den Kranken weggehen und mit deren Verwandten lange Zeit sprechen. Übrigens waren auch sie an seinem ganzen Hochmuthe Schuld, weil sie ihn nicht tadelten und straften. Er macht daher Allen Vorwürfe, damit die Wunde desto leichter geheilt werde. Denn die Sünde ist zwar ein schweres Verbrechen, aber ein noch schwereres ist es, auf die Sünden stolz sein. Denn wenn Derjenige, welcher auf die Gerechtigkeit stolz ist, dieselbe verliert, wie viel mehr wird uns der Stolz über die Sünde den größten Schaden zufügen, und ein größeres Verbrechen als die Sünde selbst sein? Deßwegen heißt es: „Wenn ihr Alles gethan habt“ (was euch befohlen ist), so sprechet: „Wir sind unnütze Knechte.“12 Denn wenn Diejenigen sich erniedrigen müssen, die Alles gethan haben, um so billiger ist es, daß der Sünder weine und sich selbst unter die Allermindesten zähle. Nachdem Paulus dieses gezeigt hatte, sagt er: „Und ihr seid nicht vielmehr in Trauer versetzt?“13 Was sprichst du? Ein Anderer hat gesündiget, und ich soll trauern? Ja, spricht er; denn wir sind wie der Leib und die Glieder mit einander vereinigt. Wenn aber am Körper auch nur der Fuß eine Wunde erhält, so sehen wir, daß sich das Haupt senkt. Und doch was ist wohl ehrwürdiger, als dieses? Allein zur Zeit der Noth denkt es nicht an seine Würde. Also thue auch du. Daher ermahnet auch Paulus, „mit den Fröhlichen sich zu freuen, mit den Weinenden zu weinen.“14 Deßwegen spricht er auch zu den Korinthern: „Und ihr seid nicht vielmehr in Trauer versetzt, daß Der, welcher diese That begangen, aus eurer Mitte geschafft werde.“ Er sagt nicht: „Ihr habt nicht mehr Eifer gezeigt,“ sondern was? „Ihr seid nicht vielmehr in Trauer versetzt,“ da gleichsam eine allgemeine Krankheit und Pest die Stadt ergriffen hat; fast als sagte er: Man muß beten, seine Sünden bekennen, flehen, damit diese Krankheit von der ganzen Stadt weggetilgt werde. Siehst du, welche Furcht er ihnen einflößte? Denn weil sie glaubten, das Übel berühre bloß ihn und sei bei ihm stehen geblieben, so macht er ihnen bange und sagt: „Wißt ihr nicht, daß ein wenig Sauerteig die ganze Masse durchsäuert?“15 Damit will er aber sagen: ein Übel, das um sich greift, erfaßt auch die andern Glieder, und ihr müßt euch, wie über ein gemeinsames Übel, berathen, dasselbe zu heilen. Denn sage mir nicht, daß er allein gesündiget hat, sondern bedenke, daß die Sünde ein Fäulniß ist, die den ganzen übrigen Körper ergreift. Wie bei einer Feuersbrunst diejenigen, deren Haus die Flamme noch nicht ergriffen, in nicht geringerer Noth sich befinden und Alles anwenden, damit das Feuer nicht fortwüthe und ihre Häuser erreiche, so ermahnet auch Paulus die Korinther: „Es ist eine Feuersbrunst; laßt uns dem Übel zuvorkommen, den Brand löschen, ehe er die Kirche ergreift!“ Vernachlässigst du aber die Sünde, weil sie sich in einem fremden Körper befindet, so begehst du die gewaltigste Thorheit; denn Jener ist ein Glied des ganzen Körpers.

      3.

      Bedenke nur das: Bist du lässig und träg, so wird auch dich die Sünde ergreifen; wenn nicht um deines Bruders willen, so laß dich doch wenigstens um deiner selbst willen aufschrecken und unterdrücke die Pest, komme der Fäulniß zuvor, steure der um sich greifenden Flamme. Nachdem er Dieß und Andres gesagt und befohlen, ihn dem Satan zu überliefern, spricht er zuletzt: Nachdem er sich gebessert und bekehrt hat, „so genügt es für ihn, daß er von so Vielen bestraft worden ist; bewährt also die Liebe zu ihm.“16 Denn nachdem er ihn Allen als gemeinsamen Feind und Widersacher bezeichnet und ihn von der Heerde ausgeschlossen und vom Körper abgeschnitten hatte, siehe nun, wie sehr er sich Mühe gibt, ihn mit demselben wieder zu vereinigen und zu verbinden. Er sagt nicht einfach: „Liebet ihn,“ sondern „bewähret eure Liebe an ihm,“ d. h. zeigt ihm eine feste und unveränderliche Freundschaft, die warm, glühend und brennend ist, und bringt ihm statt des frühern Hasses Liebe entgegen. Was ist geschehen? sage es mir! Hast du ihn nicht dem Satan übergeben? Ja, spricht er; aber nicht, damit er in den Händen des Satans verbleibe, sondern damit er bald von seiner Gewalt befreit werde. Aber wie ich erwähnte beachte, wie Paulus die Verzweiflung als eine gewalttige Waffe des Satans befürchtete. Denn nachdem er gesagt: „Bewähret eure Liebe,“ fügt er auch den Grund bei: „Damit Der, welcher ein solcher ist, nicht in allzu große Traurigkeit versinke.“17 Das Schaf, sagt er, ist im Rachen des Wolfes; laßt uns ihm also zuvorkommen, entreissen wir es ihm, bevor er das Glied von uns verschlinge und verderbe; das Schiff ist von Wogen bedrängt: beeilen wir uns das-ßelbe, ehe es Schiffbruch leidet, zu retten. Denn wie ein Nachen versinkt, wenn das Meer stürmisch ist und ringsum die Wogen sich thürmen: so wird auch die Seele, die um und um mit Trauer erfüllt ist, in Bälde erstickt, wenn sie Niemanden hat, der ihr die Hand reicht: und wie es heilsam ist, über die Sünden zu trauern, so wird die Traurigkeit schädlich, wenn sie das Maaß überschreitet. Siehe nur, wie genau der Apostel sich ausdrückt; denn er sagt nicht: „Damit ihn der Satan nicht verderbe,“ sondern was? „Damit wir nicht übervortheilt werden vom Satan.“18 Übervortheilen heißt aber, nach Fremdem begehren. Indem er zeigt, daß der Sünder dem Satan nicht mehr angehöre, und Daß er durch die Buße zur Herde Christi zurückgekehrt sei, sagt er: „Damit wir nicht übervortheilt werden vom Satan;“ denn wenn er ihn verschlingt, so entreißt er uns ein Glied und nimmt das Schaf von der Herde; denn durch die Buße hat er die Sünde abgelegt. Da Paulus wußte, wie es der Satan dem Judas gemacht hat, so befürchtete er, es möchte auch hier dasselbe geschehen. Was that er aber an Judas? Judas bereute seine Sünde; „denn ich habe gesündigt,“ sagt er, „indem ich unschuldiges Blut verrieth.“19 Der Satan hörte diese Worte, erkannte, daß er den Weg der Besserung einschlage, zur Rettung einlenke, und befürchtete die Bekehrung. Er hat einen gütigen Herrn, spricht er; da er ihn verrathen wollte, beweinte er ihn und hielt ihn auf mannigfaltige Weise zurück. Wird er ihn nicht um so mehr aufnehmen, wenn er Buße thut? Als er verstockt und halsstarrig war, zog er ihn an sich und rief ihn zu sich; um wieviel mehr wird er ihn nicht anziehen, wenn er seinen Sinn ändert und seine Sünde erkennt? Deßwegen kam er ja, sich kreuzigen zu lassen. Was that also der Satan? Er erschreckte ihn, verfinsterte seine Seele mit allzu großer Betrübniß, verfolgte ihn und trieb ihn, bis er ihn zum Stricke brachte und ihn des Lebens und des Vorsatzes beraubte, Buße zu thun. Denn daß auch er, falls er am Leben geblieben, Gnade erlangt hätte, das beweisen Diejenigen, die Jesum kreuzigten. Denn da er Denen, die ihn kreuzigten, Gnade widerfahren ließ und am Kreuze selbst seinen Vater anflehte und bat, ihnen die so große Sünde nicht anzurechnen: so ist es offenbar, daß er auch den Verräther, wenn er aufrichtig Buße gethan hätte, mit aller Sanftmuth aufgenommen haben würde. Aber er konnte dieses Heilmittels sich nicht bedienen, weil er allzu heftiger Trauer erlag. Das fürchtete nun auch Paulus und drang in die Korinther, den Mann dem Rachen des Satans zu entreissen. Was brauche ich lange von den Korinthern zu reden? Petrus verläugnete nach der Gemeinschaft an den Geheimnissen dreimal den Herrn, aber er weinte und löschte Alles aus. Paulus war ein Verfolger und ein Lästerer und ein Gewaltmensch; er verfolgte nicht bloß den Gekreuzigten, sondern auch alle seine Anhänger; aber er bereute und wurde ein Apostel. Denn Gott fordert von uns nur einen kleinen Grund zur Verzeihung und erläßt uns dann viele Sünden.20 Ich führe auch eine Parabel an, die