Doch nicht nur die Honorare hielten die Autoren vom Funk ab. »Von den Autoren will noch immer ein mächtiger Teil, man möchte sagen unbesehen, nichts vom Rundfunk wissen«, beklagte Döblin im September 1929 auf der Arbeitstagung ›Dichtung und Rundfunk‹ in Kassel, »weil er den Rundfunk für etwas Vulgäres, für Unterhaltung und Belehrung plumper Art hält« (DUR 2000: 35f.). Döblin hingegen sah in dem neuen terziären Medium eine Möglichkeit, die Beschränkungen der nur schriftlichen Literatur zu durchbrechen und wieder den »eigentlichen Mutterboden jeder Literatur« (DUR 2000: 37) zu betreten: die Mündlichkeit. Jetzt aber in ihrer modernen rundfunkmedialen Form und durch Musik, Geräusche, gar Serialität ergänzt. Ironie am Rande: Auf »einer der glanzvollsten Tagungen der Rundfunk- und Hörspielgeschichte« (SCHWITZKE 1963: 33) diskutierten über den Rundfunk Autoren, die nur zu einem Viertel selbst auch einen Empfangsapparat besaßen (LEONHARD 1997: 1165).
FUNKANGESTELLTE UND NEWCOMER MACHEN HÖRSPIELE
»In den ersten Rundfunkjahren stammten fast alle Hörspielversuche, die über das reine Unterhaltungsspiel hinausgingen, noch von Mitarbeitern der Sendegesellschaften« (LEONHARD 1997: 1160), und häufig gab es Personalunionen zwischen Autoren, Produzenten und Hörspielern. Auch die Schauspieler taten sich mit dem neuen Medium schwer. »Mein erster Eindruck vor dem Mikrofon«, schrieb der Schauspieler Paul Bildt: »Weißer Schrecken überfiel mich. Kein gewohntes Premierengeräusch, kein Stuhlknacken, kein Tuscheln, kein feindliches Sichräuspern, kein Vollhusten ringsum. Die unheimliche Stille kam über mich.« Und dann kam auch noch die Schwierigkeit, so zu sprechen oder besser zu rufen, dass der Inhalt der Stücke von den Hörern auch über Mittelwelle verstanden werden konnte.
Neben den Funkangestellten schrieben auch literarisch Unbekanntere wie Rolf Gunold oder der im Funk ungemein präsente Autor Gerhart Hermann-Mostar Hörspiele. Der in Paris lebende Lyriker und Dramatiker Rudolf Leonhard (Wettlauf, Schlesische Funkstunde 1928) debütierte »ohne je ein Hörspiel oder sonst eine Sendung gehört zu haben« (SCHNEIDER 1984: 165). Radioanfänger wie Peter Fritz Buch taten sich mit dem neuen Medium schwer: »Als ich zum ersten Mal den Plan fasste, ein Hörspiel zu schreiben, schien mir das eine sehr leichte Sache zu sein. Als ich an die Ausführung ging, wurde ich nachdenklicher. Als ich den Entwurf überlas, erschrak ich vor seiner Unzulänglichkeit. Ich packte alles in den Papierkorb und fing noch einmal von vorne an. Ich hatte gedacht, es genüge, einen allgemein interessierenden Stoff zu haben, ihn in eine prägnante Szenenfolge zu fassen und diese nach den besonderen Erfordernissen des Rundfunks mit möglichst vielen akustischen Sensationen auszustatten. Während der Arbeit erst gingen mir die Ohren auf. Ich dachte nämlich plötzlich, dass es gar nicht darauf ankommt, dem Hörer möglichst reiche Höreindrücke zu vermitteln. Im Gegenteil. Ich musste ihn eigentlich vergessen machen, dass er zu Hause in seinen vier Wänden sitzt, den Kopfhörer über den Ohren oder den Lautsprecher vor sich auf dem Tisch« (BUCH 1930: 9).
»Vor 1929«, so notierte Heinz Schwitzke in seiner immer noch lesenswerten Hörspielgeschichte, »hat kein Schriftsteller von Rang der jungen Hörspielform seine Gunst geschenkt« (SCHWITZKE 1963: 65). Die etablierten Schriftsteller mieden das noch speicherfreie neue und rein orale Medium ›Hörfunk‹ und blieben ihrer ›Gutenberg-Galaxis‹, der Kultur des Buches und des (leise) Lesens, fest verbunden. Dabei war das Radio Ende der 1920er-Jahre längst nichts Unbekanntes mehr, auch kulturell nicht. »Das rasche Anwachsen der Hörer-Anzahl vergrößerte auch die Etats der Sende-Gesellschaften. Es gab damals (1928) mehr als drei Millionen Hörer, für die Sendegesellschaften fielen 36 Millionen Mark ab, eine im kulturellen Bereich unvorstellbar große Summe […] Der Rundfunk war eine Macht geworden« (BRONNEN 1954: 205).
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