Mein Freund, der Kunde. Jürgen Frey. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jürgen Frey
Издательство: Bookwire
Серия: Dein Business
Жанр произведения: Зарубежная деловая литература
Год издания: 0
isbn: 9783862009558
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noch das Gehalt und die Arbeitsbedingungen nicht gerade berauschend sind, ist Dauerfrust angesagt. Doch eines ist klar: Ein frustrierter Verkäufer macht keine Kunden zu Freunden.

       VON DEN BESTEN LERNEN: Kopp Schleiftechnik GmbH

      Wenn von Unternehmen die Rede ist, die begeisterte Mitarbeiter haben und ihre Kunden zu Fans machen, fallen in der Literatur Namen wie Apple, Porsche oder Prada. Durch den Mittelstand geht dann ein Raunen. »Wenn ich iPhone und iPad, den 911er oder edle Handtaschen verkaufen sollte, dann hätte ich es auch leichter«, entgegnen Unternehmer. Dass die Produkte aber gar nicht besonders »sexy« sein müssen, um begeisterte Mitarbeiter zu haben und Kunden zu Freunden zu machen, beweisen deutsche Mittelständler immer wieder. Eines der Unternehmen, die hier den Bogen raus haben, ist die Kopp Schleiftechnik GmbH.

      Wer die idyllisch am Rande eines Dorfs im Odenwald gelegene Firma besucht, betritt keine Werkshalle, sondern eine »Manufaktur«. Diese Bezeichnung bringt den Stolz des familiengeführten Werkzeugherstellers und seiner Mitarbeiter auf den Punkt. Kunden, die sich bei Kopp für Zerspanungswerkzeuge, Bohrer oder Fräser interessieren, suchen keine Massenprodukte. Sie wollen vielmehr das für ihren Betrieb genau passende Werkzeug haben. Dazu braucht ein Hersteller zuallererst die Bereitschaft, seinen Kunden zuzuhören. Jürgen, Achim und Heike Kopp haben Spaß daran, ihre Kunden ganz genau kennenzulernen.

      Die mittelständisch geprägte deutsche Werkzeugindustrie erwirtschaftet laut Fachverband Werkzeugindustrie e.V. (FWI) einen Umsatz von mehr als 2,7 Mrd. Euro im Jahr. Wie kann ein kleiner Betrieb mit weniger als 50 Mitarbeitern sich hier fokussieren? Kopp Schleiftechnik besetzt mit Maßarbeit und Präzision eine lukrative Nische. »Durch die ausführliche Beschäftigung mit den Produktionsanforderungen des Kunden entstehen zunächst neue Werkzeugideen«, erklärt die Firma auf ihrer Website. »Unsere Fachleute arbeiten dann eng zusammen, um aus Zeichnungen und Plänen hochwertige Werkzeuge herzustellen.«

      (http://www.kopp-schleiftechnik.de/seiten/manufaktur/manufaktur.htm)

      Doch Know-how und Qualitätsstreben sind noch nicht alles. Bei Kopp hat man sich ausdrücklich zum Ziel gesetzt, auch durch »menschliche Werte« zu überzeugen. Die Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V. hat die Kopp Schleiftechnik GmbH jüngst für ihre »partnerschaftliche Unternehmenskultur« ausgezeichnet. Der Preis ist die Anerkennung für das jahrelange Bemühen um ein Klima, das für Management, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen stimmt. Ehrlichkeit und Verantwortung zählen zu den Kernwerten der Firma, auf die sich die Kunden verlassen können. Objektive Befragungen bestätigen regelmäßig, dass Mitarbeiter und Kunden sich gut aufgehoben fühlen. Mit der Formel »Maßarbeit + Qualität + Werte« sieht man sich im Odenwald für die Zukunft gut gerüstet.

       Kopp Schleiftechnik GmbH: Was lässt sich daraus lernen?

      

Das Produkt muss nicht sexy sein, wenn die Firma sexy ist.

      

Konzentration ist auf mehreren Ebenen möglich (Produkte, Prozesse, Märkte usw.).

      

Wenn kleine Anbieter es zum Prinzip erheben, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen und menschliche Werte zu leben, brauchen sie keine Angst vor den »Großen« zu haben.

       Wer sich nicht konzentriert, brennt aus

       Hektik und Stress als Normalzustand?

      In Unternehmen, die sich nicht konzentrieren, regiert Stress statt Begeisterung. Das gilt nicht nur für frustrierte Verkäufer in der Elektroabteilung. Wenn ich als Berater zum ersten Mal in ein mittelständisches Unternehmen komme, bin ich häufig schockiert über die Hektik und Unruhe, die mir da entgegenschlägt. In solchen Firmen war typischerweise schon die Terminfindung schwierig. Und als Externer muss man damit rechnen, dass auch an den Besuchstagen kurzfristig noch irgendetwas abgesagt, umgestellt oder zeitlich gekürzt wird. Klar, »Business« kommt von »busy«, und ich erwarte in einem Unternehmen nicht die Atmosphäre einer Kurklinik. Aber manchmal habe ich das Gefühl, die Mitarbeiter »rotieren« nur noch den ganzen Tag.

      In den Gesprächsrunden in solchen Unternehmen kommen wir den Ursachen meistens schnell auf die Spur. Das Management will hier alles auf einmal und sofort. Ständig werden Ideen für neue Produkte generiert und ständig sollen neue Märkte erobert, neue Kundenkreise erschlossen werden. Mit der Zeit ist so ein richtiger Gemischtwarenladen entstanden. Die Vertriebsmannschaft soll dann alles verkaufen, verkaufen, verkaufen. Sie ist ständig auf Achse, um alle diese Produkte in den Markt zu drücken. Doch kaum kommt mal ein Produkt gut an, wird es schon vom nächsten abgelöst. Hier scheint das Motto zu regieren: Wir wissen zwar nicht, worin wir gut sind, aber das machen wir mit voller Kraft.

       Mehr Gelassenheit durch Konzentration

      Immer wenn ich in solchen Unternehmen zu Besuch bin, weiß ich wieder, welchen Sinn mein Beruf hat. Denn alle diese Mitarbeiter könnten viel weniger Stress, viel mehr Zeit für ihre Familien und viel mehr Freude bei der Arbeit haben, wenn man ihnen nur hilft, sich zu konzentrieren. Die Vertriebsmannschaft braucht dann kein aggressives Verkaufen mehr, sondern kann jedem Kundenkontakt so gelassen entgegensehen wie einem Besuch bei Freunden.

      Doch in vielen Unternehmen kommen den Mitarbeitern diese Gedanken im ersten Moment exotisch vor. Sie sind es dermaßen gewohnt, im Hamsterrad zu drehen, dass sie sich schon fast nichts anderes mehr vorstellen können. Sie glauben, nur dann dauerhaft erfolgreich sein zu können, wenn sie die Schlagzahl noch weiter erhöhen und noch offensiver verkaufen. Woran liegt das?

      Immer an den Kunden denken

      Im Mai 1998 musste ich selbst zum ersten Mal schmerzhaft lernen, wie man es sich unnötig schwer machen kann, seine Produkte zu verkaufen. Als ich im Flieger auf dem Weg von Frankfurt nach Chicago saß, war ich noch guter Dinge. Mein erster Kundenbesuch in den USA stand an. Der sollte ein besonderes Highlight meiner noch jungen Karriere werden. Auf dem heruntergeklappten Tischchen vor meinem Sitz hatte ich neben Cola und einer kleinen Tüte Nüsse vom Bordservice jede Menge Unterlagen ausgebreitet. Ich wollte perfekt vorbereitet sein, um unsere Firma ins beste Licht zu rücken und diesen Kunden zu gewinnen. Immer noch feilte ich an meinen Argumenten.

      Bei dem Kunden im Mittleren Westen der USA wurde ich dann begrüßt wie ein alter Freund. Ich war total begeistert und konnte es kaum erwarten, bis es endlich hieß: »Let’s talk business.« Ich donnerte meine Argumente in Richtung meines Gesprächspartners, wie einst Boris Becker in Wimbledon seine Bälle auf die andere Seite des Netzes: Wir bieten Qualität made in Germany. Wir haben ein 2000 Quadratmeter großes Lager. Unser Team ist eines der jüngsten aller Unternehmen der Region. Wir haben die modernsten Ausbildungsstandards. Und so weiter. Ich redete und redete.

       »What’s in it for me?« – Was habe ich davon?

      Als ich endlich fertig war, wirkte mein Gegenüber, ein großer, stämmiger Amerikaner, völlig unbeeindruckt. Nach einer unangenehmen Pause sagte er mit ruhiger, tiefer Stimme: »Okay, Juergen, just one question.« Nur eine Frage. »What’s in it for me?« Was habe ich davon? Mit dieser Frage hatte mein Kunde mich kalt erwischt. Er hatte ja recht: Was hatte er von unserem Lager? Was hatte er davon, dass wir in Deutschland produzierten? Was interessierte ihn das Durchschnittsalter unseres Teams?

      Plötzlich war mir klar, dass ich meine Geschichte aus der falschen Perspektive erzählt hatte. Nämlich aus der Innenperspektive. Ich musste sie dem Kunden neu erzählen. Nicht »Made in Germany« war ihm wichtig, sondern dass unsere Produkte zwar nicht billig, aber dafür haltbar und damit langfristig günstig waren. Oder dass wir wegen unserer Lagerlogistik auch sehr kurzfristig liefern konnten. Dass überhaupt Schnelligkeit und Flexibilität zu unseren Stärken zählten. Da hatte ich in unzähligen BWL-Büchern