Und doch gibt es einen Ausweg.
Dieser beginnt, wie fast alles, mit einer neuen Denkweise. Als einer der Verantwortlichen für die Unternehmenskultur bei FranklinCovey habe ich die einmalige Gelegenheit, das Tag für Tag aus erster Hand zu erleben. In vielen Organisationen kümmern sich Manager um Löhne und Zulagen, Compliance, Fortbildung und andere klassische Aufgaben des Personalwesens. Das alles sind Dinge, die mit den Mitarbeitern geschehen. Natürlich ist das alles wichtig. Doch wir leisten einen viel größeren Beitrag, wenn wir auf das achten, was sich zwischen den Mitarbeitern abspielt – wenn wir lernen, unsere Beziehungen zu verstehen und zu verbessern. Für mich ist genau das der People-Anteil in meiner Berufsbezeichnung Chief People Officer.
Als ich diese Aufgabe vor vielen Jahren übernommen habe, bin ich davon ausgegangen, dass nichts die Arbeit so sehr bremst wie problematische Beziehungen. Nach und nach hat sich diese Anfangsvermutung bestätigt. Effektive Beziehungen führen zu effektiven Ergebnissen. Ich lernte, dass wir positive Veränderungen nur anstoßen können, wenn wir unseren Blick auf die Verbesserung unserer Beziehungen richten. Um Dr. Stephen R. Covey zu zitieren, den Autor des Weltbestsellers Die 7 Wege zur Effektivität und Mitbegründer von FranklinCovey, der vom Time Magazine als einer der 25 einflussreichsten US-Amerikaner bezeichnet wurde: »Jede bedeutsame Veränderung erfolgt von innen nach außen.«
Die Prinzipien und Paradigmen, die dieses großartige Unternehmen hervorgebracht hat, stammen nicht von mir. Aber ich hatte die Gelegenheit, sie in Aktion zu sehen. Dabei konnte ich direkt miterleben, welchen großen Nutzen ihre Einhaltung bringt und welchen hohen Preis ihre Vernachlässigung einfordert. Meine Erfahrungen der letzten 20 Jahre habe ich in diesem Buch als Sammlung von Gesprächen und Erlebnissen für Sie zusammengestellt. Es sind Gespräche, die ich selbst geführt, und Erfahrungen, die ich selbst gemacht habe. Einiges wurde mir auch von Kunden, Freunden und Bekannten aus aller Welt berichtet.
Die Geschichten, die Sie in diesem Buch lesen können, sind mir sehr zu Herzen gegangen. Bitte haben Sie Verständnis, dass manche Details zum Schutz der Privatsphäre der beteiligten Personen verändert wurden. Alle Geschichten zeigen, wie unsere Paradigmen unsere Erfahrungen und unser Verhältnis zur Welt prägen. Sie handeln davon, wie Beziehungen im Laufe der Zeit stärker werden oder zu Bruch gehen und wie Karrieren sich entwickeln oder im Sand verlaufen. In den Geschichten geht es um einzigartige Menschen, die mir und vielen anderen in unserer Organisation geholfen haben, in allen entscheidenden Lebensbereichen besser zu werden. Ich habe vieles aus Niederlagen gelernt. Dennoch beziehe ich mich hier überwiegend auf positive Gespräche, die ich im Laufe meines Lebens geführt habe. Damit möchte ich Ihnen die Kraft der hier vorgestellten Strategien veranschaulichen. Denn im Überschneidungsbereich von Theorie und Praxis habe ich meine tiefgreifendsten und wichtigsten Erkenntnisse gewonnen.
Natürlich könnte man noch viele weitere Strategien zum Thema Beziehungen hinzufügen. Aber ich habe beschlossen, mich auf die 15 zu beschränken, die meiner Erfahrung nach die größte Wirkung haben. Ich werde darüber sprechen, warum ihre Nichtbeachtung sich anfühlen kann wie Sartres Hölle. Zudem werde ich jedem Kapitel eine Frage voranstellen, die Ihnen die Möglichkeit gibt, sich Ihre eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit der jeweiligen Strategie bewusst zu machen. Die meisten Kapitel beginnen mit einer Geschichte, die am Ende noch einmal aufgegriffen wird. Diese »Buchstützen« liefern den Hintergrund zur jeweiligen Strategie. Sie verdeutlichen, wo Menschen typischerweise auf Probleme stoßen und wie Sie diese lösen können. Bei der Wiederanknüpfung am Kapitelende wiederhole ich immer einen Teil der Geschichte, um Sie an die Ausgangssituation zu erinnern.
Natürlich können Sie dieses Buch ganz klassisch von vorn bis hinten lesen. Sie können aber auch die Fragen, die Sie am Beginn jedes Kapitels finden, durchgehen. Wenn hier ein Problem angesprochen wird, das Ihnen besonders auf der Seele brennt, können Sie die Lektüre des entsprechenden Kapitels gerne vorziehen. Jedes Kapitel schließt mit einer »Übung« – einer Kurzanleitung, die Ihnen hilft, die jeweilige Strategie erfolgreich in die Praxis umzusetzen.
Das Wichtigste ist jedoch, dass Sie offen an dieses Buch herangehen. Dabei sollten Sie unbedingt beherzigen, dass Sie die Qualität Ihrer Beziehungen zu anderen nur verbessern können, wenn Sie bei sich selbst beginnen. Dieser Ansatz – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen – trägt in allen Lebensbereichen reiche Früchte.
1. Strategie
Schauen Sie durch die richtige Brille
Haben Sie schon einmal feststellen müssen, dass Ihre Version von der vermeintlichen Wahrheit am Ende gar nicht so zutreffend oder so vollständig war, wie Sie zunächst gedacht haben?
Dann ist die 1. Strategie vielleicht etwas für Sie:
Solange Sie nicht durch die richtige Brille schauen, fühlt sich Ihr »Raum« möglicherweise wie Sartres Hölle an, weil …
• Sie sich in Ihrem Handeln auf unzutreffende Informationen stützen,
• Sie nicht die Ergebnisse erzielen, die Sie sich wünschen,
• Sie sich dämlich vorkommen, weil Sie erkennen müssen, dass Ihre Version der Wahrheit unvollständig und fehlerhaft ist.
Perfekt gekleidet und große Eile ausstrahlend kam Jon in mein Büro. Er leitete ein Team, das permanent unter Druck stand. Seine Leute mussten hohe Qualitätsziele erreichen und enge Fristen einhalten. Jon hatte den Ruf, sich über jeden und alles zu ärgern, was den Gang der Dinge verlangsamte. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel zu: Er war unzufrieden.
»Todd, hast du einen Augenblick?«, fragte er und schloss die Tür hinter sich. Dabei wusste er ganz genau, dass ich als Chief People Officer eine Politik der offenen Tür praktizierte.
»Natürlich«, erwiderte ich und bot ihm einen Platz an. Er zögerte einen Augenblick. Jon war es gewohnt, während des Sprechens ständig auf und ab zu gehen. Schließlich nickte er. Er setzte sich und sah aufgrund des plötzlichen Mangels an Bewegung noch gestresster aus.
»Worum geht es?«, half ich