Ganz schön heftig, wie sich Genervtsein äußern kann! Manche Gefühle können so richtig die Kontrolle über Denken und Handeln übernehmen.
Wenn Sie sich schwer damit tun, diese Übung jetzt so allgemein zu durchdenken, dann kommen Sie einfach später darauf zurück. Vielleicht sehen Sie sich lieber zuerst die Situationen im Buch an, die Sie am meisten betreffen. Wenn Sie beispielsweise direkt zum „Immer-das-letzte-Wort-Haber“ blättern, dann fragen Sie sich: Was passiert „in mir“, wenn jemand immer noch etwas nachschiebt, nur um ja das letzte Wort zu haben?
Außenwirkung
Wie Sie sich fühlen, so verhalten Sie sich
So, wie Sie sich innerlich fühlen, werden Sie sich auch benehmen. Ihr Umfeld wird Ihnen anmerken, was Sache ist. Die Bandbreite der sichtbaren Auswirkungen ist riesig. Darum biete ich Ihnen hier wieder einige typische Verhaltensweisen an.
Sichtbare Konsequenzen von Genervtsein können sein:
Körpersprache
■ Mimik: schmalen Mund bekommen, Kieferpartie anspannen, Augenrollen, Mund verziehen, betont ironisch oder anklagend schauen, die Augen wütend oder missbilligend zusammenkneifen, die Nase rümpfen, die Mundwinkel zittern, unsicher in alle Richtungen schauen …
■ Gestik: fahrig werden, Fäuste ballen, Hände verkrampfen, beleidigende Gesten machen (z. B. Stinkefinger, Vogelzeigen), abgehackte Bewegungen, mit dem Fuß aufstampfen, mit den Händen ringen
■ Haltung: auf Abstand gehen, etwas zwischen sich und die andere Person bringen, sich abwenden / wegschauen, betont aufrecht sitzen / stehen oder auch sich kleiner machen / Kopf einziehen, sich komplett verspannen, die Hände oder Beine schützend überkreuzen
Stimme und Sprache
■ die Stimme „bricht“
■ lauter oder leiser / tonloser sprechen
■ die Stimme wird höher (Kopfstimme)
■ schneller werden
■ sich versprechen oder ins Stottern kommen
■ missbilligende oder ungeduldige Geräusche machen (z. B. hörbar ausatmen, schnauben oder aufstöhnen)
■ höhnischen / lächerlich machenden Tonfall anschlagen
■ das Vokabular wird grober, respektloser oder enthält sogar Schimpfwörter …
Kommunikation und Reaktion
■ defensiv werden / sich rechtfertigen
■ den anderen beschimpfen
■ anklagen / aufrechnen, zurückschlagen
■ die Person oder Sache ins Lächerliche ziehen
■ weggehen
■ Türe schlagen oder etwas werfen
■ dem anderen auf die Pelle rücken
■ weinen, jammern, Mitleid heischen
■ an den anderen appellieren
■ den anderen nachäffen, „spiegeln“ (also das gleiche nervige Verhalten zeigen), auf sarkastische Weise zustimmen
■ den anderen absichtlich mit etwas auf die Palme bringen
■ ignorieren
■ sprachlos sein (mir fällt nichts ein; ich traue mich nicht, weil ich nicht taktlos sein möchte; mir verschlägt es regelrecht die Sprache / ich bin handlungsunfähig) …
Beobachten Sie sich einmal im Alltag! Wenn Sie nächstens wieder genervt sind, achten Sie darauf, was sich zeigt. Das ist ganz schön erhellend!
Jetzt kommen wir zu Ihrem eigenen Nervfaktor.
Hand aufs Herz:
Wo nerven Sie denn selbst?
Sie nerven aber auch ganz schön!
Der besondere Witz ist der: Andere Leute lesen in diesem Moment auch dieses Buch, um endlich mit Ihren nervigen Angewohnheiten besser umgehen zu können. Und die haben Sie, das versichere ich Ihnen!
Sich gegenseitig nerven
Es ist sogar gar nicht selten, dass zwei Gesprächspartner im gleichen Gespräch sich gegenseitig nervtötend finden. Da, wo Sie denken „Oh mein Gott, jetzt fängt die schon wieder mit diesen alten Geschichten an! Ich kann es nicht mehr hören!“, denkt sich Ihre Gesprächspartnerin: „Jetzt sitzt sie da schon wieder stumm wie ein Fisch. Vermutlich interessiert sie sich gar nicht für mich. Ich finde das so schlimm, dass ich immer alleine das Gespräch am Laufen halten muss!“
Bestimmen Sie Ihren eigenen Nervfaktor und stellen Sie sich folgende Fragen:
Meine nervigen Angewohnheiten
1. Was sind Dinge, die andere in Gesprächen an mir nerven könnten? (z. B. alles ins Ironische ziehen, immer mit einem „Das war mir klar!“ quittieren … nehmen Sie sich das Inhaltsverzeichnis zur Inspiration!)
2. Welche Angewohnheiten beim Sprechen habe ich, die andere vielleicht nerven? (z. B. Suggestivformulierungen: „Du findest sicher auch …“, nur immer in der Ich-Form reden)
3. Was ist mir in dieser Hinsicht schon gesagt worden bzw. wofür bin ich kritisiert worden?
4. Was sind Verhaltensweisen, bei denen ich befürchte, sie könnten schlecht ankommen? (z. B. „Ich rede sehr laut und das könnte wie Immer-in-den-Mittelpunkt-drängen ankommen.“, „Ich erzähle immer nur von mir und komme vielleicht so rüber, als ob ich nicht zuhören könnte.“)
5. Wo nerve ich Menschen, mit denen ich in einer längeren Beziehung stehe? (z. B. immer alte Kamellen aufwärmen / vorhalten, jemanden in einer bestimmten Schublade haben; glauben zu wissen, was der andere denkt / meint / möchte; sagen, dass „nichts“ ist, aber ein vorwurfsvolles Gesicht machen.)
Fragen Sie, was andere an Ihnen nervt!
Sie können Leute in Ihrer Umgebung auch einfach fragen. Gute Freunde oder andere Menschen, die es gut mit Ihnen meinen und ehrlich sind, oder auch solche, mit denen Sie einen engeren Kontakt haben und gerne eine noch bessere Basis erhalten möchten.
Beziehungen
Darf man dem Chef Kontra geben?
Was ist zu tun, wenn ausgerechnet Ihr Chef oder ein Kunde nervt? Wenn Ihr Lebenspartner eine für Sie ätzende Angewohnheit hat? Dürfen Sie dann die Tipps hier im Buch ganz genauso anwenden? Oder muss man in bestimmten Konstellationen einfach toleranter sein, auch die nervigste Angewohnheit aushalten und irgendwie damit klarkommen?
Natürlich dürfen und sollten Sie auch – und gerade dann – aktiv werden und nicht nur passiv die Dinge über sich ergehen lassen.
Gerade bei engeren Beziehungen sind Nervereien Gift und können ein an sich gutes Miteinander nach und nach unterhöhlen.
Wenn eine Freundin immer wieder spitze Bemerkungen macht, distanzieren Sie sich mehr und mehr. Wenn Ihr Partner die nervige Angewohnheit hat, zu dozieren, kann die Liebe abkühlen. Und wenn Sie sich vom Chef immer wieder angeberische Vorträge anhören und das durch Nicken erst noch ermutigen, verlieren Sie langsam Ihre Geduld und irgendwann auch den Respekt.
Direkt, aber respektvoll
Alle Tipps hier im Buch sind so aufgebaut, dass Sie aktiv, souverän und klar sind – aber gleichzeitig auch respektvoll. Bei engeren Beziehungen spielen natürlich noch weitere Aspekte eine Rolle. Denn die Menschen, denen wir näherstehen oder täglich begegnen, kennen wir besser und sie kennen uns besser.
Dadurch gibt es
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