Durch Wüste und Harem. Karl May. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066117771
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Kranke befindet sich darin. Du sollst es auch sehen, aber ich muß mich vorher überzeugen, ob die Sonne ihr Angesicht verhüllt hat vor dem Auge des Fremden. Wage ja nicht, mir nachzufolgen, sondern warte ruhig, bis ich wiederkomme!«

      Er trat hinaus, und ich war allein.

      Also da draußen befand sich Güzela. Dieser Name bedeutet wörtlich »die Schöne«. Dieser Umstand und das ganze Verhalten des Ägypters brachte meine frühere Vermutung, daß es sich um eine ältere Person handle, ins Wanken.

      Ich ließ mein Auge durch den Raum schweifen. Es war hier ganz dieselbe Einrichtung getroffen, wie in dem Zimmer des Hausherrn: das Geländer, der Diwan, die Nische mit den Kühlgefäßen.

      Nach kurzer Zeit erschien Abrahim wieder.

      »Hast du die Räume geprüft?« fragte er mich.

      »Ja.«

      »Nun?«

      »Es läßt sich nichts sagen, bis ich bei der Kranken gewesen bin.«

      »So komm, Effendi. Aber laß dich noch einmal warnen!«

      »Schon gut! Ich weiß ganz genau, was ich zu thun habe.«

      Wir traten in das andere Gemach. In weite Gewänder gehüllt, stand eine Frauengestalt tief verschleiert an der hintern Wand des Zimmers. Nichts war von ihr zu sehen, als die kleinen, in Sammtpantoffeln steckenden Füße.

      Ich begann meine Fragen, deren Enthaltsamkeit den Ägypter vollständig befriedigte, ließ sie eine kleine Bewegung machen und bat sie endlich, mir die Hand zu reichen. Fast wäre ich trotz der ernsten Situation in eine laute Heiterkeit ausgebrochen. Die Hand war nämlich so vollständig in ein dickes Tuch gebunden, daß es ganz und gar unmöglich war, auch nur die Lage oder Form eines Fingers durch dasselbe zu erkennen. Sogar der Arm war in derselben Weise verhüllt.

      Ich wandte mich zu Abrahim.

      »Mamur, diese Bandagen müssen entfernt werden.«

      »Warum?«

      »Ich kann den Puls nicht fühlen.«

      »Entferne die Tücher!« gebot er ihr.

      Sie zog den Arm hinter die Hüllen zurück und ließ dann ein zartes Händchen erscheinen, an dessen Goldfinger ich einen sehr schmalen Reifen erblickte, welcher eine Perle trug. Abrahim beobachtete meine Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit. Während ich meine drei Finger an ihr Handgelenk legte, neigte ich mein Ohr tiefer, wie um den Puls nicht bloß zu fühlen, sondern auch zu hören, und – täuschte ich mich nicht – da wehte es leise, leise, fast unhörbar durch den Schleier:

      »Kurtar Senitzaji – rette Senitza!«

      »Bist du fertig?« fragte jetzt Abrahim, indem er rasch näher trat.

      »Ja.«

      »Was fehlt ihr?«

      »Sie hat ein großes, ein tiefes Leiden, das größte, welches es giebt, aber – – – ich werde sie retten.«

      Diese letzten vier Worte richtete ich mit langsamer Betonung mehr an sie als an ihn.

      »Wie heißt das Übel?«

      »Es hat einen fremden Namen, den nur die Ärzte verstehen.«

      »Wie lange dauert es, bis sie gesund wird?«

      »Das kann bald, aber auch sehr spät geschehen, je nachdem Ihr mir gehorsam seid.«

      »Worin soll ich dir gehorchen?«

      »Du mußt ihr meine Medizin regelmäßig verabreichen.«

      »Das werde ich thun.«

      »Sie muß einsam bleiben und vor allem Ärger behütet werden.«

      »Das soll geschehen.«

      »Ich muß täglich mit ihr sprechen dürfen.«

      »Du? Weshalb?«

      »Um meine Mittel nach dem Befinden der Kranken einrichten zu können.«

      »Ich werde dir dann selbst sagen, wie sie sich befindet.«

      »Das kannst du nicht, weil du das Befinden eines Kranken nicht zu beurteilen vermagst.«

      »Was hast du denn mit ihr zu sprechen?«

      »Nur das, was du mir erlaubst.«

      »Und wo soll es geschehen?«

      »Hier in diesem Raume, grad wie heute.«

      »Sage es genau, wie lange du kommen mußt!«

      »Wenn Ihr mir gehorcht, so ist sie von heute an in fünf Tagen von ihrer Krankheit – – frei.«

      »So gieb ihr die Medizin.«

      »Ich habe sie nicht hier; sie befindet sich unten im Hofe bei meinem Diener.«

      »So komm!«

      Ich wandte mich gegen sie, um mit dieser Bewegung einen stummen Abschied von ihr zu nehmen. Sie hob unter der Hülle die Hände wie bittend empor und wagte die drei Silben:

      »Eww’ Allah, mit Gott!«

      Sofort aber fuhr er herum:

      »Schweig! Du hast nur zu sprechen, wenn du gefragt wirst!«

      »Abrahim-Mamur,« antwortete ich sehr ernst, »habe ich nicht gesagt, daß sie vor jedem Ärger, vor jedem Kummer bewahrt werden muß? So spricht man nicht zu einer Kranken, in deren Nähe der Tod schon steht!«

      »So mag sie zunächst selbst dafür sorgen, daß sie sich nicht zu kränken braucht. Sie weiß, daß sie nicht sprechen soll. Komm!«

      Wir kehrten in das Selamlük zurück, wo ich nach Halef schickte, der alsbald mit der Apotheke erschien. Ich gab Ignatia nebst den nötigen Vorschriften und machte mich dann zum Gehen bereit.

      »Wann wirst du morgen kommen?«

      »Um dieselbe Stunde.«

      »Ich werde dir wieder einen Kahn senden. Wie viel verlangst du für heute?«

      »Nichts. Wenn die Kranke gesund ist, magst du mir geben, was dir beliebt.«

      Er griff dennoch in die Tasche, zog eine reich gestickte Börse hervor, nahm einige Stücke und reichte sie Halef hin.

      »Hier, nimm du!«

      Der wackere Halef-Agha griff mit einer Miene zu, als ob es sich um eine große Gnadenbezeugung gegen den Ägypter handle, und meinte, das Bakschisch ungesehen in seine Tasche senkend:

      »Abrahim-Mamur, deine Hand ist offen und die meine auch. Ich schließe sie gegen dich nicht zu, weil der Prophet sagt, daß eine offene Hand die erste Stufe zum Aufenthalte der Seligen sei. Allah sei bei dir und auch bei mir!«

      Wir gingen, von dem Ägypter bis in den Garten begleitet, wo uns ein Diener die in der Mauer befindliche Thür öffnete. Als wir uns allein befanden, griff Halef in die Tasche, um zu sehen, was er erhalten hatte.

      »Drei Goldzechinen, Effendi! Der Prophet segne Abrahim-Mamur und lasse sein Weib so lange als möglich krank bleiben!«

      »Hadschi Halef Omar!«

      »Sihdi! Willst du mir nicht einige Zechinen gönnen?«

      »Doch; noch mehr ist einem Kranken die Gesundheit zu gönnen.«

      »Wie oft gehest du noch, ehe sie gesund wird?«

      »Noch fünfmal vielleicht.«

      »Fünfmal drei macht fünfzehn Zechinen; wenn sie gesund wird, vielleicht noch fünfzehn Zechinen, macht dreißig Zechinen. Ich werde forschen, ob es hier am Nil noch mehr kranke Frauen giebt.«

      Wir langten bei dem Kahn an, wo uns die Ruderer bereits erwarteten. Unser voriger Führer saß am Steuer, und als wir eingestiegen waren, ging es flott den Strom hinab, schneller natürlich als aufwärts, so daß wir nach einer halben Stunde unser