Das Monster im 5. Stock. Regina Mars. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Regina Mars
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783969872246
Скачать книгу
Welcher Schläger ist der passende, um einem Einbrecher den Schädel zu spalten? Das Eisen 4, oder? Natürlich ist es das. Die Hölzer sind definitiv zu leicht.

      Mit seiner Waffe in der Hand schlich er zum Sofa. Zu laut. Das Bündel auf der weißen Fläche zuckte und fuhr zusammen.

      »Wer bist du?«, fragte Adrian.

      Der Kerl richtete sich auf. Blond, soweit er das im Dunkel beurteilen konnte. Ein helles Gesicht, bleich im trüben Mondlicht, das durch die Fenster hereinschien. Hektisches Atmen. Der Mistkerl sagte nichts.

      »Ich habe gefragt, wer du bist«, wiederholte Adrian.

      »Tu mir nichts!« Der Einbrecher hob die Hände. »I wollt nur … I war nur müd und …«

      Ein Einbrecher vom Dorf, so viel war nun klar. Grauenvoller Dialekt. Er hob etwas und Adrian erwartete eine Waffe. Dann blendete der Mistkerl ihn. Weißes Licht raubte ihm die Sehkraft, aber der Eindringling griff ihn nicht an. Stattdessen starrte er. Klar. Es gab ja auch einiges anzustarren, in der ruinierten Landschaft von Adrians Gesicht.

      Es wurde wieder dunkel, bis auf die hellen Lichtblitze, die hinter Adrians Augenlidern flirrten. Der Idiot schaltete das Handy erneut an.

      »Mach das Ding aus!«, befahl Adrian.

      »Tschuldigung«, murmelte der Trottel. Er klang jung. Anfang zwanzig, höchstens. »I … es tut mir leid, ich … Sie sind der Wohnungsbesitzer, ja?«

      Adrian würdigte diese blöde Frage nicht mit einer Antwort. Wer sollte er denn sonst sein?

      »Sie wollen mich nicht töten, oder?«, wimmerte der Trottel. »Mit dem Ding da?«

      Adrian ließ den Schläger sinken. Von dem Volldeppen ging eindeutig keine Gefahr aus. Stattdessen marschierte er zum Lichtschalter und drückte ihn. Helligkeit flammte auf und überzog den Raum mit Farben. Es schien auf Adrians kaputten Körper und auf den dämlichen Einbrecher.

      Ach du Scheiße.

      Der sah aus, als wäre er aus der nächstbesten Scheune gefallen. Ein wunderhübsches Gesicht, Sommersprossen, verstrubbelte Haare, breite Schultern und Klamotten, die auf die Müllkippe gehörten. Alles an ihm schrie »Landei«. Einer wie der passte auf das Cover eines Kalenders mit sexy Stallburschen, aber nicht in Adrians Wohnung.

      Mr. Stallbursche starrte ihn an. Der gehetzte Blick flitzte über Adrians ganzen Körper. Die kaputte Gesichtshälfte, die Verbrennungen, die aus Ärmel und Halsausschnitt des Pyjamas schauten und tiefer. Bis zu der Stelle, wo ein Unterschenkel hätte sein sollen und wo ein seidenes Hosenbein um die Metallstange herum Falten schlug.

      »Gütiger Himmel!«, rief der Stallbursche.

      Ja, starr nur, dachte Adrian. Er war selbst verwundert, wie viel Bitterkeit in ihm hochkochte. Um dem Kerl den ganzen Schrecken seines Anblicks zu gönnen, strich er sich die Haare aus der Stirn. Der Blonde schaute, als würde er in die Tiefen der Hölle blicken.

      Ja, dachte Adrian. Und jetzt lauf. Wahrscheinlich hätte ich den Golfschläger gar nicht gebraucht …

      »Tschuldigung, ich hab mich nur gewundert … Ist das ein Vierer Eisen?«, fragte der Stallbursche. »I … Ich verwechsel das immer mit dem Fünfer. Ich …« Er räusperte sich. »Ich hab in den Ferien mal auf dem Golfplatz gearbeitet, da wär ich fast rausgeflogen, weil ich mir das Zeug nicht merken konnte. Dann haben sie mich an die Bar versetzt. Äh.«

      Was? Adrian blinzelte. War der Kerl blind? Warum fragte er nach dem verdammten Golfschläger?

      »Ja«, knurrte er. »Und jetzt will ich wissen, wer du bist. Oder das ist das Eisen 4, das deinen blonden Schädel weichklopft.«

      »Oh, äh.« Ein Blinzeln. Der Kerl sah wirklich sehr gut aus. Diese Art beiläufige Schönheit von Menschen, die mit einem Übermaß davon gesegnet waren, ohne sich dessen bewusst zu sein. Es war nicht der sündige Schwung seiner Lippen, die katzenhafte Neigung der Augen oder das kantige Kinn. Es war die Art, wie alles zusammenspielte. »Also. I bin der Wastl.«

       Landei.

      »Mein Name ist Sebastian«, korrigierte Adrian.

      »Ach, du heißt auch Sebastian?« Der Trottel lachte nervös. »Na, ist ja auch ein häufiger Name …«

      »Nein, du Genie«, knurrte Adrian. »Ich habe deinen grauenvollen Dialekt verbessert, Sebastian.«

      »Nenn mich doch Wastl.«

      »Niemals.« Adrian hob den Golfschläger. »Wie bist du hier hereingekommen, Sebastian?«

      Schweigen. Die sündigen Lippen wurden zu einem etwas weniger sündigen weißen Strich.

      »Hat die Putzfrau dich hereingelassen?«, fragte Adrian.

      »Nein! Nein, bestimmt nicht!« Zu blöd zum Lügen war er auch. Adrian hatte seit zwei Jahren keinen nennenswerten Kontakt mit anderen Leuten, und selbst er erkannte, dass der Kerl log.

      »Die Putzfrau also. Die ist gefeuert.« Adrian machte eine mentale Notiz, sie morgen früh kündigen zu lassen. »Und jetzt erklär mir, was du hier tust, oder ich verliere die Geduld.«

      »Aber …« Sebastian, der unfähige Einbrecher schluckte. Sein Adamsapfel hüpfte. »Bitte, sie wollte mir nur helfen. Ich hab unten im Büro geschlafen, weil ich keine Wohnung hab, ich meine, ich suche, aber …« Er zuckte so hilflos mit den Schultern, dass Adrian beinahe Mitleid bekommen hätte. »Ich wusste doch nicht, wohin, und sie hat gesagt, ich könnte hier schlafen, während sie putzt. Sie hat das wirklich nur lieb gemeint. Sie … Sie hat das aus reiner Nächstenliebe …«

      »Und warum bist du noch hier und sie ist weg?«, unterbrach Adrian das Gestammel.

      »Sieht aus, als hätte sie mich vergessen.« Ein schwaches Lächeln. Jetzt sah er endgültig aus wie ein Cover-Stallbursche.

      »Fantastisch«, sagte Adrian. »Nun, immerhin ist das geklärt. Und jetzt hau ab.« Er zögerte. »Warte. Du hast im Büro geschlafen? Bei Hauser Immo oder im Siebermann-Verlag?«

      »Siebermann. Bitte …«

      »Nein.«

      »Aber sie wollte doch nur helfen. Echt. Wieso verstehst du das nicht?« Jetzt wurde der Bauerntrottel auch noch bockig.

      »Weil es mich nicht interessiert. Und jetzt verschwinde. Die Tür ist da hinten.«

      »Aber sie hat es nur gut gemeint. Bitte, sie hat den Job doch erst seit ein paar Wochen, hat sie gesagt, und ich glaube, sie braucht ihn wirklich.«

      »Wenn sie ihn wirklich brauchen würde, würde sie keine Fremden in diese Wohnung schleusen.«

      »Das ist eine ziemlich große Wohnung für einen allein«, sagte Sebastian. Er kniete immer noch auf dem Sofa, aber etwas an seiner Haltung hatte sich verändert.

      »Das kommt einem Landei wie dir vielleicht so vor.«

      »Wie viele Zimmer hat sie denn?«

      Adrian wusste nicht, warum er dem Kerl überhaupt antwortete. Er hatte seit Tagen nicht mehr mit einem anderen Menschen gesprochen, vermutlich lag es daran. »Vier Schlafzimmer, drei Bäder, Küche, Sauna, Büro, Bibliothek, Dachterrasse und der Wohnbereich, in dem du dich gerade unbefugt aufhältst.«

      »So viele Zimmer?!« Der Stallbursche sprang auf. »Und die hast du alle für dich allein?«

      Was hatte der denn? Fast schien es, als würde ihn dieser Umstand wütend machen. »Ja, habe ich. Wenn es dich beruhigt, ich habe dafür bezahlt. Nun, besser gesagt hat mein Großvater einen Teil …«

      »Weißt du, wie lange ich schon nach einer Wohnung suche?!«, brüllte Sebastian. »Jedes mickrige Rattenloch in München kostet tausend Euro! Kalt! Und du … Du hockst hier auf vier Schlafzimmern, von denen du nur eins benutzt?«

      »Ja. Warum stört dich das?«

      »Weil ich über hundert Bewerbungen