»Oh mein Gott, die ist großartig! Wo hast du die überhaupt gefunden?«
»Ich hab meine Quellen«, scherzt Wyatt. »Du redest seit mehr als einem Jahr darüber, dass du eine haben willst; ich konnte nicht widerstehen.«
Seht ihr, was hab ich gesagt? Er ist perfekt.
Ich schlinge die Arme um Wyatts Schultern und gestatte mir, einen Augenblick seine beruhigende Ausstrahlung aufzusaugen.
»Ich muss mich ein wenig unter die Leute mischen, aber danke für das Geschenk. Nimm dir was zu trinken, Kuchen, was auch immer«, schlage ich vor. Als mir auffällt, dass ich plappere, lächle ich ihn schnell an.
»Ja, keine Sorge. Ich bin vielleicht alt, aber ich glaube, dass ich mich noch daran erinnere, wie man einen 21. Geburtstag feiert«, versichert mir Wyatt mit einem Zwinkern.
»Amüsier dich, alter Mann«, necke ich ihn.
Ich beobachte, wie Wyatt zu Kyle und ein paar anderen ehemaligen Kids aus dem Rainbow House geht. Dann drehe ich mich wieder zu Owen um, der jetzt in ein Gespräch mit Dani vertieft ist und gehe auf ihn zu.
»Hey, Geburtstagskind«, begrüßt er mich und lächelt, als ich neben ihn trete.
Mein Magen schlägt Purzelbäume und flattert und ich spüre, wie mir die Röte in die Wangen steigt.
»Hey«, sage ich so lässig wie möglich. »Danke, dass du gekommen bist.«
»Jederzeit, Kleiner.«
Sein Spitzname lässt mich zusammenzucken. Natürlich sieht er mich noch immer als Kind. Vielleicht wird er mich immer als Kind sehen.
»Hört mal alle her«, sagt Royal laut und ich zucke erneut zusammen. Um Gottes willen, bitte lass ihn keine peinliche Diashow zusammengestellt haben. Ich drehe mich um und sehe ihn schwankend auf einem der Küchenstühle stehen, sodass ich mich frage, wie viel er schon getrunken hat. »Guck nicht so erschrocken, kleiner Bruder. Ich wollte dir nur gratulieren und dir sagen, dass ich wirklich glücklich bin, dass du mich gefunden hast. Ich bin froh, dass du in unser Leben gekommen bist. Wir lieben dich.«
Mir klappt der Mund auf und ich werde noch röter, als ich es geworden wäre, wenn er ein Bild von mir gezeigt hätte, auf dem ich sabbere, nachdem mir der Weisheitszahn gezogen worden war, oder eines der halben Dutzend Fotos, die er von meinem Kinn gemacht hat, als mir langsam ein Bart wuchs.
»Was glaubst du, wie betrunken ist er?«, flüstert Owen und sein heißer Atem an meinem Nacken lässt mich erschaudern.
»So betrunken, dass Nash und Zade alle Hände voll zu tun haben werden«, stimme ich leise lachend zu.
Wie aufs Stichwort geht Zade zu Royal, wirft ihn sich über die Schulter und verpasst ihm einen spielerischen Klaps auf den Hintern.
»Die Glücklichen«, erwidert Owen und Hitze schießt durch mich hindurch. Witze über Sex sind neu. Das war doch ein Witz über Sex, oder? Wie sehr kann er mich noch als Kind sehen, wenn er einen Witz über Sex macht?
»Es gibt Kuchen«, bietet Nash laut an.
»Warte, wir müssen singen!«, ruft Royal von Zades Schulter aus.
»Liam möchte nicht, dass wir singen, Babe«, versichert Nash ihm.
»Doch, will er; es ist sein Geburtstag«, widerspricht Royal.
»Nein, will er nicht«, mische ich mich ein. »Ihr dürft alle Kuchen essen, aber singt bitte nicht.«
Ein paar Stunden und zu viele Drinks später, legt Kyle einen Arm um meine Taille, und stützt mich.
»Na komm, bringen wir dich nach Hause, bevor du dich blamierst«, schlägt er vor.
Ich habe Kyle im Rainbow House kennengelernt, als ich hergezogen bin und wir haben uns ziemlich schnell gut verstanden. Sein Vater hatte ihn rausgeschmissen, als er ihn beim Crossdressing erwischt hat und damals war er ziemlich verwirrt darüber, was es bedeutete. Mit der Zeit ist ihm klar geworden, dass er einfach ein schwuler Junge ist, der gern hübsche Klamotten und Make-up trägt. Aber wir hatten damals viel Spaß dabei, ihm zu helfen, seine Sexualität zu entdecken, wenn ihr versteht, was ich meine. Und wie jeder weiß, ist die gemeinsame Entdeckung der Sexualität die Wurzel jeder guten Freundschaft.
»Aber ich konnte Owen noch nicht nach einem Date fragen«, lalle ich.
»Ich weiß, Kumpel. Aber das solltest du dir vielleicht für einen Tag aufheben, an dem du nicht betrunken umfällst.«
»Ich hab mich betrunken, damit ich mich traue«, erkläre ich frustriert, während Kyle mich weiter zur Haustür führt.
»Das war kein toller Plan.«
»Ich hasse dich«, grummle ich.
»Du liebst mich«, widerspricht er.
Die Gäste rufen von allen Seiten Bis bald und Herzlichen Glückwunsch, als Kyle mich rausbringt. Auf dem Weg zur Tür richtet sich mein Blick eine Sekunde lang auf Wyatt und mein Herz flattert ein wenig. Als wäre es nicht schon genug, für einen Mann zu schwärmen, der in einer für mich unerreichbaren Liga spielt… seufz.
»Was ist mit meinem Auto?«, frage ich Kyle, sobald wir draußen sind.
»Ich bring dich morgen her, damit du es holen kannst. Beziehungsweise bin ich sicher, dass dein Bruder es vorbeibringt.«
Owen
Lächelnd beobachte ich, wie Kyle Liam rausbringt. Es war schön zu sehen, dass Liam seinen 21. Geburtstag genossen hat, aber schwer, ihn nicht mit meinem eigenen zu vergleichen. Mein 21. war einer von vier Geburtstagen, die ich hinter Gittern gefeiert habe.
»Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?«, bietet Adam an und legt mir freundlich eine Hand auf die Schulter. Ich sehe ihn an und lächle.
»Nein, ich komm klar. Ich hatte nur einen Drink vor ein paar Stunden. Aber danke.«
Er nickt und drückt meine Schulter, ehe er seinen Mann Nox an sich zieht. Mein Herz schmerzt ein wenig, als ich dem glücklichen Paar auf seinem Weg zur Tür hinterhersehe. Ich bin jetzt seit Jahren nur von glücklichen Paaren – und Dreiern – umgeben. Ich hatte gedacht, dass es mir endlich nichts mehr ausmachen würde und die Sehnsucht verschwunden wäre, an die ich mich so sehr gewöhnt hatte. Aber in letzter Zeit verspürte ich wieder dieses Jucken unter meiner Haut.
Ich sehe mich unter den Gästen um und halte inne, als mein Blick auf den hinreißenden, nerdigen Mann fällt, der mit einigen ehemaligen Kids aus dem Rainbow House spricht. Er heißt Wyatt. Er ist Betreuer im Rainbow House und mit Liam und Beck befreundet, aber ich persönlich kenne ihn nicht gut. Wir sehen uns hin und wieder, aber ich glaube nicht, dass ich mich auch nur einmal mit ihm unterhalten habe. Sein blauer Pullunder und die Brille mit dem dicken Rahmen bringen mich aus irgendeinem Grund zum Lächeln. Er ist einfach so… süß. Das ist wirklich das einzig passende Wort für ihn.
Als Kyle und Liam an ihm vorbeigehen, folgt Wyatt Liam mit dem Blick und lächelt zärtlich. Irgendetwas Seltsames zieht sich in meiner Brust zusammen. Es ist fast Eifersucht, aber nicht ganz. Es ist eher ein Bewusst werden. Was genau mir bewusst wird, weiß ich nicht. Aber es prickelt einige Sekunden über meine Haut, als die beiden Blickkontakt halten und etwas zwischen ihnen passiert, das keiner der beiden bemerkt.
Und dann führt Kyle Liam hinaus und die Elektrizität in der Luft scheint zu verschwinden, als wäre sie nie da gewesen.
Vorsichtig werfe ich einen letzten Blick auf Wyatt, ehe ich mich umdrehe und Nash bei seinen Bemühungen unterstütze, ein wenig aufzuräumen.
»Danke für deine Hilfe. Wenn es nach Royal und Zade ginge, würden sie hier wochenlang Chaos herrschen lassen.«
»Kein Problem«, versichere ich ihm. Es ist ja nicht so, dass ich einen Grund hätte, schnell nach Hause zu wollen. In meiner Wohnung