Mord auf Antrag - Roland Benito-Krimi 2. Inger Gammelgaard Madsen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inger Gammelgaard Madsen
Издательство: Bookwire
Серия: Roland Benito
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711572955
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zugelegt. Einen schwarzen Suzuki Grand Vitara, damit sie Platz für ihre ganze Fotoausrüstung hatte und selbst in unwegsamem Terrain fahren konnte, wenn es nötig war. Sie liebte es, in ihrer Freizeit in der Natur herumzufahren und zu fotografieren, und als der alte Ford Ka sich mehrfach im Schlamm und weichen Gras festgefahren hatte, hatte sie keinen anderen Ausweg gesehen. Die Bank war freundlicher gestimmt, nachdem sie Arbeit bekommen und ein gutes, regelmäßiges Einkommen hatte, sodass sie ihr letztlich einen Kredit gegeben hatten. Als freiberufliche Fotografin war es immer schwer, mit Einkommen zu rechnen, und das Konto war oft überzogen gewesen.

      Nicolaj wurde zusammen mit der Kameratasche auf dem Rücksitz platziert. Anne setzte sich auf den Beifahrersitz.

      »Oh Mann, ich brauch eine Zigarette. Darf ich hier drinnen rauchen?« Kamilla nickte. »Schon okay. Wenn du das Seitenfenster runtermachst, damit wir anderen nicht ersticken.«

      Der Freitagsverkehr hatte eingesetzt. Es war, als ob die Leute aus der Stadt flüchteten und es eilig hatten heimzukommen und Wochenende zu haben. Auf dem Viborgweg krochen die Autos in langen Schlangen vorwärts. Erst als sie auf den Alten Viborgweg abbog, konnte sie ein bisschen beschleunigen. »Was war noch gleich die Adresse?«, fragte sie. »Wir sind dran vorbeigefahren.« Anne lächelte verdächtig.

      »Verflixt, was machen wir dann hier?« Sie trat ein wenig auf die Bremse, bereit, eine schnelle Kehrtwende zu machen.

      »Ich will mir nur eben das Moor anschauen, wo die Leiche all die Jahre verborgen gewesen ist«, erläuterte Anne, was ein lautes »Geiiiiiil!« auf dem Rücksitz auslöste.

      »Bieg einfach hier ab und fahr geradeaus.«

      Nicolaj war der Erste, der ausstieg, als das Auto hielt, und starrte mit Ehrfurcht auf die Bäume am Rand des Moors. Er sah aus wie ein gespanntes Kind am Weihnachtsabend.

      »Du, entspann dich mal ein bisschen. Das ist nur ein Moor«, meinte Anne mit einem schiefen Grinsen und gab ihm einen kameradschaftlichen Klaps auf die Schulter.

      »Ja, aber ein Moor, in dem so lange ein Geheimnis versteckt war! Das ist echt total abgefahren!«

      Sie wanderten zwischen den Bäumen zum Moor.

      »Bestimmt haben sie sie hier gefunden«, sagte Anne und winkte sie zu sich.

      Das Gebiet am Wasserrand wies auf die Aktivität schwerer Fahrzeuge hin, deren Reifenabdrücke in der Erde zu sehen waren, zusammen mit mehreren verschiedenen Fußabdrücken, die nicht alle von der Polizei und den Technikern stammen konnten. Hier waren sicher auch viele Spaziergänger entlanggelaufen, um zu gucken. Der menschliche Drang, Unglücksstellen zu sehen. Der Versuch, dem Tod in die Augen zu schauen. Sie stellte sich den dunklen Morgen vor, mit starkem Flutlicht auf den Polizisten, die im und oberhalb vom Wasser arbeiteten, um die Leiche in so gutem Zustand wie möglich zu bergen. Ihr schauderte. Nicht alle konnten ihre Beerdigung im Voraus festlegen. Die Frau hatte sich vermutlich nie gewünscht, in diesem Moor begraben zu werden. Wenn es nach ihr ginge, sollte ihre Mutter eingeäschert werden, aber der Gedanke an deren Aufregung, als Rasmus beigesetzt wurde, änderte diese Meinung. Dem stark von der Inneren Mission geprägten Glauben ihrer Mutter zufolge, der tief in ihr verwurzelt war, sollte man dem christlichen Dogma vom Tod folgen – nach dem der Körper unverletzt in der Erde liegen sollte, in einem so heilen Zustand wie möglich, im Hinblick auf die Wiederauferstehung, und obwohl sie ja jetzt nicht wusste, was mit ihren Körper geschah, wagte Kamilla es nicht, von diesem Glauben abzuweichen. Das war die letzte Rücksicht, die sie zeigen konnte.

      »Ist es nicht ein bisschen spät, um ein Foto der Fundstelle zu machen?«, fragte sie und konzentrierte sich darauf, die Kamera bereit zu machen. »Ja, wir sind spät dran«, räumte Anne ein. »Aber ein Foto der Stelle kann vielleicht ein bisschen Würze in einen Artikel bringen.« Sie sah sich nach Nicolaj um, der plötzlich nicht mehr in der Nähe war. »Er wird doch wohl verdammt noch mal nicht ins Moor gefallen sein«, murmelte sie und unterdrückte ein kleines, freudiges Lächeln.

      Kamilla machte einige Fotos; plötzlich sah sie Nicolaj im Bildausschnitt im Sucher und ließ die Kamera sinken. »Hey, geh da mal weg, du!«, rief sie.

      Er machte einen bewusst komischen Sprung aus dem Kamerawinkel weg und ging zu Anne.

      »Dort hinten liegt eine Gärtnerei. Vielleicht haben die was gesehen – damals«, sagte er mit vor Spannung zitternder Stimme.

      »Wir wissen nicht, ob sie vor fünfundzwanzig Jahren auch schon hier lag – Herrgott, du selbst warst damals ja noch nicht mal geboren!« Anne bereute schnell ihren Tonfall, aber Nicolaj sah aus, als ob er zu beschäftigt wäre, um ihn zu bemerken. Trotz allem war es eine positive Sache, dass er so in dem Stoff aufging.

      »Mit wem reden wir dann in Mundelstrup?«

      Sie sah ihn versöhnlich an. »Dort wohnt eine ältere Frau. Sie weiß angeblich alles über alle und hat ein fantastisches Gedächtnis. Bestimmt kennt sie einen Vorfall von damals, über den ich dann gerne ein wenig mehr erfahren würde.« Sie klopfte mit gestrecktem Arm die Asche von der Zigarette, während sie Kamilla ansah, die weiter fotografierte. Wenn er noch mal geiiiil sagt, erwürge ich ihn, dachte sie. Aber Nicolaj begnügte sich mit einem Nicken.

      »Wie findest du so eine Dame?« Er sah sie verwundert an, die hellen Augenbrauen zusammengezogen, und runzelte nachdenklich die Stirn. Hier in der Sonne leuchteten seine Haare ganz karottenfarben und passten zu den Herbstblättern.

      »Manchmal passiert es zufällig, aber diesmal habe ich die Friseure angerufen«, antwortete Anne. Sie war ja trotz allem seine Mentorin.

      »Die Friseure?«

      »Es gibt in Kleinstädten immer zwei Stellen, wo man alles erfährt. Beim ortsansässigen Kaufmann und beim Friseur. Beim Friseur wird am meisten geklatscht, daher habe ich es bei verschiedenen Salons versucht – und Bingo, einer von denen kannte also Agnes Isager.«

      Nicolaj lächelte schief, während er den Kopf schüttelte und in den blauen Himmel schaute. Als Kamilla fertig war, fuhren sie zurück in den Alten Viborgweg.

      Agnes Isagers Haus lag einsam am Rand von Mundelstrup an offenen Feldern. Es war nicht besonders gepflegt, aber das konnte man auch nicht verlangen von einer fast achtzig Jahre alten Dame, die lebte und atmete, um kleine selbst gemachte Kobolde und Weihnachtsschmuck zu basteln. Jetzt im Herbst hatte sie am meisten zu tun, und der ganze Esstisch war voll mit kleinen, weißen Wattebäuschen, auf die sie Gesichter malte, Zweigen, Zapfen, Strohkränzen, kleinen Koboldmützen aus rotem Filz und geschnitzten Miniholzpantoffeln.

      Agnes war nicht aufgestanden, um sie hereinzulassen. Als sie klopften, rief sie laut: »Kommt rein!« Sie war eine der wenigen Älteren, die nichts auf das Gerede der Presse von Überfällen im eigenen Heim gab, Angst bekam, sich mit Ketten einschloss und die Tür zuknallte. Wenn sie diese Art Besuch bekäme, könnte sie auch nicht viel Widerstand leisten. Ihre Arme waren fast so dünn wie die roten Pfeifenreinigerarme der Kobolde, der Rücken war ein wenig krumm davon, die meiste Zeit des Tages über die Arbeit gebeugt zu sein. Die Augen waren lebendig und froh und voller Neugier. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie eine von denen war, die es liebte zu erzählen. Sie legte Pinsel und Wattebausch mit einem halbfertigen Koboldgesicht zur Seite. Anne und Kamilla setzten sich an den Tisch. Nicolaj war von den Kobolden fasziniert und betrachtete die Details eines Koboldmädchens, das in einer Leiter aus Zweigen hing.

      »Entschuldigung, dass wir Sie mitten im Hochbetrieb stören«, sagte Anne und warf einen bewundernden Blick auf alle Weihnachtssachen. Einige der fertigen Kobolde standen in Reih und Glied auf einem Wandregal und ähnelten kleinen ungeduldigen Wesen, die nur auf den Dezember warteten.

      »Das macht wirklich überhaupt nichts, ich mache das ganze Jahr über Kobolde, damit ich ohne Weiteres vor Weihnachten fertig werde«, sagte sie mit einem Lachen.

      »Verkaufen Sie Ihre Kobolde – oder ist das einfach ein Hobby?«, fragte Kamilla.

      Agnes erklärte, dass alle ihre Kinder und Enkel schon in Kobolden ertranken und dass ihre Tochter eine Homepage im ›Indernett‹, wie sie es aussprach, eingerichtet habe, und dass sie auf diese Weise einen Teil davon verkaufte. Darum kümmerte sich ihre Tochter, da die neumodische