Dieser Punkt ist von großer Bedeutung. Die Vernunft kann nach Hume nichts anderes tun als Vorstellungen hervorzubringen und miteinander zu vergleichen. Wenn Hume ihr die Aufgabe zuweist, Überzeugungen mit »realen« Vorstellungsbeziehungen und »realen« Tatsachen zu vergleichen, kann er damit also nur wiederum Perzeptionen meinen – nicht die realen Dinge der Außenwelt. Denn erstens haben wir zu diesen keinen von unseren Perzeptionen unabhängigen erkenntnistheoretischen Zugang und zweitens kann eine Perzeption naturgemäß nur mit etwas übereinstimmen, das ebenfalls eine Perzeption ist.
Damit will Hume jedoch nicht sagen, dass es die Außenwelt gar nicht gibt. Seine Feststellung, dass es für uns streng genommen nur Perzeptionen gibt, ist nicht ontologisch, sondern epistemologisch zu verstehen. Eine Außenwelt mag durchaus existieren, aber wir können nichts über sie wissen. Als systematisches Wahrheitskriterium ist die Berufung auf ontologisch objektive Tatsachen daher denkbar ungeeignet.31
Ist es nach Hume denn dann überhaupt vernünftig, von der [39]Existenz einer Außenwelt auszugehen? Interessanterweise ist es das. Hume gibt zwar zu bedenken, dass wir die Existenz einer Außenwelt weder durch bloßes Nachdenken demonstrieren noch durch Erfahrung beweisen können. (Vgl. T 1.2.6.7 f.; SBN 67 f.) Er weist aber gleichzeitig darauf hin, dass es uns in der Praxis vollkommen unmöglich ist, an ihr zu zweifeln. (Vgl. T 1.4.2.1; SBN 187.) Die Überzeugung, dass die Außenwelt existiert, beruht offenbar auf einem dauerhaften, unwiderstehlichen und allgemeinen Prinzip des Denkens. Genau das sind nach Hume jedoch die Kriterien, die ein Prinzip der Einbildungskraft erfüllen muss, um zu den Prinzipien der Vernunft gerechnet zu werden. Es ist also vernünftig, an die Existenz der Außenwelt zu glauben. Und da Hume die Vernunft als die Ursache der Wahrheit betrachtet, ist die Aussage, dass die Außenwelt existiert, ein wahrer Satz.
Hume zufolge gibt es also (einige wenige) Überzeugungen, von deren Wahrheit wir zu Recht ausgehen, ohne sie intuitiv erkennen, demonstrieren oder durch einen Beweis im Sinne Humes belegen zu können. In der Sekundärliteratur hat sich für diese Phänomene seit Norman Kemp Smith der Begriff der natürlichen Glaubensinhalte (natural beliefs) durchgesetzt. (Vgl. Kemp Smith 1941/2005) Gibt es für Hume also doch angeborene Vorstellungen? Nein. Erzeugt werden die »natural beliefs« wie alle Tatsachen betreffenden Überzeugungen erst durch Erfahrung. Als angeboren betrachtet Hume lediglich unsere Unfähigkeit, Überzeugungen dieser Art nach ihrer Entstehung konsequent in Zweifel zu ziehen.
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