»Um genau zu sein«, sagt Scooter, immer noch mit dem Rücken zu uns, »ist der Typ mit dem Asia-Fetisch gar nicht unsere Zielperson. Sondern sein Kumpel.«
Nova reicht mir einen weiteren Umschlag. Darin sind noch mehr Überwachungsfotos. Diese zeigen einen großen, schwarzen Mann, der eine Vollglatze sowie eine futuristische, große Sonnenbrille trägt.
»Ist das der Bodyguard?«
Nova nickt.
»Und der steht auf Asiatinnen?«
Er nickt erneut.
Ich schaue wieder von Nova zu Scooter, von Scooter zu Nova. »Ich werde komplett auf mich allein gestellt sein, hab ich recht?«
»Zumindest, wenn du drinnen bist, ja«, gibt Nova zu.
»Super.« Ich verschränke die Arme und atme einmal tief durch. »Und wie ist der genaue Plan?«
Kapitel 2
Nova blättert die Bilder von Roland Delano durch, bis er findet, was er sucht. Er legt die Aufnahme auf den Tisch und tippt auf eine bestimmte Stelle.
»Siehst du das?«
»Der Kerl trägt Schmuck.«
»Das ist kein Schmuck«, entgegnet Nova und hält seinen Finger auf eine Stelle unter Delanos Hals gerichtet, wo eine Goldmünze an einer Kette hängt. »Das ist ein USB-Stick.«
»Ein USB-Stick«, wiederhole ich.
»Dieser Job besteht aus zwei Teilen, Holly. Delano auszuschalten, ist die eine Hälfte. Die andere ist, diesen Stick mitzubringen.«
Ich schaue auf und mustere meine beiden Mittäter. Scooter ist klein und dünn und trägt eine Brille. Nova ist kräftig, stark und gutaussehend. »Was macht dieser Roland Delano nochmal?«
»Ein typischer Terrorist.«
»Und was ist sein Spezialgebiet?«
»Waffen.«
»Schwere oder leichte Waffen?«
»Super schwere.«
Ich nicke und sage: »Dann wird er also gut geschützt sein.«
»Sehr gut geschützt«, bestätigt Scooter. Er winkt mich heran und zeigt auf einen seiner Bildschirme. »Delano w-w-wohnt in der Bonzen-Suite im Bellagio. Eigentlich wollte er eine der Villen, doch die waren alle b-b-belegt und da wurde er sauer. K-kannst dir ja vorstellen, dass so ein Typ normalerweise k-kriegt, was er will.«
Scooter öffnet ein Fenster, hackt in die Tasten und die Webseite des Bellagio erscheint.
»Wow«, sage ich. »Ihr habt in den letzten anderthalb Wochen wirklich supergeheime Informationen gesammelt!«
»Ja, lach du nur«, sagt er, klickt und klickt, bis die Seite für die edelste Suite erscheint. »Du darfst nicht vergessen, dass das hier kein George-Clooney-Film ist. Es ist so gut wie unmöglich, sich in ein großes Casino reinzuhacken, schon gar nicht mit meinem beschränkten Equipment. Aber immerhin habe ich es geschafft, seine Zimmernummer herauszubekommen und das Telefon anzuzapfen. D-dadurch wissen wir von der Party heute Abend und welche Mädels er bestellt hat.«
»Und wie kriege ich meine Einladung?«
»Er hat bei einer der Agenturen eine Asiatin bestellt«, sagt Nova. »Wir haben ein paar Stunden später nochmal dort angerufen und ihnen gesagt, dass wir die Buchung stornieren, aber trotzdem voll bezahlen.«
»Eine Asiatin«, murmle ich und werfe Nova einen bösen Blick zu. »Ihr seid ganz schön rassistisch.«
»Egal«, sagt Scooter und klickt woanders hin: »D-das ist der Lageplan der Suite. Es gibt ein Foyer, das in das Wohn- und Speisezimmer führt. Zur Rechten ist eine Bar und ein Konferenzraum. Auf der anderen Seite sind zwei Schlafzimmer, jeweils mit eigenem Bad.«
»Klingt so, als würdest du mir so ein Zimmer vermieten wollen.« Ich starre für einen Moment auf den Bildschirm und frage dann Nova: »Wie viele Sicherheitsleute hat er denn?«
»Mindestens ein halbes Dutzend.«
»Und ich gehe da unbewaffnet rein.«
»Ja, so in etwa.«
»Und wenn ich mir einen Fingernagel abbreche und Hilfe brauche, wie lange dauert es, bis Verstärkung da ist?«
Nova schaut zu Boden und kratzt seinen Hals. »Das ist noch so eine andere Sache, die wir vermutlich besprechen müssten.«
»Vermutlich«, stimme ich zu.
»Die Suite hat eigene Fahrstühle. Man braucht eine Schlüsselkarte, um sie zu benutzen, und dummerweise haben wir keine.«
»Ich kann da auch nichts machen«, sagt Scooter. »Nicht bei den Sicherheitsfeatures, die das B-B-Bellagio hat.«
Ich verschränke die Arme und schaue die beiden böse an. »Okay, ich fasse nochmal zusammen: Ich gehe da ohne Waffe rein, ohne Schutz und ohne Verstärkung. Habe ich das richtig verstanden?«
Nova schaut kurz weg und nickt dann betreten.
»Und wo werdet ihr beide dann sein?«
»Nachdem ich dich abgesetzt habe«, sagt Nova, »parke ich die Limousine in einer Garage, ziehe mich um und arbeite dann im Casino.«
»Super. Also amüsierst du dich, während ich arbeite.«
»Ich stehe die ganze Zeit für Funkkontakt bereit, genau wie Scooter.«
Scooter nickt. »Ich werde im Parkhaus in unserem SUV sitzen und deren Sicherheit abhören.«
Ich werfe einen Blick auf den Bildschirm und denke über das mindestens halbe Dutzend Männer nach, sowie die Tatsache, dass ich gar nicht für Roland gebucht bin, sondern für seinen Leibwächter.
»Wie viele andere Frauen werden dort sein?«
»Mindestens ein halbes Dutzend«, sagt Nova wieder, »vielleicht auch mehr.«
»Oh, verstehe. Er ist also ein Boss, der gern seinen Wohlstand mit seinen Mitarbeitern teilt.«
Nova schüttelt den Kopf, hält dabei aber Blickkontakt zu mir. »Nein, die sind alle für ihn.«
»Okay, dann ist er ein selbstsüchtiges Arschloch.«
»Soweit wir wissen«, sagt Scooter, »ist er weitaus mehr a-als nur selbstsüchtig.«
Nova zieht eine Packung Zigaretten aus seiner Tasche und bietet mir eine an.
»Du weißt doch, dass ich aufhören will«, beschwere ich mich, nehme aber trotzdem eine. Nachdem er sie uns angezündet hat, schaut er mich wieder an, doch bevor er etwas sagen kann, nehme ich ihm die Worte aus dem Mund.
»Der Kerl geht gern hart zur Sache, hab ich recht?«
Nova nickt, hält meinem ernsten Blick aber stand.
Scooter zieht ein frisches Bazooka Joe aus der Tasche, wickelt es aus und steckt sich das Kaugummi dann in den Mund. Er hat die Angewohnheit, nach und nach acht bis zehn Stück in seinem Mund zu sammeln, bevor er den riesigen, zerkauten Ball dann ausspuckt und von vorn anfängt. Jetzt lehnt er sich zurück und schaut mich verstohlen an – ich sehe die gleiche Frage in seinen Augen wie bei Nova.
Ich warte einen Moment ab, dann sage ich: »Macht euch keine Sorgen darüber.«
»Holly …«, setzt Scooter an.
»Nein, wirklich. Ich kriege das hin.«
»Walter ist klar, dass das kein sauberer Einsatz sein wird«, sagt Nova. »Er will nur nicht, dass es völlig außer Kontrolle gerät.«
Klar. Wenn ich ein General der Vereinigten Staaten von Amerika wäre, würde ich auch nicht wollen, dass eine nicht-genehmigte Mission im eigenen Land außer Kontrolle gerät.