»Ganz recht, weißer Mann – dir hat gerade eine scheiß coole Braut von knapp eins-sechzig in den Arsch getreten!«, schrie sie und ließ sich auf ihn fallen und prügelte wieder und wieder auf ihn ein, wobei sie bei jedem Schlag ihre fünfzig Kilo Körpermasse voll einsetzte.
Schließlich kam ihr eine Gruppe Klowns zu nahe und Campbell zog sich zurück. Ihr Blick war immer noch hart, aber sie schnappte sich ein Magazin aus ihrer Weste und warf das leere aus dem Gewehr aus. Doch sie würde nicht schnell genug sein und Rawlings konnte ihre Waffe nicht von den Zielen vor ihr abwenden – sie befand sich in der gleichen Gefahr.
Die Verrückten, die nach Campbell griffen, zuckten und heulten, als Muldoon ihnen schnelle Drei-Schuss-Salven verpasste und Vollmantelgeschosse durch ihre Körper jagte. Das gab Campbell genug Zeit zum Nachladen. Sie rammte das Magazin ins Gewehr, löste die Entriegelung und kehrte zum Geschäft des Tötens zurück.
»Super Show, Leon Spinks, aber es ist besser, sie zu erschießen, als mit ihnen zu boxen!«, knurrte Muldoon. »Du behältst verdammt noch mal dein Gewehr in der Hand, oder ich trete dir so hart in deinen kleinen Arsch, dass du zwei Kerben hast, anstatt einer!«
»Will ich sehen, wie du das versuchst«, antwortete Campbell, ohne ihn dabei anzublicken. Ihre Stimme war in dem Gefechtslärm kaum zu hören.
Eine dreckige Frau, die nur ein schmutziges Baumwollhöschen anhatte, duckte sich unter Rawlings' Schussfeld hindurch und griff sie an, wobei sie den hastigen Schuss ignorierte, den ihr Rawlings in die Schulter jagte. Die Wunde begann fast sofort stark zu bluten, und Rawlings fand das an der ganzen Situation am erschreckendsten. Während die Frau gegen sie prallte und sie auf den Rücken stürzte, konnte Rawlings nur an das Blut denken. Und an den infektiösen Virus, den es in sich trug.
Rawlings trug keine Schutzausrüstung. Fast niemand im Bergungsteam tat das; sie waren so weit hinter den eigenen Linien, dass ein Angriff nicht möglich schien, aber hier war er, live und in Farbe.
»Wie geht’s, Schwester?«, gackerte die Frau, die auf Rawlings hockte. Die Frau griff nach Rawlings’ M4 und spuckte sie dabei an. Rawlings wandte sich im letzten Moment ab und spürte, wie der warme, stinkende Speichel ihre Wange traf. Während weitere Klowns auf sie zustürmten, kämpften die Frauen um die Kontrolle über das Gewehr. Ein schwerfälliger fetter Mann, in dessen Kopf überall Nadeln steckten, hob eine Axt in die Höhe. Obwohl eine seiner verrückten Begleiterinnen direkt auf Rawlings lag, war es offensichtlich, dass der Mann trotzdem zuschlagen wollte. Er würde sie beide zerhacken, nur um Rawlings zu erwischen.
Rawlings hörte Muldoon schreien, aber das Geräusch wurde von dem wütenden Kreischen des fetten Mannes übertönt, als er Schwung holte.
Dann brüllte etwas auf, und der Kopf des Mannes explodierte buchstäblich wie eine überreife Wassermelone am Ende eines Fünfzig-Meter-Sturzes. Blut, Knochen und eine breiige graue Masse wurden in einer ekelhaften Wolke von Rawlings und ihrer Gegnerin weggeschleudert. Die Axt fiel der nun kopflosen Leiche aus den Händen und traf die Frau von hinten am Schädel. Wegen des plötzlichen Schmerzes stieß sie überrascht einen heiseren Schrei aus, dann begann sie sich an Rawlings zu reiben, so als stünde sie kurz vor einem Orgasmus.
»Fuck, jaaaaa …«
Der Schaft einer Schrotflinte mit gezackter Spitze tauchte in Rawlings’ Blickfeld auf. Er wurde direkt in die Stirn der Frau geschlagen, trieb sie damit zurück und entlockte ihr einen weiteren Lachanfall. Etwas explodierte, und der Kopf der Frau wurde in seine Einzelteile zerfetzt, Knochenstücke und Brocken einer blutigen Masse wurden von einer Flutwelle aus Feuer mitgerissen. Während sie ihr M4 packte, schrie Rawlings laut gegen den Lärm und die ganze Wut an. Ein Mann mit harten Gesichtszügen starrte auf sie herab. Unter seinem Helm bestand sein Gesicht nur aus Furchen und Kanten. Ein Unteroffizier, den sie zwar schon gesehen, aber noch nicht kennengelernt hatte.
»Bist du infiziert?«, donnerte der Mann und richtete seine Schrotflinte auf sie. Er lud sie durch und Rawlings konnte buchstäblich hören, wie die Patrone in die Kammer getrieben wurde.
»Nein«, keuchte Rawlings.
Der Mann trat ihr in die Seite. »Das heißt: Nein, First Sergeant!«, schnappte er zurück. Rawlings schrie bei dem Tritt laut auf, und das schien für den Mann Antwort genug zu sein. Er nickte kurz.
»Zurück an dein Gewehr«, sagte er, dann wandte er sich von ihr ab und brachte seine Schrotflinte an der Schulter in Anschlag. Er zielte auf einen angreifenden Klown und blies ihm das komplette Gesicht weg. Drei weitere fielen, als die Schrotkugeln ihr Ziel fanden und die nächsten Angreifer trafen. Snack-snack! Der First Sergeant lud die Waffe erneut durch und feuerte sofort weiter, der nächste Gegner fiel, während immer mehr Soldaten nach vorn stürzten, deren M4 gegen das Basso-Boom der Schrotflinte anratterten.
Rawlings kämpfte sich auf die Füße zurück, umgeben von Lightfighters und ihren feuernden Gewehren. Und genau so wurde der Klown-Angriff abgewehrt. Während sie Wildheit und Grausamkeit besaßen, fehlten ihnen das Training und die Selbstbeherrschung, um sich mit spezialisierten Kampftruppen messen zu können. Sie wurden in weniger als zwei Minuten besiegt, fielen auf die Lichtung, blutend und heulend vor Heiterkeit. Selbst am Boden versuchten sie noch zu kämpfen, spuckten und kratzten und schleuderten blutiges Material auf die herannahenden Soldaten. Nichts davon funktionierte. Die Lightfighter waren unerbittlich und exekutierten jeden Mann, jede Frau und jedes Kind noch vor Ort. Auch Rawlings. Sie schoss einer pummeligen Hausfrau in den Kopf, richtete ihre Waffe dann direkt auf einen fünfjährigen Jungen und tat dasselbe. In ihrem Herzen gab es kein Bedauern. Das waren keine Menschen mehr. Es waren Automaten, die von einem mikroskopisch kleinen Virus dazu gebracht wurden, sich selbst und anderen wahnsinnige und schreckliche Dinge anzutun. Einem Virus, der ihr Gehirn so stark verkorkst hatte, dass ihre Menschlichkeit im Grunde ausradiert worden war. Sie waren Verrückte. Sie waren Klowns. Es gab keine Möglichkeit für Koexistenz, also mussten sie sterben.
Auch wenn es kleine Kinder waren, sagte sie sich. Ein winziger Teil von ihr war darüber erstaunt, dass die Welt so verdammt beschissen geworden war, dass selbst Kinder auf den Schlachtfeldern geopfert wurden.
Schließlich wurde das Gewehrfeuer sporadischer. Der First Sergeant, der Rawlings gerettet hatte, stolzierte auf dem Feld herum und bellte Befehle, die sich auf das Wesentliche beschränkten. Er war wie ein wütender Kriegsgott, voller Intensität und fordernd. Für Rawlings verkörperte er das, was Muldoon eines Tages werden würde. Eine Macht, auf die man zählen konnte, komplett mit Winkeln und Raute auf seinem Ärmel, die jedes Dienstjahr und jeden erfolgreich abgeschlossenen Einsatz symbolisierten.
»Okay, wer führt diesen Scheißverein an?«, rief der ältere Mann laut. Er ließ seinen Blick über die Lichtung schweifen und betrachtete die Ansammlung von Soldaten, die noch immer die verwundeten Angreifer exekutierten.
»Das ist ein Lieutenant«, warf Rawlings ein. »Ich kenne seinen Namen nicht …«
»Ich meine nicht den Offizier, Arschloch«, antwortete der First Sergeant. »Ich will wissen, wer der Senior NCO ist, der diese Zone sichern sollte!«
»Boats.« Das war Muldoon. Er ging auf den älteren Mann zu, als hätte er gerade die letzte Powerball-Ziehung gewonnen. »Das wäre dann ich.«
»Sergeant Muldoon, oder?« Der First Sergeant betrachtete ihn mit einem dünnen Lächeln. »Oh ja, der Sarmajor bekommt bei dir immer einen Ständer. Weißt du das?«
»Ich bin eben ein attraktiver Mann«, antwortete Muldoon.