Müde ging er weiter – und bemerkte erschrocken, dass die Karawane links an ihm vorbeiziehen würde. Hatte man ihn denn nicht bemerkt? Und überhaupt: Wo waren die Besitzer der Sechsbeiner? Bisher hatte er bloß die Tiere samt ihrer Körbe gesehen.
»Hierher!«, rief Gucky. »Schaut gefälligst hierher!«
Er winkte, sprang in die Luft, schleuderte Steine in Richtung der Karawane und schaufelte haufenweise Sand empor, sodass die Körnchen in diesem Raum völligen Stillstands langsam und majestätisch wieder auf ihn herabrieselten.
Nichts. Keine Reaktion. Die Tiere zogen weiter, stur und in einem sanften Wiegeschritt. Sie gingen einer uralten Spur nach, die ihre Urahnen womöglich zu Anbeginn der Zeit durch den Andersraum gezogen hatten. Vermutlich konnten sie gar nicht anders.
Heftiger Zorn packte Gucky. So sehr hatte er diese Begegnung herbeigesehnt. Seine Einsamkeit als letzter Ilt des Universums war bei Weitem nicht so schlimm wie eine Enttäuschung derart großen Ausmaßes. Was, wenn er die kleine Karawane wirklich verfehlte? War er dann gezwungen, bis zum Ende seines Lebens dieses tote Land zu durchwandern?
Er stampfte mit dem rechten Fuß auf, gab ein enttäuschtes Mausbiberpfeifen von sich und trommelte mit dem Schwanz auf den Boden.
Als wären dies die einzig richtigen Signale, hielten die Kamele abrupt inne – und wandten sich in seine Richtung. Sie hatten ihn bemerkt.
*
Die Tiere näherten sich quälend langsam. Sie ähnelten tatsächlich Kamelen mit sechs Beinen, allerdings besaßen sie robotische Körperkomponenten. Teile der Brust und des Hinterteils waren mit Metallplatten verziert, die wiederum mit glänzenden Nieten beschlagen worden waren. Mit jedem Schritt der Tiere entstand ein leiser Ton, der je nach Schrittlänge variierte. Gleichzeitig erzeugten die Tritte bildliche Symbole, die auf die genieteten Metallplatten übertragen wurden. Diese Bilder erinnerten Gucky an etwas. Er wusste nicht zu sagen, was es war. Womöglich hatte er doch nicht alle Teile seiner Erinnerungen zurückgewonnen?
Die Kiefer waren metallüberzogen, die Augen rot glühende Linsen. Als das Leittier einen Schrei ausstieß und die Karawane, bestehend aus insgesamt sechs Tieren, etwa 20 Meter von Gucky entfernt anhielt, stellte sich sein Nackenfell auf. Die Metallkamele wirkten wütend.
Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, auf sich aufmerksam zu machen?
Das Schwanken der Körbe endete, die Kamele standen ruhig da. Wie auf Kommando gingen die Tiere in die Knie und verschränkten die Beine unter ihren Körpern. Das Leittier beugte seinen Hals unnatürlich weit nach hinten, in Richtung des linken Tragkorbes. Der Hals bestand aus ineinander verschobenen Elementen. Scherenelemente, die wie die Spielerei eines irrwitzigen Bastlers wirkten.
Nichts von dem, was Gucky sah, war moderne Technik. Doch es musste eine interne Rechnersteuerung geben. Ein positronisches oder anders höherwertiges Gerät, das die Kamele befehligte.
Er hatte zu viel gesehen und erlebt, um sich über derartige Hybridwesen zu wundern. Es gab im Universum nichts, das es nicht gab. Also nahm er die Existenz der Metallkamele hin.
Das Leittier öffnete die Klappe des einen Korbes mithilfe seiner weichen Nüstern, holte Nahrung hervor und wandte den Kopf wieder in Guckys Richtung. Gemächlich kaute es auf Körnern herum und spuckte immer mal wieder Schleim auf den Boden.
»Was seid ihr bloß für Geschöpfe?«, fragte Gucky. »Kann man sich mit euch unterhalten?«
Keine Reaktion. Alle sechs Tiere hatten sich mittlerweile an ihren Nahrungskörben bedient. Sie stierten ihn an, als warteten sie auf etwas.
Geduld war nie seine Stärke gewesen. Gucky ging auf das Leittier zu und streckte beide Hände aus. Vielleicht verstand es dieses Symbol der Offenheit und Friedfertigkeit? Würde der Steuerrechner des Tiers erkennen, dass er Kontakt aufnehmen wollte? Waren sie so etwas wie Wächter dieser endlosen Wüste, die nach Gestrandeten suchten und Meldungen an eine übergeordnete Einheit weitergaben?
Das Leittier hob den Kopf, als wollte es etwas sagen – und spuckte ihn an. Mitten auf die Brust. Das Zeug verfing sich in seinem Fell und verklebte es.
»Du verdammtes Vieh! Ich werde dir ... werde dir ...«
Was konnte er schon machen? Er war bloß ein Ilt mit einem leichten Hang zu einem Wohlstandsbauch. Völlig nackt, all seiner Fähigkeiten beraubt. Wenn er dem Tier auf die Nase hieb, würde es den Schlag vermutlich nicht einmal richtig spüren. Aber es würde auf den Angriff womöglich reagieren, seinen Hals ein weiteres Mal ausfahren und ihm den Kopf abbeißen.
Gucky beherrschte sich also. Er umrundete die Tiere, die wie an einer Perlenkette hintereinander aufgereiht dasaßen. Ihre Köpfe drehten sich mit ihm. Beobachteten ihn in völliger Synchronizität. Verfolgten jeden seiner Schritte.
»Was wollt ihr von mir?«, piepste Gucky, so laut er nur konnte. »Soll ich mich etwa auf einen von euch draufsetzen? Ist es das, weshalb ihr hergekommen seid?«
Die Metallkamele kauten gemächlich weiter. Nur das Leittier bewegte den Kopf nach oben und nach unten, als wollte es Guckys Frage bejahen.
»Also schön, ihr Teufelsviecher. Wenn mir etwas geschieht, schwöre ich euch, dass ich aus der Mausbiberhölle zurückkehre und euch telekinetisch die Hälse verknote.«
Gucky war klar, dass er sich gerade keine Freunde machte, sollte seine Begegnung mit den Tieren von einer Leitinstanz registriert und ausgewertet werden. Aber er war völlig erschöpft, ratlos und verzweifelt. Er hatte keine Ahnung, wie er jemals wieder aus dem Andersraum zurück in die Realität finden sollte. Die einzigen Wesen, die so etwas wie Hilfe versprachen, spuckten ihn an und verhielten sich feindselig.
Also ging Gucky schnurstracks auf das hinterste Tier zu, krallte sich kurzerhand im Körperfell fest und wuchtete sich auf seinen Rücken.
Es gab ein Grunzgeräusch von sich, mit dem es womöglich seiner Überraschung Ausdruck verlieh. Es spannte die Muskeln gut spürbar unter Guckys Hintern an – und schob sich wackelig in die Höhe.
Die anderen Metallkamele taten es ihm gleich. Sie verfielen in gemächlichen Schritt und setzten ihren Weg fort. Weiter in jene Richtung, die sie ursprünglich verfolgt hatten.
Gucky schwankte vor und zurück, immer wieder. Bereits nach wenigen Schritten wusste er, dass er diese Art des Reisens ganz und gar nicht mochte. Zu seinem Glück hatte er nichts in seinem Magen, das er von sich geben konnte.
*
Die Tiere wanderten gemächlich dahin, und während sie dies taten, veränderte sich die Landschaft nun doch. Es war, als würde die Karawane eine Realität im Andersraum schaffen, die Gucky verstand. Mit einem Mal hatte er wieder Hunger. Auch die Hitze machte sich unangenehm bemerkbar. Seine Kräfte allerdings kehrten nicht zurück. Weiterhin hinderte ihn etwas in seinem Kopf, darauf zuzugreifen.
»Wohin bringt ihr mich?«, fragte Gucky, an sein Transporttier gewandt. »Habt ihr so etwas wie einen Heimatstall, in den ihr zurückkehrt?«
Keine Antwort. Natürlich nicht. Diese Hybridwesen waren stumpfe Tiere ...
Ein Geräusch.
Etwas, das nicht zu dem beständigen Klingklang gehörte, das die Metallkamele erzeugten. Vielmehr eine Art Zirpen, das hinter ihm ertönte.
Gucky wandte sich um. Da war bloß ein weiteres Tier, das gemächlich kaute. Die beiden Transportkörbe schaukelten genauso weit hin und her wie die seines eigenen Transportkamels.
Der rechte Korb öffnete sich. Ein Kopf lugte daraus hervor, der dem einer großen Maus mit noch größeren Ohren ähnelte. Die Hörorgane waren durch biomechanische Prothesen ersetzt, die weitaus raffinierter gefertigt waren als die der Metallkamele.
Das Wesen schob sich bis zum Bauch aus dem Transportgestell und streckte die schlanken Arme weit in die Höhe, als würde es sich ausgiebig strecken. Es gähnte, eine silbrig glänzende Zunge wurde hinter einem einzelnen stumpfen Zahn sichtbar.
Ein