Der h. Rosalia, als Schutzpatronin des Landes, zu Ehren, wird alle Jahre vom 15. bis 18. Juli ein großes Fest, sowohl in der Stadt, als auf dem Berge, gefeiert. An den genannten Tagen pilgert eine Unzahl von Menschen nach der oben beschriebenen Grotte, wo man einst die Gebeine der Heiligen fand, und zwar gerade zu der Zeit, als die Pest in Palermo wüthete. Man trug sie mit großer Feierlichkeit hinab in die Stadt, und von demselben Augenblicke hörte die Pest auf.
Von dem Kloster hat man eine kleine Viertelstunde über Steingerölle zu dem Tempel zu wandern, der auf der Spitze eines Felsens steht und den Schiffenden schon von weitem sichtbar ist.
Nach der einfachsten Art erbaut, zeichnet er sich durch gar nichts aus. Seine Spitze zierte ehemals ein Standbild der h. Rosalia, in mehr als Riesengröße. Es stürzte herab, und nur der Kopf blieb unbeschädigt. Tempel und Statue gleichen jetzt einer Ruine; man geht an diesen Ort nur der himmlischen Aussicht wegen.
Auf dem Rückwege nach dem Kloster zeigte mir mein Cicerone eine Stelle, wo früher ein großer Baum stand. Vor einigen Jahren saß eine Familie im Schatten desselben, erlustigte sich in heitern Gesprächen und verzehrte dabei einen kleinen Imbiß, da stürzte der Baum plötzlich um und tödtete vier Personen.
Die Partie nach dem Rosalienberge ist in vier bis fünf Stunden bequem gemacht. Man reitet gewöhnlich auf Eseln hinauf; sie sind jedoch im Vergleich zu den egyptischen so träge, daß ich oft abstieg und lieber zu Fuß ging. Auch in Neapel fand ich diese Thiere nicht besser.
Nun wünschte ich noch Bagaria, den Sommeraufenthalt vieler Städter zu besuchen. Ich fuhr eines Morgens in Gesellschaft einer liebenswürdigen Schweizer-Familie nach dem freundlichen Orte, der ungefähr fünf Viertelstunden von Palermo entfernt ist. Der Weg dahin, zum Theil nahe am Meere, bietet eine reiche Abwechslung der herrlichsten Bilder.
Wir besahen den Pallast des Fürsten Fascello, dessen Besitzer aber selten hier wohnen muß, denn Alles sieht sehr verwahrlost aus. Zwei Säle erscheinen indessen noch jetzt bemerkenswerth. Die Seitenwände des kleineren bedecken Figuren und Zierathen, wunderschön aus Holz geschnitzt; dazwischen sind Stücke von Spiegeln eingelegt. Den gewölbten Plafond zieren ebenfalls Spiegel, die aber leider zum Theile schon erblindet sind.
Die Wände des großen Saales sind ganz überkleidet mit dem edelsten sicilianischen Marmor. Ober den Lamperien ist über den Marmor noch feines Glas gelegt, was dem Steine einen außerordentlichen Glanz verleiht. Der ungeheure Plafond ist wie jener des kleinen Saales, gewölbt und ganz mit Spiegeln ausgetäfelt, die aber noch in gutem Zustande sind. Beide Säle, besonders der größere, sollen bei Kerzenbeleuchtung einen außerordentlichen Effekt machen.
Ich brachte einen Sonntag in Palermo zu, und freute mich sehr, das Landvolk in seinem Staate zu sehen. Allein ich erblickte gar nichts Schönes, ja außer den lange hinab hängenden Schlafhauben nicht einmal etwas Eigenthümliches. Die Männer tragen Beinkleider und Spenser, und auf dem Kopfe die erwähnte Mütze; die Weiber Röcke, Spenser und ein weißes oder gefärbtes Tuch um Kopf und Hals.
Das gemeine Volk scheint weder reinlich, noch wohlhabend. Die Vornehmen und Reichen machen die Moden von Paris, London und Wien mit.
In allen Städten Siciliens fand ich den Pöbel kecker und ausgelassener als im Orient. Ich sah oft Balgereien und Zänkereien der abscheulichsten Art. Vor Betrug und Diebstahl muß man sich unter diesem Gesindel noch weit mehr in Acht nehmen, als unter den Beduinen und Arabern. Nun erst erkannte ich, wie unrecht ich jenem Volke that, es für das unausstehlichste zu halten. Das konnte nur geschehen, ehe ich Sicilien und Neapel bereisete. Mich schmerzte diese Entdeckung doppelt, denn nirgend sah ich so viel beten, so viel fasten, so viele Geistliche, wie in diesen Ländern. Dem Scheine nach sollte man die Sicilianer und Neapolitaner für die besten und redlichsten Leute halten. Aber ihr Benehmen gegen Fremde ist im höchsten Grade ungezogen, nirgends begaffte man mich so keck, wie in den sicilianischen Städten, man zeigte mit den Fingern nach mir, man lachte mich aus, die Jungen liefen mir sogar nach und spotteten laut über mich, und warum? Weil ich einen runden Strohhut trug. In Messina warf ich ihn gleich weg, kaufte einen andern Hut, und kleidete mich so, wie es hier und auch bei uns Mode ist. Dessen ungeachtet hörte das Begaffen nicht auf. In Palermo blieben nicht nur die Gassenjungen stehen, um mich zu betrachten, sogar die Honoratioren thaten mir diese Ehre an, ich mochte fahren oder gehen. Ich fragte eine Dame um die Ursache davon, und bat sie, mich zu belehren, ob etwa mein Anzug lächerlich oder anstößig sei. Sie erwiederte: keines von Beiden; was den Leuten auffalle, sei blos der Umstand, daß ich als Frau mit einem Bedienten allein gehe oder fahre. In Sicilien erschien dieß als etwas ganz Ungewöhnliches, da gingen entweder immer zwei oder drei Frauen zusammen, oder eine einzelne Frau mit einem Herrn. Nun hatte ich zwar Aufklärung, änderte aber dessen ungeachtet meine Weise nicht, ging nach wie vor mit meinem Bedienten herum, und wollte lieber ein Bischen ausgelacht werden, als Jemanden die Ungelegenheit machen, mich überall hinzubegleiten. Anfänglich war mir dieß Angaffen höchst lästig; allein man gewöhnt sich an Alles, und so ging es auch mir.
Siciliens Vegetation ist über alle Beschreibung üppig und herrlich. Blumen, Gesträuche und Pflanzen erreichen eine Größe, Schönheit und Fülle, die man nicht leicht wo wiederfinden wird. Ich sah hier eine Menge jener Aloë-Arten, die bei uns in Treibhäusern mühsam gezogen werden, und höchst selten blühen, wild wachsend, und als Einfassung für Gärten benützt. Die Stämme, worauf die Blüthen sich entfalten, erlangen oft eine Höhe von 20 bis 30 Fuß. — Die Zeit ihrer Blüthen war bereits vorüber.
10. Oktober 1842.
Nach fünftägigem Aufenthalte sagte ich Palermo Lebewohl, und fuhr bei Regenwetter ab. Es war der erste Regen, den ich seit 20. April wieder fallen sah. Die Temperatur blieb dessen ungeachtet sehr warm. An schönen Tagen zeigte das Thermometer in der Mittagssonne noch immer 20 bis 22 Grad Reaumur.
Das Fahrzeug, worauf ich mich befand, war das königliche Postdampfschiff. Wir hatten Palermo Mittags verlassen. Gegen Abend wurde das Meer ziemlich stürmisch, so daß ich einige Mal von den Wellen halb überschüttet wurde, obwohl ich mich stets in der Nähe des Steuermanns aufhielt.
Auf dieser Reise war Anfangs nichts zu sehen, als Himmel und Wasser. Erst des andern Tages, als wir uns Neapels Küsten nahten, erschien ein Inselchen nach dem andern, und endlich zeigte sich auch das Festland unsern Blicken; Capri war die erste Insel, an welcher wir ganz nahe vorüber segelten. Hierauf nahm eine große Wolke, die sich himmelwärts bewegte, meine Aufmerksamkeit in Anspruch — es war eine Rauchsäule von der Feuerstätte des Vesuv. Endlich schimmerte ein weißer Streif am Rande des Meeres, gleich einem Gürtel durch die Atmosphäre, Alles jauchzte: ,,Napoli, Napoli!" und ich sah Neapel vor mir liegen. Meine Einbildungskraft war so gesteigert, ja ich möchte sagen überspannt, durch die Schilderung über die Lage dieser Feenstadt, die ich gelesen und gehört hatte, daß ich ebenfalls wieder mehr erwartete, als ich fand. Dieß mochte zum Theile wohl daher rühren, daß ich Konstantinopel gesehen hatte und eben von Palermo kam, dessen Lage mich so entzückt hatte, daß meine Begeisterung sich ziemlich in den Schranken hielt, und ich die Lage Palermo's beinahe jener Neapel's vorzöge.
Um 2 Uhr Mittags trat ich an das Land, und bekam durch die gütige Verwendung des Herrn Brettschneider auf Santa Lucia alsogleich ein herrliches Zimmer mit der Aussicht auf den ganzen Hafen und Golf, und hinüber auf den Vesuv und dessen Umgebung. Noch denselben Tag wollte ich wie gewöhnlich, meine Schauwanderung beginnen, aber schon in Palermo hatte ich einen anhaltenden Schmerz in der Seite bekommen, so daß ich meine letzten dortigen Ausflüge nur mit großer Ueberwindung unternehmen konnte.
Hier brach das Übel aus, ich vermochte nicht mehr das Zimmer zu verlassen. Ich hatte einen Andrax auf dem Rücken bekommen, mußte einen Wundarzt holen lassen, mich durch vierzehn Tage ganz ruhig verhalten, bis sich das Wundfieber nicht mehr einstellte.
Wäre mir dieß Unglück im Orient oder selbst noch in der Quarantaine zu Malta geschehen, wer weiß, ob man dieses Übel nicht für eine Pestbeule gehalten, mich darnach behandelt, und vierzig Tage abgesperrt hätte.
Während meines Hausarrestes war meine einzige Zerstreuung in den Stunden,