Als Plauen ihn entließ, sagte er zu ihm: Es ist uns unvergessen, lieber Getreuer, daß wir dir eine Gnade zugesagt haben, die du dir solltest erbitten können nach deines Herzens Begehr. Jetzt ist uns die Zeit knapp bemessen, und gar ernste Geschäfte erwarten uns. Gedulde dich also bis zu unserer Rückkehr und überlege deine Bitte wohl, damit wir dir gewähren mögen, was dir wahrlich zum Heile gereicht.
Der junge Ritter wußte, daß es für ihn keines Überlegens bedürfe, schwieg aber und trat bescheiden zurück. Er war frohen Mutes, als er nach der Vorburg eilte, in des Gießmeisters Hause sein Glück zu künden.
Heinrich von Plauen aber brach noch selbigen Tages nach Graudenz auf und nahm seine Gebietiger und viele seiner Ritter mit sich, daß es ein stattliches Gefolge wurde. Einen Eilboten schickte er nach Danzig zu seinem Bruder. Dem schrieb er, was geschehen war, und trug ihm auf, sofort nach der Marienburg zu reiten und dort in seiner Abwesenheit den Befehl über die Besatzung zu übernehmen. Nachdem Georg von Wirsberg ihn so schnöde getäuscht, glaubte er einen so wichtigen Posten keinem von den Brüdern anvertrauen zu können als seinem Blutsverwandten.
In Graudenz übergab der Hochmeister das Gericht über Niklas von Renys, der dort im Kerker saß, dem Vogt zur Leipe, der von alters her im Kulmer Lande der oberste Gerichtsherr über die Landsassen war an des Hochmeisters Statt. Er und seine Mitverschworenen sollten nach des Landes Gesetz und altem Herkommen von ihresgleichen in besetztem Landding öffentlich gerichtet werden, damit man den Orden nicht zum zweitenmal eines heimlichen Verfahrens beschuldigen könne wie bei dem Danziger Streit. Deshalb beauftragte der Vogt den Landrichter des Kulmer Landes, Herrn Austin vom Czegenberge, der berufen war, das Landding zu hegen. Weil es sich aber um eine wichtige Sache handelte, zog er auch den Landrichter von Schwetz, Herrn Aßwerus, zu, damit alles in rechter Form geschehe und kein Einspruch seitens der Flüchtigen erfolge. Diese nun setzten den Tag. Und man wurde eins, eine Ritterbank zu halten im Landding, da Niklas von Renys ritterlichen Standes war, wie auch jeder von den vier Geflüchteten, und keiner als Schöppe über sie zu Gericht sitzen dürfte mit Recht als die, die gleichfalls ritterlichen Standes oder des Ordens Lehnsleute waren.
Darauf schrieb der Hochmeister ins Kulmer Land und berief zu sich auf diesen Tag nach Graudenz alle seine Ritter und Knechte, die seine Mannen waren oder sein wollten. Wer da aber nicht käme, fügte er hinzu, den wolle er nicht für seinen Mann halten. Darüber entstand große Bestürzung bei denen, die sich mitschuldig wußten, und alle beeilten sich, nach Graudenz zu reiten und dem Herrn Hochmeister ihren schuldigen Gehorsam zu bezeigen, damit sie vielleicht die Gefahr von ihren Häuptern abwendeten.
An die vier flüchtigen Eidechsenritter erging ein Ladebrief, auf denselben Tag zu erscheinen.
Da versammelten sich auf dem Markte zu Graudenz alle Ritter und Knechte aus dem Kulmer Lande. Der Vogt zur Leipe sah zu, daß alles nach Glimpf zugehe, und hatte einige Leute mit Spießen an den Ecken des Platzes aufgestellt, auf dem das Ding gehegt werden sollte, damit gute Ordnung walte. Darauf wählte er selbst aus den Erschienenen die ritterbürtigen Schöppen, die er für die zuverlässigsten und treuesten hielt, und besetzte mit ihnen die Ritterbank. Es war eine größere Zahl als sonst gewöhnlich, wegen der Wichtigkeit der Sache.
Darauf übergab der Vogt zur Leipe dem Landrichter die Bank und wies den Schreiber an, über den ganzen Hergang ein Protokoll aufzunehmen, daß man daraus hinterher ersehen könne, wie alles nach dem Rechten gegangen sei. Er selbst saß nicht mit, zog sich aber auch nicht zurück, sondern behielt sich die oberste Leitung und Aufsicht vor, wozu er wohl befugt war. Nun wurden die Schöppen vom Landrichter eingeschworen. Ein jeder für sich nach der Reihe leistete den Eid: »Zu der Bank, dazu ich erkoren bin, da will ich auch sitzen, recht Urteil finden nach Klage und Widerrede nach meinen besten Sinnen«, wozu der Landrichter amen sprach.
Dann wurde Niklas von Renys aus dem Gefängnis herbeigeholt und der Bank vorgestellt. Die vier Flüchtigen wurden dreimal vom Herold aufgerufen, erschienen aber nicht. Nun klagte der Vogt sie sämtlich an, daß sie eine geheime Verschwörung unter sich und mit dem Komtur von Rheden gemacht hätten, der alles dessen geständig sei, und daß sie das Kulmer Land an den König von Polen bringen wollten und dem Herrn Hochmeister nach dem Leben getrachtet hätten. Niklas von Renys war durch die strenge Kerkerhaft ganz gebrochen; er wagte nicht, seine Geständnisse zu widerrufen. Nur erbot er sich zu einem Eide, daß er von einem Anschlag auf das Leben des Herrn Hochmeisters nichts wisse, auch nie dazu geraten habe. Sollte dies von dem Komtur zugestanden sein, so habe derselbe gelogen, um etwa seine eigene Schuld zu verringern. Er hoffe hierauf wohl zehn und mehr Eideshelfer unter seinen Genossen zu finden, die ihn von Jugend auf kennten und solcher Tat nicht fähig hielten, dies auch vor Gott versichern wollten. Sind doch auch unter euch Schöppen viele, schloß er, die lange im Lande und meine Nachbarn waren. Jetzt freilich wendet ihr das Gesicht von mir ab und möchtet am liebsten nicht wissen, wie ich heiße, denn ihr fürchtet, daß man euch geheimen Einverständnisses beschuldige, wenn ihr mir einen freundlichen Blick gönnt. Aber ich vertraue doch eurer Ehrenhaftigkeit, daß ihr solche Furcht besieget und nicht falsch gegen mich zeuget. Wahrlich, eine Schande ist's für den Mann, der zur Bank erkoren ist, wenn er um Freundschaft oder Feindschaft oder aus Menschenfurcht oder Eigennutz Urteil spricht. Dessen gedenket!
Da mischte sich der Vogt zur Leipe ein und sagte: Dir soll dein Recht werden, Nitcze – das war der Familienname der Renys. Aber es ziemt sich wohl, Euch vor dieser Ritterbank zu erinnern, daß wir doch wissen, weshalb Ihr im Kulmer Lande eigentlich den Eidechsenbau aufgerichtet habt. Denn es war Euch ein Dorn im Auge, daß im Landgericht nach dem Recht und nicht nach Freundschaft verfahren und auch der kleine Mann gegen Euch geschützt wurde, und daß wir Euch von der Landesritterschaft nicht einreiten lassen wollten mit Eurer ganzen Sippe und einer großen Schar Gewaffneter, Eure Ansprüche gegen die Bauern und gegen des Herrn Bischofs Amtsleute mit Gewalt durchzusetzen. Da machtet Ihr den Bund, daß einer dem andern helfe. Deshalb hör' ich's nicht gern, daß du die Schöppen auf ihren Eid verweisest, Nitcze.
Diese Rede gefiel dem Landrichter nicht, und er ließ deshalb keine Entgegnung zu, sondern antwortete selbst, daß er allezeit der Schöppen Freiheit gewahrt habe und auch ferner wissen werde zu wahren, und fragte sogleich Niklas von Renys, ob er sich selbst verteidigen oder seine Sache durch einen geschworenen Vorsprecher auszustehen gedenke. Darauf antwortete derselbe: Weder will ich selbst für mich verteidigen, noch mir einen geschworenen Vorsprecher kiesen. Sondern was ich getan habe, das mag ich nicht leugnen und auch nicht bereuen. Bei solchen Dingen soll man nicht sagen, sie seien zu Recht oder zu Unrecht. Sondern ob sie gelingen oder nicht gelingen, das ist ihr Maß. Ich weiß nicht, wie diese Sache ausgekommen ist, aber es muß ein Verräter unter uns gewesen sein, und gegen Heimtücke wehrt sich auch der tapferste Mann vergebens. Hätten wir's durchgesetzt, so wären wir die Richter und die Ordensherren ständen vor uns, ihr Urteil zu erwarten. Und wer weiß, wie es besser zu des Landes Nutz und Frommen wäre! Gebet acht, wie's kommen wird. Jetzt wehrt ihr euch, das kleine Kulmer Land dem König abzutreten, um Frieden zu erlangen, aber die Zeit ist nicht fern –
Da unterbrach ihn der Landrichter, der sah, daß der Vogt schon aufgesprungen war und mit der Faust drohte, verwies ihm solche Rede als ungehörig und fragte, was er noch zur Sache anzuführen habe. Darauf schüttelte der Ritter das Haupt und antwortete nur: Tut mit mir, wie Ihr wollt. Ich beuge mich nicht und will nicht um mein Leben bitten. Sehet zu, welche Saat aus meinem Blut aufsprießen wird.
Es entstand eine Bewegung unter den Schöppen, und der Vogt rief: Macht ein Ende, Herr Landrichter! Da befragte der die Ritterbank: Was soll geschehen, der solchen Landesverrats an seinem Herrn und Meister geständig ist? Und die Schöppen antworteten einstimmig: Er soll vom Leben zum Tode gebracht werden durch Enthauptung. Darauf brach der Landrichter den Stab über ihm.
Als Niklas von Renys nun abgeführt war in sein Gefängnis auf der Burg, fragte der Landrichter weiter: Was soll denen geschehen, die gleichen Verbrechens schuldig, aber außer Landes flüchtig sind? Und die Antwort lautete: Man soll sie nach alter Gewohnheit zu einem anderen Tage laden, damit sie sich verantworten.
Nach diesem Spruch hob der Landrichter die Ritterbank auf, und der Vogt berichtete