Der Winter brach herein, und ich hatte kein Geld zur Reise, keinen Zufluchtsort gegen die Kälte. Erst dem harten Froste verdankte ich einen Unterschlupf in dem Kanal, der bei Neumellenthin zur Entwässerung des Bermlingsees angelegt ist. Der Kanal geht durch einen aus Feldsteinen gebauten Tunnel, der Eingang ist durch enge Eisenstäbe verschlossen. Da ich ja daran gewöhnt war, mich nach Art der Katzen zu recken und schmal zu machen, kroch ich hindurch und machte mir auf dem festgefrorenen Eise ein Lager zurecht. Bevor Schneefall eintrat, versah ich mich mit Eßwaren, Wein, Branntwein, Kleidungsstücken und Bettzeug, dann mußte ich mehrere Wochen in meinem Versteck bleiben, um mich nicht durch die Fußspuren im Schnee zu verraten. Der Aufenthalt war fürchterlich; da der Kanal nicht so hoch ist, daß man darin aufrecht stehen kann, war ich genötigt, mich kriechend und rutschend fortzuschieben. Die Kniee hatte ich nun zwar durch Lederstücke geschützt, die ich um die Beine wickelte, doch die Glieder wurden durch diese ungewohnte Bewegung stark angegriffen. Das Stillsitzen auf dem Eise war fast noch unangenehmer; die wagerechte Lage der Beine auf die Dauer beim Sitzen geradezu unerträglich, Ich hackte mir nun ein Loch in den gefrorenen Schlamm und schob die Beine hinein, allein das Blut erstarrte in den rings vom Eise eingeschlossenen Gliedern, ich hätte sie bestimmt erfroren, wenn ich sie nicht bald wieder herausgezogen und gehörig umhüllt auf dem Eise ausgestreckt hätte. Dazu kam noch, daß ich mich nirgends mit dem Rücken anlehnen konnte als an die eiskalte Steinmasse des Tunnels, und daß die Luft, die ich atmete, dick und dunstig war. Sooft die Fluren schneefrei wurden, entrann ich meinem schrecklichen Gefängnis und erholte mich im Freien, leider mußte ich um meiner Sicherheit willen immer wieder hinein. Und doch wäre ich einmal beinahe entdeckt worden. Der Besitzer des nahe bei dem Tunnel gelegenen Gutes und sein Sohn gingen eines Tages mit ihren Hunden vorüber. Die letzteren sprangen nach dem Eingange des Kanals und schnupperten dort umher. Ihre Herren wurden dadurch aufmerksam und schickten sie in den Tunnel hinein. Ich kauzte, das geladene Gewehr in der Hand, darin und lugte durch die Eisenstäbe. Wäre einer von den Hunden mir nahe gekommen, so hätte ich losgedrückt; glücklicherweise weigerten sich die Tiere, vorwärts zu gehen, vermutlich hatten sie wegen des starken Dunstes die Spur verloren. Sie entfernten sich, und ich blieb in meiner Kellerwohnung unbelästigt bis zum Frühling,
Als das Eis schmolz und der Schlamm weich wurde, räumte ich mein Winterquartier. Ich hatte so unsäglich viel ausgestanden, daß ich mich unverzüglich daran machte, eine neue Höhle zu bauen, die mir im Vergleich mit dem Kanal wie ein Paradies vorkam. Zunächst suchte ich mir in einer zum Gute Warsin gehörigen Waldung einen passenden Platz aus, dann stahl ich mir alles zusammen, was ich zum Bau und zur Einrichtung brauchte. Ich verfuhr wieder ebenso wie bei der Pyritzer Höhle und beobachtete dieselben Vorsichtsmaßregeln, die sich damals bewährt hatten. Ich verwendete, wenn ich nicht gerade gezwungen war, Nahrungsmittel zu stehlen, jede Nacht auf die Arbeit, im Herbste stand das im Frühjahr begonnene Werk ziemlich vollendet da; es fehlte mir indes noch manches an dem Komfort, den ich mir wünschte, ich legte mich daher wieder eifriger auf den Diebstahl und schleppte eine große Menge von brauchbaren Sachen in meine Behausung. Leider hatte ich mir keinen Wasserbehälter verschaffen können und sah mich deshalb genötigt, die kalten Monate meist in dem luftigeren Brennofen bei Trampe zuzubringen, in dessen Nähe ich Wasser fand. Den Ofen bewahrte ich möglichst vor den Einflüssen der Witterung und saß jedenfalls diesen Winter ungleich wärmer als das Jahr zuvor in dem Eisloche bei Neumellenthin. Kaum war die ungünstige Jahreszeit vorüber, so glückte mir der Diebstahl eines großen Fasses mit eisernen Reifen. Ich transportierte es mit Aufbietung aller Kräfte in meine weit davon abgelegene Höhle und hatte nun ein Wasserreservoir, wie ich es mir nicht besser wünschen konnte. Ich wohnte abwechselnd bald im Brennofen, bald in der Höhle, mußte mich aber nach kurzer Zeit auf die Höhle beschränken, denn ich brachte in Erfahrung, daß der Ofen abgebrochen werden sollte. In aller Eile schaffte ich in den folgenden Nächten die in dem Brennofen aufgespeicherten Sachen in die Höhle, dann häufte ich Holz und andere brennbare Stoffe um den Ofen herum auf und zündete sie an. Die Flammen ergriffen die Holzteile des Gebäudes und äscherten es ein. Mein Hauptzweck bei dieser Brandstiftung war, daß niemand den Rest meiner im Brennofen zurückgelassenen Beute finden und mir auf die Spur kommen sollte. Schon zwei Jahre früher hatte ich eine zum Gute Eichwerder gehörige Ziegelscheune in Brand gesteckt, um die Leute herauszulocken und dann im Gute zu stehlen. Es entstand auch großer Lärm, und alles eilte nach der Brandstätte, aber der Gutsherr ließ im Wohnhause einen Wächter mit einem Hunde als Wache zurück. Ich sah den Mann auf seinen Posten ziehen und stand deshalb von meinem Vorhaben ab.
Bald darauf zündete ich in Hohenziethen einen Bauernhof an, damit das Nachbarhaus von den Flammen ergriffen und verzehrt werden sollte. In diesem Hause wohnte die Frau des Tagelöhners Becker; ihr hatte ich Rache zugeschworen, weil sie durch ihr Gerede daran schuld gewesen war, daß man den Verdacht des Diebstahls, wegen dessen ich in Dertzow festgenommen worden war, auf mich geworfen hatte. Frau Becker war damals krank, sie konnte sich und ihre Kinder mit genauer Not retten, das Wohnhaus, eine Scheune, mehrere Ställe und sieben Stück Rindvieh verbrannten: meine Rache war gesättigt.
Meine erste Brandstiftung in Beyersdorf bei meinem Dienstherrn und die zweite in Dertzow, wo ich die Kasse des Oberinspektors stehlen wollte, habe ich bereits gestanden, zum letztenmal legte ich Feuer in Lebbehne im Kreise Pyritz an. Mein Plan war auch hier der, die Leute mit Löschen zu beschäftigen und in der Verwirrung zu stehlen. Das Feuer verbreitete indes einen so hellen Schein, daß ich wieder nicht zu meinem Ziele gelangte.
Von der Warsiner Höhle aus machte ich im Jahre 1860 Streifzüge nach allen Richtungen. Schon früher war ich in die Gegend von Bärwalde gekommen und hatte auch die Krugwirtschaft in Stölpchen besucht. Es kannte mich dort niemand von Person, deshalb wagte ich mich hinein. Als ich in den Krug trat, fand ich es sehr unruhig. Gerichtsbeamte waren anwesend, es gingen Leute ab und zu, ich hörte, daß der Pächter gestorben sei und ein Verzeichnis seines Nachlasses aufgenommen werden sollte. Da alle hin und her liefen, machte ich auch einen Gang durch das Haus und sah mir die Lage und den Zusammenhang der Stuben und Kammern genau an. Einige Zeit nachher wollte ich meine Bekanntschaft in dem Kruge verwerten. Ich schlich um das Gebäude herum, bis das Licht erloschen war, dann öffnete ich mittels eines Bohrers und eines Stemmeisens die nach dem Felde zu führende Tür zur Häckselkammer und begab mich von da in die Wohnstube, Ich war im Begriff, das Spind zu öffnen, es entstand aber dadurch ein Geräusch, die in der anstoßenden Kammer schlafenden Menschen regten sich, und ich ergriff die Flucht.
Als ich ein Jahr später, im September 1860, wieder dorthin kam, dachte ich an das fehlgeschlagene Unternehmen