Das Ringen zwischen Rom und Karthago, die drei sogenannten Punischen Kriege, begann 264 v. Chr. und endete erst 146 völlig mit der Zerstörung Karthagos. Entschieden war es freilich schon nach der Niederwerfung Hannibals, die 201 zur Beendigung des zweiten Punischen Krieges führte. Diese Kämpfe wurden Kriege zwischen Söldnerheeren und Bauernheeren, zwischen dem Berufsheer und der Milizarmee. Oft siegte das erstere, es brachte Rom unter Hannibal dem Untergang nahe, aber das Milizheer, das den eigenen Herd verteidigte, erwies sich schließlich doch als ausdauernder und es zwang am Ende des furchtbaren Ringens den Gegner völlig nieder. Karthago wurde dem Erdboden gleich gemacht, seine Einwohnerschaft vertilgt. Sein ungeheurer Besitz an Latifundien, Bergwerken, unterjochten Städten, fiel als Beute dem Sieger anheim.
Damit war der gefährlichste Gegner Roms gefallen. Von nun an herrschte es unumschränkt im westlichen Becken des Mittelmeers. Und bald auch im östlichen Becken. Dessen Staaten waren auf dem Leidenswege der alten Kultur, der Verdrängung der freien Bauern durch Zwangsarbeit von Sklaven oder von Fronbauern und ihrer Ruinierung durch ewige Kriege, endlich der Ersetzung der Milizen durch Söldner, schon so weit vorgeschritten und militärisch geschwächt, daß sie den Heeren Roms keinen nennenswerten Widerstand mehr leisten konnten. Mit leichter Mühe warfen die römischen Heere eine Stadt nach der anderen, ein Land nach dem anderen nieder, um sie zu plündern und zu ständiger Zinsbarkeit zu verurteilen. Von nun an blieb Rom die Herrin der alten Kulturwelt, bis es den germanischen Barbaren gelang, ihm dasselbe Schicksal zu bereiten, das es selbst den Griechen bereitet hatte, trotzdem diese wissenschaftlich und künstlerisch hoch über ihm standen. Wie in der Ökonomie und Politik blieb Rom den Griechen gegenüber auch in Philosophie und Kunst stets nur der Plünderer. Seine großen Denker und Dichter waren fast durchgehends Plagiatoren.
Die reichsten Länder der damaligen Welt, in denen unzählige Schätze einer Jahrhunderte, ja, wie in Ägypten, Jahrtausende alten Kultur aufgestapelt waren, wurden der Plünderung und Erpressung durch Rom eröffnet.
Den enormen kriegerischen Kraftaufwand, der dieses glänzende Resultat zeitigte, hatte Rom aber nur entfalten können als Demokratie, als eine Stadt, an deren Existenz alle Klassen ihrer Bevölkerung, wenn auch nicht alle in gleicher Weise, interessiert waren. In langem und zähem Ringen vom sechsten bis zum vierten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung hatten die Neubürger, die Plebejer, den Altbürgern, den Patriziern, ein Vorrecht nach dem anderen zu entreißen gewußt, bis schließlich jeder rechtliche Unterschied der beiden Stände verschwunden war und die Volksversammlung sämtlicher Bürger über die Gesetze zu entscheiden und die höchsten Beamten, die Konsuln, Prätoren, Ädilen, zu wählen hatte, die dann, nach Bekleidung ihres Amtes in den Senat eintraten, der tatsächlich den ganzen Staat regierte.
Aber das römische Volk erlangte damit nicht die Herrschaft im Staate, sondern nur das Recht, sich seine Herren zu wählen. Und je mehr in der Stadt Rom das Lumpenproletariat vorherrschte, desto mehr wurde dies Recht der Demokratie ein Mittel des Erwerbes, ein Mittel, Unterstützungen und Vergnügungen von den Kandidaten zu erpressen.
Wir haben schon die Klienten kennen gelernt, die sich reichen Herren für alle möglichen Dienste zur Verfügung stellten. Besaßen sie das Stimmrecht, dann war unter den Diensten, die sie zu leisten vermochten, keiner wichtiger als die Abstimmung im Sinne des Schutzherrn, des Patrons. Jeder reiche Römer, jede reiche Familie verfügte so über zahlreiche Stimmen in der Gemeindeversammlung, die sie im Interesse der Clique dirigierten, der sie angehörten. Ein paar Cliquen reicher Familien behielten in dieser Weise die Regierung des Staates in der Hand, setzten immer wieder die Wahl ihrer Angehörigen in die höheren Beamtenstellen und damit in den Senat durch. Die Demokratie änderte darin nicht mehr, als daß sie nun auch reichen plebejischen Familien erlaubte, sich in diesen Kreis einzudrängen, der unter dem aristokratischen Regiment auf die Patrizier beschränkt geblieben war.
Die gewählten Konsuln und Prätoren hatten das erste Jahr ihrer Amtstätigkeit in Rom zu verbringen. Im zweiten Jahre übernahm jeder von ihnen die Verwaltung einer Provinz und suchte sich nun dort schadlos zu halten für die Kosten, die ihm die Bewerbung ums Amt verursacht hatte, und darüber hinaus noch einen Gewinn für sich herauszuschlagen. Denn ein Gehalt bezog er nicht. Die Ämter waren „Ehrenämter“. Andererseits war wieder die Aussicht auf den Gewinn, der in der Provinz durch Erpressung und Bestechung, mitunter durch direkten Raub zu holen war, ein Grund, die Bewerbung ums Amt möglichst nachdrücklich zu betreiben, so daß sich dabei die verschiedenen Kandidaten in ihren Leistungen für das Volk immer mehr in die Höhe steigerten.
Je größer aber durch die verschiedenen Methoden des Stimmenkaufs die Aussichten für die Lumpenproletarier wurden, aus dem Verkauf der Bürgerrechte Vorteil zu ziehen, desto mehr mußten sich jene Bauern, die das römische Bürgerrecht besaßen, getrieben fühlen, ihre dürftige und mühevolle, bedrängte Existenz auf dem Lande aufzugeben, um nach Rom zu ziehen. Das vermehrte wieder die Zahl der stimmberechtigten Lumpenproletarier und damit auch die Ansprüche, die an die Kandidaten gestellt wurden. Zur Zeit Cäsars gab es in Rom nicht weniger als 320.000 römische Bürger, die unentgeltlich Brotkorn vom Staate bezogen: ungefähr ebenso groß wird die Zahl der käuflichen Stimmen gewesen sein. Man kann sich denken, welche Summen eine Wahl verschlang.
Im Jahre 53 vor unserer Zeitrechnung verursachte der Stimmenkauf eine solche Nachfrage nach barem Gelde, daß der Kapitalzins stark in die Höhe ging und eine Geldkrisis eintrat.
„Die Nobilität (der Amtsadel) hatte schwer zu zahlen,“ bemerkt Mommsen. „Ein Fechterspiel kostete 720.000 Sesterze (150.000 Mark). Aber sie zahlte es gern, da sie ja damit den unvermögenden Leuten die politische Laufbahn verschloß.“
Und sie hatte sehr oft zu zahlen, denn jedes Jahr gab es neue Wahlen. Aber sie zahlte nicht aus idealem Ehrgeiz, sondern weil sie wußte, daß sie damit nur die Erlaubnis zu der weit einträglicheren Plünderung der Provinzen erkaufte und ein sehr gutes Geschäft dabei machte.
Die „Demokratie“, das heißt die Beherrschung der Bevölkerung des ganzen römischen Reiches mit etwa 50 bis 60 Millionen Einwohnern durch einige Hunderttausende römischer Bürger, wurde so eines der kräftigsten Mittel, die Ausraubung und Aussaugung der Provinzen aufs höchste zu steigern, indem sie die Zahl der Teilhaber daran erheblich vermehrte. und nicht nur die Statthalter taten das Möglichste an Erpressungen, sondern jeder nahm noch einen Schwarm von „Freunden“ mit, die ihm bei der Wahl geholfen hatten und nun auszogen, um dafür unter seinem Schutze zu stehlen und zu rauben.
Aber nicht genug damit, wurde auch das römische Wucherkapital auf die Provinzen losgelassen, wo es Gelegenheit fand, seine ganze vernichtende Macht zu entfalten und zu einer beherrschenden Größe anzuwachsen, die es nirgends sonstwo in der alten Welt erreicht hat.
d. Der Wucher
Der Wucher selbst ist uralt, fast ebenso alt wie der Handel. Wohl läßt er sich nicht bis zur Steinzeit verfolgen, aber er ist wohl älter als das Geldwesen. Sobald sich verschiedene Haushaltungen mit bestimmtem Familienbesitz bildeten, konnte die Möglichkeit eintreten, daß die eine Familie reicher wurde als andere, an Vieh, an Land, an Sklaven, indes andere verarmten. Da lag es nahe, daß Bauern, die in einer Notlage waren, von dem besser situierten Nachbarn etwas entlehnten, was dieser im Überfluß besaß, etwa Getreide oder Vieh, wofür sie sich verpflichten mußten, es mit einer Zugabe zurückzustellen oder eine gewisse Arbeit dafür zu leisten – der Anfang der Schuldknechtschaft. Solche Wuchergeschäfte sind möglich und kommen vor bei bloßer Naturalwirtschaft,