John Rosén lächelte sie mit seinen blendend weißen Zähnen an und strich sich das gewellte graue Haar zurück.
»Fishing for compliments, Inspektor Wiik?«
»Ich möchte es nur wissen. Hat Kärnlund etwas zu dir gesagt?«
»Ich hab ihn gebeten, mit dir Zusammenarbeiten zu dürfen«, sagte Rosén und ging weiter.
Elina sah ihm erstaunt nach und holte ihn ein.
»Aber warum, John?«
Er blieb stehen und sah sie mit der Andeutung eines Lächelns an.
»Nicht wegen deiner grünen Augen, glaub das bloß nicht. Es gibt zwei Gründe, wenn du es unbedingt wissen willst. Der eine ist ja ganz offensichtlich – weil du den Suramord auf ungewöhnlich einfallsreiche Art gelöst hast. Diese Fähigkeit ist hier sicher wieder vonnöten. Der andere Grund ist, dass du so bist wie ich. Ich halte viel von Instinkt, besonders wenn es sich um Menschen handelt.«
»Instinktiv habe ich im Augenblick das Bedürfnis mich zu bedanken!«
»Du wirst dafür arbeiten müssen, Kriminalinspektorin Wiik. Wollen wir anfangen? Als Erstes fahren wir zu dem Haus raus. Ich muss mir ein Bild von dem machen, was passiert ist, bevor die von der Spurensicherung alles auf den Kopf stellen.«
Das ganze Grundstück um das Haus herum war abgesperrt, als Elina und John Rosén dort ankamen. Außerhalb der Absperrung standen mehrere Fotografen und Kameraleute vom Fernsehen, zusammen mit einigen Personen, die Elina für Journalisten hielt. Sie wurde sofort von einem Mann im Reporterlook aufgehalten.
»Elina Wiik? Ich bin Jesper Pärsson vom Aftonbladet. Ich kenne Sie vom Suramord. Sind Sie jetzt auch wieder dabei?«
»Ich gehöre zum Dezernat«, erwiderte Elina unsicher. »Und ich schlage vor, dass Sie Ihre Fragen bei der Pressekonferenz heute Abend um sechs meinem Chef Oskar Kärnlund stellen.«
Mehrere Personen hatten sich um Elina versammelt. John Rosén stand daneben und sah amüsiert zu.
»Beantworten Sie bitte nur eine Frage«, bat Jesper Pärsson. »Stimmt es, dass der ehemalige Gemeinderat ermordet in seinem Haus aufgefunden wurde?«
»Wie gesagt, um sechs Uhr.«
»Haben Sie ihn gefunden?«
»Entschuldigen Sie, aber ich habe zu arbeiten«, sagte Elina lächelnd.
»Wir auch«, entgegnete Pärsson und rief einen Namen.
Ein Fotograf lief herbei und machte Bilder von Elina, während sie an der Absperrung vorbeiging.
»Alles wegen deiner grünen Augen«, bemerkte John Rosén schmunzelnd, als sie das Haus betraten.
Erkki Määttä kam ihnen in der Diele entgegen und zeigte zur Treppe. Wortlos führte er sie zu einem blutigen Teppich. Darauf lag Wiljam Åkesson auf dem Rücken, die Arme am Körper. Elina biss die Zähne zusammen, um den Geruch auszuhalten.
»Ich habe ihn nur aus dem Teppich gerollt, sonst nichts. Aber es wäre gut, wenn ihr ihn so schnell wie möglich in die Gerichtsmedizin schafft. Ich möchte den Teppich untersuchen, und das ist im Augenblick etwas schwierig, wie ihr seht.«
John Rosén setzte seine Brille auf und kniete sich hin.
»Außer dem Loch im Kopf scheint er keine weiteren Verletzungen zu haben«, stellte er fest.
»Wir müssen nach dem Austrittsloch der Kugel suchen, wenn wir ihn ausgezogen haben«, sagte Määttä. »Ich kann bisher auch keine weiteren Verletzungen entdecken. Demnach müsste die Kugel sich noch im Körper befinden.«
»Hast du was gefunden, Erkki?«
»Bis jetzt nichts von Bedeutung. Nach der Analyse wissen wir hoffentlich mehr. Es könnte ja auch Blut von einer anderen Person dabei sein.«
Er zeigte nach unten und beschrieb mit dem Zeigefinger einen Kreis.
»Ich bin noch lange nicht fertig«, fuhr er fort. »Wir müssen nach Fingerabdrücken suchen. Und Haaren. Außerdem müsste der Gerichtsmediziner sagen können, wann er erschossen wurde. Ich wage nicht, über den Zeitpunkt zu spekulieren.«
Schweigend gingen Elina und John Rosén im Haus herum. Elina versuchte alles aufzunehmen, was sie sah. Sie nahm an, dass Rosén es genauso machte.
»Den Fall werden wir wohl lösen, oder?«, sagte Elina.
»Sicher. Aber ich habe das Gefühl, dass es schwierig wird. Es scheint kein ...«
»... Tatmotiv zu geben?«
Rosén nickte leicht.
Die Pressekonferenz im Polizeipräsidium war die bestbesuchte in der Geschichte der Kripo von Västerås. Über fünfzig Reporter und Fotografen drängten sich in einem Raum, der für zwanzig Personen vorgesehen war. Oskar Kärnlund seufzte, als er vor den blitzenden Kameras auf einem Stuhl Platz nahm.
»Sie wissen ja, wie das hier abläuft. Ich werde in groben Zügen berichten, was passiert ist, und wo es die Ermittlungen erfordern, auf die Geheimhaltung verweisen. Lassen Sie uns das Ganze nicht unnötig in die Länge ziehen. Seien Sie so freundlich und stellen Sie nur Fragen, die ich beantworten kann. Ich möchte so schnell wie möglich zu den Ermittlungen zurückkehren.«
Die Journalisten antworteten mit Schweigen. Im Raum gab es nicht eine einzige Person, die auf Fragen nach Details zu dem Mord verzichten wollte, da eine ausweichende Antwort auch eine Antwort war, die man zitieren und interpretieren konnte.
»Okay«, sagte Kärnlund. »Der ehemalige Gemeinderat Wiljam Åkesson wurde heute Mittag um ein Uhr tot aufgefunden. Er ist durch äußerliche Gewaltanwendung ums Leben gekommen. Alle anderen Möglichkeiten mussten wir ausschließen. Ich kann auch verraten, dass er erschossen wurde, möchte aber nicht näher darauf eingehen, wie oder mit welcher Waffe. Der Mord wurde vor ungefähr einer Woche verübt, so viel konnte der Gerichtsmediziner bereits sagen, obwohl es noch zu früh ist, den genauen Zeitpunkt zu bestimmen. Sobald wir ihn kennen, werden wir Sie es wissen lassen, denn wir erhoffen uns dadurch, Zeugenaussagen zu den Geschehnissen zu erhalten. Im Augenblick haben wir noch keinen Verdächtigen, wir befinden uns noch am Anfang der Ermittlungen. Mehr kann ich Ihnen momentan nicht sagen.«
Oskar Kärnlund wurde mit Fragen überschüttet, aber schließlich gelang es Jesper Pärsson, sich Gehör zu verschaffen.
»Wieso können Sie jede andere Todesursache ausschließen?«
»Wegen der Umstände«, antwortete Kärnlund. »Aber Sie kriegen keine Details aus mir heraus, egal, wie viele Fragen Sie stellen.«
»Mit wie vielen Schüssen ist er umgebracht worden?«, fuhr der Reporter vom Aftonbladet fort.
Oskar Kärnlund schaute eine Weile schweigend auf den Tisch.
»Mit einem«, sagte er schließlich.
»Wir bedanken uns für das Detail«, erklärte Jesper Pärsson. Dann hob er die Stimme, um das Wort nicht zu verlieren. »Gibt es etwas, das auf einen politischen Mord hindeutet?«
»Zu früh für eine Antwort«, sagte Kärnlund.
Nachdem er Fangfragen ausgewichen und belanglose, allgemein gültige Antworten auf die zahlreichen Fragen der übrigen Reporter gegeben hatte, machte Oskar Kärnlund Anstalten, die Pressekonferenz zu beenden. Er legte die Handflächen auf den Tisch, sein übliches Signal, dass er sich erheben und gehen wollte.
»Noch eine Frage«, bat Jesper Pärsson. »Ist die IT-Polizei mit im Ermittlungsteam? Elina Wiik, meine ich.«
Kärnlund schaute den Journalisten erstaunt an.
»Ja, das ist sie. Wieso?«
»Wollte ich nur wissen.«