Die Morde in der Rue Morgue und andere Erzählungen. Эдгар Аллан По. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Эдгар Аллан По
Издательство: Bookwire
Серия: Reclam Taschenbuch
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783159618067
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diese ins Meer werfen.

      ***

      Ein Ereignis hat sich zugetragen, das mir neuen Anlass zu Überlegungen gab. Sind solche Dinge das Werk gesetzlosen Zufalls? Ich hatte mich auf Deck vorgewagt und mich, ohne irgendwelche Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, auf einen Haufen Tauwerk und alte Segel auf dem Boden der Jolle geworfen. Während ich über die Einzigartigkeit meines Schicksals nachsann, besudelte ich unbewusst den Rand eines sauber gefalteten Leesegels, das nahe mir auf einem Fass lag, mit einem Teerpinsel. Das Leesegel ist nun angeschlagen, und die gedankenlosen Pinselstriche vernetzen sich zu dem Wort ENTDECKUNG.

      ***

      Ich habe in letzter Zeit viele Betrachtungen über die Konstruktion des Fahrzeuges angestellt. Obwohl es gut bestückt ist, ist es, glaube ich, kein Kriegsschiff. Seine Takelage, seine Bauart und seine allgemeine Ausrüstung widerlegen alle eine derartige Vermutung. Was es nicht ist, kann ich mit Leichtigkeit feststellen – was es ist, so fürchte ich, ist unmöglich zu sagen. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber wenn ich das seltsame Modell und das einzigartige Spierengerüst betrachte, die gewaltige Größe und übermäßigen Leinwandflächen, den durchaus einfachen Bug und das veraltete Heck, durchfährt mich ab und zu blitzartig ein Gefühl von Vertrautheit, und immer sind solch undeutliche Schatten von Erinnerungen vermischt mit einem sonderlichen Gedenken alter, fremdländischer Chroniken und lang vergangener Zeiten.

      ***

      Ich habe mir die Balken des Schiffes angesehen. Es ist aus einem mir fremden Material gebaut. Das Holz hat eine seltsame Eigenschaft, die es mir untauglich für den Zweck erscheinen lässt, für den es verwandt wurde. Ich meine seine außerordentliche Porosität, unabhängig von dem wurmstichigen Zustand, der eine Folge der Fahrten in diese Gewässer ist, und abgesehen von der Fäulnis, die mit dem Alter einhergeht. Es mag vielleicht nach einer allzu gewagten Äußerung klingen, aber das Holz trüge jedes Merkmal spanischer Korkeiche, wäre diese durch irgendein unnatürliches Verfahren noch ausgedehnt worden.

      Als ich obigen Satz gerade noch einmal las, erinnerte ich mich genau an einen sonderbaren Spruch eines alten, holländischen Seebären. »Es ist so sicher«, soll er gesagt haben, wenn irgendein Zweifel an seiner Glaubhaftigkeit gehegt wurde, »so sicher, wie es ein Meer gibt, auf dem die Schiffe selber an Umfang wachsen werden wie die lebenden Körper der Seeleute.«

      ***

      Vor ungefähr einer Stunde erdreistete ich mich, in eine Gruppe der Besatzung vorzustoßen. Sie zollten mir keinerlei Aufmerksamkeit, und obwohl ich genau in der Mitte aller stand, schien ihnen meine Anwesenheit überhaupt nicht bewusst zu sein. Wie der eine, den ich als ersten im Laderaum gesehen hatte, trugen alle die Anzeichen uralter Greisenhaftigkeit. Ihre Knie zitterten vor Gebrechlichkeit; ihre Schultern waren vor Altersschwäche tief gebeugt; ihre verschrumpelte Haut raschelte im Wind; ihre Stimmen waren leise, zittrig und gebrochen; ihre Augen schillerten von der jahrelang abgesonderten Flüssigkeit; und ihre grauen Haare flatterten schrecklich in dem Unwetter. Um sie herum, überall auf dem Deck verstreut, lagen mathematische Instrumente von wunderlichster und altmodischster Machart.

      ***

      Vor einer Weile erwähnte ich das Anschlagen eines Leesegels. Seit jener Zeit hat das Schiff, das dadurch genau vor den Wind geworfen wurde, seinen schrecklichen Kurs gen Süden beibehalten; jeden Fetzen Leinwand vom Flaggenknopf bis zu den unteren Fockspieren gehisst, schlingerte es alle Augenblicke mit den Raanocken des Bramsegels in die abscheulichste Wasserhölle, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Ich habe das Deck gerade verlassen, wo ich es unmöglich finde, festen Fuß zu fassen, wiewohl die Mannschaft wenig Unannehmlichkeiten zu verspüren scheint. Es kommt mir wie das Wunder aller Wunder vor, dass unser ungeheurer Brocken nicht sogleich und ein für alle Male verschlungen wird. Wir sind sicherlich dazu verdammt, immerfort vor den Pforten der Ewigkeit umherzukreuzen, ohne uns endgültig in die bodenlose Tiefe zu stürzen. Wogen, tausendmal ungeheuerlicher, als ich sie je gesehen habe, entgleiten wir mit der Leichtigkeit der pfeilschnellen Seemöwe; und die kolossalen Wassermassen bäumen sich über uns auf wie Dämonen der Tiefe, aber wie Dämonen, die auf einfache Drohungen beschränkt sind, denen Vernichtung verboten ist. Ich sehe mich veranlasst, dieses häufige Entkommen dem einzigen natürlichen Grund zuzuschreiben, mit dem sich solche Wirkung erklären lässt. – Ich muss annehmen, dass das Schiff unter dem Einfluss irgendeiner starken Strömung oder eines heftigen Soges steht.

      ***

      Ich habe dem Kapitän von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden, noch dazu in seiner eigenen Kajüte – aber wie ich es erwartet hatte, schenkte er mir keine Aufmerksamkeit. Obwohl es an seiner Erscheinung in den Augen eines zufälligen Betrachters nichts gibt, das ihn mehr oder weniger als Mensch auszeichnet, so mischte sich dennoch ein Gefühl ununterdrückbarer Ehrfurcht und Scheu unter die Verwunderung, mit der ich ihn betrachtete. Seine Größe entspricht fast der meinen, das heißt ein Meter dreiundsiebzig. Er ist von kräftiger, stämmiger Statur, weder plump noch das Gegenteil. Aber es ist die Einzigartigkeit des Ausdrucks, der sein Gesicht beherrscht – es ist die fesselnde, die wunderbare, schauerliche Augenscheinlichkeit des so hohen, so außerordentlichen Alters, die in meiner Seele eine Vorahnung – ein unaussprechliches Gefühl erregt. Seine Stirn ist zwar nicht sehr runzlig, scheint aber von Myriaden von Jahren geprägt zu sein. – Seine grauen Haare sind Zeugnisse der Vergangenheit, und seine noch graueren Augen sind Weissagungen der Zukunft. Überall auf dem Kajütenboden verstreut lagen seltsame Folianten mit eisernen Verschlüssen, brüchige wissenschaftliche Instrumente und überholte, längst vergessene Karten. Sein Kopf war auf seine Hände heruntergebeugt, und er war mit feurigem, doch unstetem Blick in ein Papier vertieft, das ich für ein Dekret hielt und das auf alle Fälle einen königlichen Namenszug trug. Wie der erste Seemann, den ich im Laderaum gesehen hatte, murmelte er leise und mürrisch einige Silben in einer fremden Sprache vor sich hin, und obwohl der Sprecher nahe bei meinem Ellbogen saß, schien seine Stimme mein Ohr aus einer Meile Entfernung zu erreichen.

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      Das Schiff und alle darauf sind von dem Geist alter Zeiten durchdrungen. Die Mannschaft gleitet hin und her wie Gespenster begrabener Jahrhunderte; ihre Augen drücken Bitterkeit und Unbehagen aus, und wenn ihre Finger bei dem wilden Funkeln der Gefechtslaternen in meinen Weg geraten, fühle ich mich, wie ich mich nie zuvor gefühlt habe, obwohl ich mein Leben lang mit Altertümern Handel getrieben und die Schatten eingestürzter Säulen in Baalbek12, Tadmor13 und Persepolis14 eingesogen habe, bis gar das Innerste meiner Seele zu einer Ruine wurde.

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      Wenn ich mich umsehe, schäme ich mich meiner früheren Befürchtungen. Erzitterte ich vor dem Sturm, der uns bisher begleitet hat, muss mich dann nicht ein Krieg zwischen Wind und Ozean entsetzen – um eine Vorstellung davon zu übermitteln, wofür die Wörter Tornado und Samum zu gemein und schwach sind? In der unmittelbaren Nachbarschaft des Schiffes ist alles von der Schwärze ewiger Nacht und ein Chaos schaumlosen Wassers; aber in der Entfernung ungefähr einer Seemeile kann man hin und wieder zu beiden Seiten verblüffende Wälle aus Eis sehen die sich in den trostlosen Himmel emportürmen und wie die Wände des Universums aussehen.

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      Wie ich es mir gedacht hatte, ist das Schiff von einer Strömung ergriffen; falls diese Bezeichnung korrekterweise einer Flut gegeben werden kann, die unter weißem Eis heulend und kreischend mit der Geschwindigkeit eines jäh niederstürzenden Wasserfalls gen Süden braust.

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      Ich bilde mir ein, dass es gänzlich unmöglich ist, sich einen Begriff von der Grauenhaftigkeit meiner Gefühle zu machen; doch überwiegt die Neugierde darauf, die Mysterien dieser abscheulichen Gegenden zu ergründen, sogar meine Verzweiflung und wird mich auch über die grässlichste Erscheinung des Todes hinwegtrösten. Es ist offensichtlich, dass wir irgendeiner aufregenden Erkenntnis entgegeneilen – irgendeinem Geheimnis, das niemand je teilen wird, das zu erfassen Vernichtung bedeutet. Vielleicht führt uns die Strömung zum Südpol selbst. Hier muss eingeräumt werden, dass eine scheinbar so wilde Annahme von aller Wahrscheinlichkeit begünstigt wird.

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      Die Mannschaft geht mit unruhigem, zittrigem Schritt auf Deck auf und ab; auf ihren Gesichtern liegt jedoch eher ein Ausdruck gieriger Hoffnung als teilnahmsloser