Ich werde mich jedoch einer detaillierten Schilderung enthalten. Ich werde die Stadt Edinburgh nicht beschreiben. Jeder ist einmal in der Stadt Edinburgh gewesen – in dem klassischen Edina. Ich werde mich auf die bedeutungsvollen Einzelheiten meines eigenen beklagenswerten Abenteuers beschränken. Nachdem ich meine Neugierde in Bezug auf die Erstreckung, Situierung und allgemeine Erscheinung der Stadt einigermaßen befriedigt hatte, hatte ich Muße, die Kirche, in welcher ich war, und die zierliche Bauart des Turmes zu betrachten. Ich bemerkte, dass die Öffnung, durch die ich meinen Kopf gestreckt hatte, ein Loch im Zifferblatt einer gigantischen Uhr war und von der Straße wie ein großes Schlüsselloch ausgesehen haben muss, wie wir es von den Zifferblättern französischer Taschenuhren kennen. Zweifellos bestand der wahre Zweck darin, es dem Arm eines Bediensteten zu gestatten, die Zeiger der Uhr, wenn nötig, von innen nachzustellen, ich bemerkte auch mit Erstaunen die ungeheure Größe dieser Zeiger, deren längster nicht weniger als zehn Fuß in der Länge gemessen haben kann und, wo am breitesten, acht oder neun Zoll in der Breite. Sie waren anscheinend von massivem Stahl, und ihre Kanten sahen scharf aus. Nachdem ich diese und einige andere Eigenschaften wahrgenommen hatte, wandte ich meine Augen wieder dem prachtvollen Ausblick darunter zu und versank bald in Betrachtung.
Daraus wurde ich nach einigen Minuten von der Stimme Pompeys aufgerüttelt, der behauptete, er könne es nicht länger aushalten, und mich darum ersuchte, freundlicherweise herunterzukommen. Das war unsinnig, und ich legte ihm dies in einer Rede von etlicher Länge dar. Er antwortete, aber mit offensichtlichem Missverständnis meiner Gedanken zu diesem Thema. Demzufolge ärgerte ich mich und versicherte ihm geradeheraus, dass er ein Narr sei, dass er sich als ignoramus e-clench-eye51 bloßgestellt habe, dass seine Vorstellungen nichts als insommary Bovis52 seien und seine Worte wenig besser als an ennemywerrybor’em53. Dies schien ihm zu genügen, und ich nahm meine Betrachtungen wieder auf.
Es mag etwa eine halbe Stunde nach diesem Wortwechsel gewesen sein, als mich, tief versunken in das himmlische Schauspiel unter mir, etwas sehr Kaltes, das mit sanftem Druck auf meinen Nacken drückte, überraschte. Es ist wohl überflüssig zu bemerken, dass ich einen unbeschreiblichen Schrecken bekam. Ich wusste, dass Pompey unter meinen Füßen war und dass Diana gemäß meinen ausdrücklichen Anweisungen auf ihren Hinterbeinen in der entferntesten Ecke des Raumes saß. Was konnte es sein? O weh! ich entdeckte es nur zu bald. Meinen Kopf behutsam nach einer Seite drehend, fand ich zu meinem äußersten Schrecken, dass sich der große, schimmernde, krummsäbelartige Minutenzeiger der Uhr im Laufe seiner stündlichen Umdrehung auf meinen Hals gesenkt hatte. Da war, das wusste ich, keine Sekunde zu verlieren. Ich schnellte sofort zurück, aber es war zu spät. Es bestand keinerlei Aussicht, meinen Kopf durch den Schlund dieser grässlichen Falle zu zwingen, in welcher ich so gänzlich gefangen war und die enger und enger wurde mit einer zu schrecklichen Geschwindigkeit, um sich einen Begriff davon zu machen. Die Pein dieses Augenblicks ist unvorstellbar. Ich warf meine Hände hoch und bemühte mich mit all meiner Kraft, das gewaltige Eisen nach oben zu drücken. Ich hätte ebenso gut versuchen können, die Kathedrale selbst zu heben. Tiefer, tiefer, tiefer kam es, näher und noch näher. Ich schrie zu Pompey um Hilfe; aber er sagte, ich hätte seine Gefühle verletzt, als ich ihn »ein ignorantes altes Schielauge« genannt hatte. Ich brüllte nach Diana, aber sie sagte nur »wau-wau-wau«, und dass ich ihr befohlen hätte, »sich unter keinen Umständen aus der Ecke zu rühren«. Also hatte ich von meinen Genossen keine Erleichterung zu erwarten.
Inzwischen hatte die gewaltige und abscheuliche Sense der Zeit (denn nun hatte ich das buchstäbliche Gewicht dieses klassischen Ausdrucks erfahren) ihren Lauf weder unterbrochen, noch war es wahrscheinlich, dass sie es tun würde. Tiefer und immer noch tiefer kam sie. Sie hatte ihre scharfe Kante schon einen ganzen Zoll tief in mein Fleisch gegraben, und meine Empfindungen wurden undeutlich und verworren. Einmal wähnte ich mich selbst in Philadelphia mit dem stattlichen Dr. Moneypenny, ein andermal in dem rückwärtigen Salon des Herrn Blackwood, wo ich seine unschätzbaren Anweisungen erhielt. Und dann wiederum überkam mich die süße Erinnerung an bessere und frühere Zeiten, da die Welt nicht nur Wüste und Pompey nicht ganz und gar grausam gewesen war.
Das Ticken des Uhrwerks amüsierte mich. Amüsierte mich, sage ich, denn meine Empfindungen grenzten nun an vollkommene Glückseligkeit, und die nichtigsten Umstände spendeten mir Vergnügen. Das ewige Tick-tack, Tick-tack, Tick-tack der Uhr war die wohlklingendste Musik in meinen Ohren und erinnerte mich gelegentlich sogar an die reizenden, gesalbten Ansprachen Dr. Ollapods.54 Dann waren da die großen Zahlen auf dem Zifferblatt – wie intelligent, wie intellektuell sie alle aussahen! Und jetzt schickten sie sich an, die Mazurka zu tanzen, und ich glaube, es war die Ziffer V, deren Aufführung am meisten zu meiner Zufriedenheit ausfiel. Sie war offenbar eine gebildete Dame. Keine Prahlliese, und überhaupt nichts Unfeines in ihren Bewegungen. Um ihren Scheitelpunkt wirbelnd, vollführte sie die Pirouette bewundernswert. Ich unternahm einen Versuch, ihr einen Stuhl zu reichen; denn ich sah, dass sie ermüdet schien von der Anstrengung, und erst da wurde ich mir meiner beklagenswerten Lage gänzlich bewusst. In der Tat beklagenswert! Der Zeiger hatte sich zwei Zoll tief in meinen Hals gegraben. Ein Gefühl heftigsten Schmerzes überkam mich. Ich betete, sterben zu dürfen, und in der Qual des Augenblicks konnte ich nicht umhin, jene erlesenen Verse des Dichters Miguel de Cervantes zu wiederholen:
Vanny Buren, tan escondida
Query no te senty venny
Pork and pleasure, delly morry
Nommy, torny, darry, widdy!
Aber nun bot sich ein neues Grauen, und eines, das fürwahr ausreicht, die stärksten Nerven erbeben zu lassen. Unter dem grausamen Druck des Uhrwerks traten meine Augen gänzlich aus ihren Höhlen. Während ich noch überlegte, wie ich nur irgend ohne sie auskommen sollte, purzelte eines tatsächlich aus meinem Kopf, rollte die steile Seite des Spitzturmes hinunter und blieb in der Regenrinne liegen, die entlang der Dachtraufe des Hauptschiffes verlief. Der Verlust des Auges war nicht so schlimm wie der unverschämte Ausdruck von Unabhängigkeit und Verachtung, mit dem es mich, nachdem es heraus war, ansah. Da lag es in der Rinne, gerade unter meiner Nase, und die Mienen, die es annahm, hätte man lächerlich nennen können, wären sie nicht ekelhaft gewesen. So ein Blinken und Blinzeln hatte es nie zuvor gegeben. Dieses Betragen seitens meines Auges in der Rinne war nicht nur wegen seiner offensichtlichen Unverschämtheit und schändlichen Undankbarkeit störend, sondern war auch ausgenommen lästig wegen der Sympathie, die immer zwischen zwei Augen des gleichen Kopfes besteht, egal, wie weit voneinander entfernt sie sind. Ich wurde gewissermaßen gezwungen zu blinken und zu blinzeln, ob ich wollte oder nicht, in genauem Einklang mit dem schurkischen Ding, das gerade unter meiner Nase lag. Es wurde mir jedoch durch das Herausfallen des anderen Auges bald Erleichterung verschafft. Im Fallen schlug es dieselbe Richtung ein (möglicherweise ein abgekartetes Spiel) wie sein Kollege. Beide rollten zusammen aus der Rinne, und, ehrlich gesagt, war ich sehr froh, sie loszuwerden.
Der Zeiger war jetzt viereinhalb Zoll tief in meinem Hals, und es blieb nur noch ein kleines bisschen Haut zu durchtrennen. Meine Empfindungen waren jene vollkommener Glückseligkeit; denn ich fühlte, dass ich spätestens in ein paar Minuten aus meiner unerquicklichen Lage erlöst werden sollte. Und in dieser Erwartung wurde ich ganz und gar nicht enttäuscht. Um genau fünfundzwanzig Minuten nach fünf am Nachmittag war der riesige Minutenzeiger genügend weit in seiner schrecklichen Umdrehung fortgeschritten, um das kleine Überbleibsel meines Halses zu zerteilen. Es tat mir nicht leid, den Kopf, der mich in solch eine Klemme gebracht hatte, sich schließlich endgültig von meinem Körper trennen zu sehen. Erst kugelte er an der Seite des Spitzturmes hinunter, blieb dann ein paar Sekunden in der Rinne liegen, um schließlich mit einem Sturz seinen Weg zur Mitte der Straße einzuschlagen.
Ich will offen zugeben, dass meine Gefühle nun von einzigartiger – nein, von rätselhaftester, erstaunlichster und unverständlichster Art waren. Meine Sinne waren hier und dort in ein und demselben Augenblick. Einmal stellte ich mir mit meinem Kopf vor, dass ich, der Kopf, die echte Signora Psyche Zenobia war, ein andermal war ich überzeugt davon, dass ich selbst, der Körper, die wahre Identität besaß. Um meine Gedanken zu diesem Thema zu klären, tastete ich in meiner Tasche nach meiner Schnupftabakdose, wurde mir aber, als