»Aaargh!« Warum will der Kerl einfach nicht begreifen, dass er keine Ahnung von mir hat, und warum rege ich mich derart darüber auf, dass ich am liebsten wie von Sinnen meine Stöcke in den Schnee rammen würde, um meine Skier abzuschnallen, zu ihm hinüberzugehen und ihm eine Ohrfeige zu verpassen? – Keine gute Idee, kann ich nur sagen.
Wütende Menschen verfügen offensichtlich über ziemlich viel Kraft. Zumindest tue ich es, wenn ich richtig sauer bin. Das finde ich heraus, als ich mich so heftig abstoße, dass ich binnen kürzester Zeit richtig an Fahrt aufnehme und den Hügel im Vollschuss hinunterrase ...
***
Ich habe es überlebt – so viel erst einmal dazu. Craig hingegen hätte den Nachmittag nicht überlebt, wenn die anderen nicht da gewesen wären, als wir unten ankamen. Meine Reaktion auf sein Verhalten ärgert mich so sehr, dass ich nicht mal beim gemütlichen Abendessen mit meinen Freundinnen aufhören kann, darüber nachzugrübeln.
Anstatt mir zu Hilfe zu kommen, ist er nur neben mir hergefahren und hat mir völlig überflüssige Tipps zugerufen, die mein Tempo nicht im Mindesten reduziert haben. »Meine Kronjuwelen legen keinen Wert auf eine Bekanntschaft mit deinem Skistock«, hat der unverschämte Bastard mir zugeraunt, kaum dass ich am Fuße des Hügels völlig verkrampft endlich zum Stehen kam. Ehe ich ihn mit dem Stock verprügeln konnte, haben sich zum Glück meine Kurskolleginnen regelrecht auf mich gestürzt, um sich zu versichern, dass ich die Höllenfahrt gut überstanden habe. Und mein Skilehrer? – Der hat mich sexy angelacht, den Kopf geschüttelt und mich während der restlichen Stunde mit glühenden Blicken gequält.
Immer noch brodle ich vor mich hin und verstehe mich selbst nicht mehr. Ich will doch diese Sache mit einer ernsthaften Partnerschaft jetzt langsam mal angehen, gleichzeitig springe ich aber auf den erstbesten Kerl an, der mir Avancen macht. Eines scheint jedenfalls sicher zu sein: Mit meiner selbst auferlegten Enthaltsamkeit habe ich nur eines erreicht: Je größer der Macho ist, der mir gegenübersteht, desto feuchter wird mein Höschen.
»Erledigt?«, durchbricht Addison plötzlich meine düsteren Gedanken. Für den amüsierten Unterton könnte ich ihr glatt in die Suppe spucken. Herrgott, ich fühle mich derart überreizt, dass nicht einmal ein Selbstbefriedigungsversuch mit dem Duschkopf meine Qual lindern konnte.
»Ich würde es eher total am Arsch nennen«, entgegne ich übellaunig, hacke mit der Gabel auf meine Rigatoni al forno ein und klage meinen Freundinnen mein Leid. »Ich hätte mir heute beinahe sämtliche Knochen gebrochen, mir tun Muskeln weh, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass es sie gibt, und Craig ist sicher nicht der beste Skilehrer weit und breit, sondern höchstens der mieseste Aufreißer! Von wem habt ihr überhaupt, dass er so gut sein soll? Derjenige besitzt jedenfalls keinen Funken Menschenkenntnis!«
Moira wechselt einen schnellen Blick mit Addison und räuspert sich. »Clarissa.«
»Clarissa, deine Cousine Clarissa?« Das kann eigentlich nicht sein, denn sie ist der faulste Mensch, den ich kenne, und fährt ganz bestimmt nicht Ski. Nachdenklich runzle ich die Stirn, aber eine andere Clarissa fällt mir einfach nicht ein. Wieder dieser schnelle Blickwechsel zwischen Addison und Moira. Mein Magen grummelt. Irgendetwas stimmt hier nicht.
»Jap, Cousine Clarissa ...«, antwortet Moira und beißt sich gespannt auf die Unterlippe. Der Groschen fällt. »Das ist nicht euer Ernst, oder?« Empört lasse ich die Gabel sinken. Dass meine Freundinnen es offensichtlich darauf angelegt haben, mich mit dem vermutlich größten Aufreißer in ganz Colorado zusammenzubringen, ist unfassbar.
»Wir finden, du übertreibst es einfach mit dieser ›Ich will mich binden‹-Nummer«, teilt Addison mir mit und schaut mich geradezu unverschämt ruhig an. Das ist ja wohl die Höhe!
»Ich und übertreiben?« Ich schnappe nach Luft. Nun ja, genau genommen bin ich schon manchmal eine kleine Drama-Queen, aber in diesem Punkt weiche ich nicht zurück. »Gerade von dir hätte ich etwas mehr Verständnis erwartet, Addison.« Nachdrücklich falte ich meine Serviette zusammen und werfe sie auf den Tisch. »Ticktack, sage ich nur.« Schnaubend stehe ich auf und rücke meinen Stuhl zurecht, um Zeit zu gewinnen. Aber Addison geht nicht auf meine Vorlage ein. Na gut, dann muss ich wohl noch deutlicher werden. »Du selbst erzählst uns doch ständig, dass du mit Darren kräftig Matratzensport trainierst, um schon mal für die Zeugung von klein Timmy warm zu werden. Weil du eben nicht jünger wirst, und ich tue es auch nicht.« – Jetzt müssten Addison – die dem sicherlich bald entstehenden Wunschkind jetzt schon mal den Namen klein Timmy gegeben hat – und Moira doch kapieren, warum ich so empört bin. Sicherheitshalber setze ich noch eins drauf: »Aber anstatt mich zu unterstützen, liefert ihr mich diesem notgeilen Skilehrer aus, um mich auf die Probe zu stellen. Und das nur, weil Moiras Cousine es sich in ihrem letzten Urlaub von ihm hat besorgen lassen und ihn für gut befand ...« Das müsste sitzen. Ich nicke zufrieden und warte auf die Entschuldigung meiner Freundinnen.
Anstatt beschämt oder wenigstens geknickt auszusehen, presst Moira jedoch die Lippen aufeinander und versucht, sich ein Grinsen zu verkneifen – erfolglos. »Um genau zu sein, hat sie freiwillig die ganze Woche Skikurs durchgezogen, so hingerissen war sie von seinen Qualitäten abseits der Piste.«
»Das war jetzt sehr unpassend, Moira. Hast du mir noch etwas zu sagen?« Ich wende mich mit kühler Miene Addison zu, um mir die Frage zu verkneifen, wie oft Clarissa das Vergnügen mit Craig hatte. Innerlich stöhne ich auf. Mussten sie mir zu allem Übel auch noch auf die Nase binden, dass Craig gut ist?
Addison seufzt tief und wirft mir einen ihrer Sei-mir-nicht-böse-Dackelblicke zu. »Wir unterstützen dich doch, Süße. Aber du musst zugeben, dass es schon etwas übertrieben ist, eine Heiratsanzeige zu schalten, um den Mann deines Lebens zu finden. Das hast du doch gar nicht nötig und womöglich ziehst du noch einen Heiratsschwindler oder Typen an, die sich nur eine Aufenthaltsgenehmigung in den Staaten erschleichen wollen. Und mit so einem Kerl hättest du bestimmt keinen Spaß mehr. Denk mal nach – ausgerechnet du ...« Sie wackelt anzüglich mit den Augenbrauen, ungewollt seufze ich. Addison hat recht. Ich habe gern Spaß und genieße es, aufregenden Sex zu haben – mit vielen Männern. Zumindest bisher. Aber die guten Typen werden eben auch immer rarer, wenn man ein gewisses Alter erreicht – die, die für schnellen Sex interessant sind, und die, die für eine potenzielle Heirat infrage kommen erst recht. Verdammt, es kann doch nicht so schwer sein, sich das Herumstreunen durch die Betten abzugewöhnen und sich auf einen Mann festzulegen, solange ich noch ein bisschen Auswahl habe. Mit Freundinnen wie Addison und Moira dürfte das aber ziemlich schwierig werden. Ich meine, was halten sie eigentlich von mir, dass sie mir mit dieser Reise und dem Skikurs praktisch Sex zum Geburtstag schenken, um mich von meinem Vorhaben abzulenken?
»Wer euch als Freundinnen hat, der braucht echt keine Feindinnen mehr. Man könnte fast denken, ihr wollt gar nicht, dass ich wie ihr glücklich werde«, teile ich Addison bitter mit. »Zugegeben – die Idee mit der Heiratsannonce war eine Kurzschlussreaktion. Aber als Moira uns von Owens Heiratsantrag erzählt hat, habe ich einfach Panik bekommen. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich meine Meinung geändert habe!« Mit einem eingeschnappten Schnauben wirble ich auf dem Absatz herum und lasse sie einfach sitzen. »Komm schon, Liv, du weißt doch, dass das Unsinn ist. Bleib hier!«, ruft Moira mir nach.
»Nein, ich gehe jetzt in die Sauna. Schließlich bin ich hergekommen, um zu entspannen!«, rufe ich zurück und setze steif meinen Weg fort. Dieser Muskelkater bringt mich noch um! Und wenn ich nicht endgültig meine Würde verlieren will, sollte ich morgen wieder zu halbwegs eleganten Bewegungen fähig sein. Craig führt mich in Versuchung, keine Frage. Das weiß ich, das ist ihm bewusst geworden, und Moira und Addison war das klar, ehe wir beiden überhaupt aufeinandergetroffen sind. Umso notwendiger ist es, dass ich ihm morgen standhaft gegenübertrete, wenn ich mich selbst je wieder ernst nehmen will. Außerdem dürfen meine Freundinnen ruhig ein bisschen spüren, dass sie mich gekränkt haben. Eine Entschuldigung dafür, dass sie mich derart hinters Licht