Last Mile: Erlösung. Katie Ashley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katie Ashley
Издательство: Bookwire
Серия: Hells Raiders MC
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783864954627
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erblickte ich einen alten Besen und schnappte ihn mir schnell. Ich rannte zum Ende der Gasse. Ich kam dort an, als Chuck gerade vorbeirannte. Ich schwang den Besen wie einen Baseballschläger in seine Kniekehlen, was Chuck herumwirbelte und über den Boden schlittern ließ. Ich warf den Besen weg und zog meine Waffe. „Denk nicht mal dran, dich zu bewegen!“ Ich zielte auf seinen Kopf.

      Chuck ergab sich mit zittrig erhobenen Händen. Ich machte mir nicht die Mühe, das Team anzufunken, denn sie hatten mich auf dem GPS. Und nach nur ein paar Sekunden hörte ich die Sirenen, und ein Polizeiwagen stoppte mit quietschenden Reifen neben uns.

      Als ich Greenburg sah, sagte ich: „Jetzt kannst du ihn mitnehmen.“

      Er nickte verlegen und kümmerte sich um Chuck.

      Ich steckte die Waffe zurück ins Halfter und spürte eine Hand auf meiner Schulter.

      „Alles okay?“, fragte Gavin. Besorgnis stand in seinen blauen Augen.

      „Alles super, jetzt, nachdem ich diese Ratte hochgenommen habe.“

      Gavin schüttelte den Kopf. „Dich kann wirklich nichts umhauen, oder?“

      „Nee. Nur Vollidioten, die mir in die Quere kommen“, antwortete ich mit Blick auf Greenburg.

      „Du meinst Leute, die dir die Show stehlen wollen?“, gab Gavin zurück.

      „Pass bloß auf, McTavish, oder ich lege dich auch mit dem Besen flach.“

      Gavin schlang einen Arm um meine Schultern und wir gingen zu unserem Auto.

      Mich in der Gluthitze Atlantas als Prostituierte zu verkleiden, war nur eine meiner vielen Masken, die ich als Agentin des ATF tragen musste. Als mein Vater in dem langen Krieg zwischen der Drogenbehörde und den Bikern erschossen worden war, verlor ich jedes Interesse daran, in seine Fußstapfen zu treten. Nach der Ausbildung zur Kriminalbeamtin führte mich mein Weg schließlich doch zur Drogenbehörde, wo ich seit vier Jahren arbeitete. Dort konnte ich meinen Kindheitstraum, Kriminelle einzubuchten, erfüllen, genau wie meinen Drang, einen Beruf auszuüben, der mich hellwach hielt.

      Als wir am Auto ankamen, lehnte unser Leiter, Grant Peterson, daran.

      „Guten Abend“, sagte er mit einem Lächeln.

      „’n Abend“, antwortete Gavin.

      „Hattest du Bock auf ein bisschen Slum-Luft? Wo du doch sonst nur in deinem gemütlichen Büro mit Klimaanlage sitzt“, sagte ich. Obwohl Peterson mein Boss war, hatten wir ein freundschaftliches Verhältnis.

      Peterson lachte. „Ein guter General ist auch immer mit im Schützengraben.“

      „Verstehe.“

      „Gute Arbeit, wie immer, Vargas.“

      „Danke, Sir.“ Ich balancierte auf einem Bein und zog die High Heels aus. Ich stöhnte erleichtert auf, als meine Füße endlich aus dem Stiletto-Gefängnis freikamen.

      Peterson sah zwischen uns beiden hin und her. „Habt ihr zwei heute noch was anderes zu tun?“

      Gavin schüttelte den Kopf. „Wir dachten, wir machen die Nachbesprechung morgen Früh. Wenn das okay ist?“

      Peterson nickte. „Da ihr frei habt, würde ich euch gern zum Abendessen einladen.“

      Gavin und ich hoben gemeinsam die Augenbrauen.

      „Du hast wohl etwas Wichtiges zu erzählen, wenn du uns zum Essen einlädst“, antwortete ich.

      Peterson lachte in sich hinein. „Du kennst mich einfach zu gut.“

      Ich war zwar erschöpft und mein Bett rief nach mir, doch mein Magen knurrte zustimmend bei Petersons Einladung. „Klingt gut.“

      Gavin lachte. „Meinst du, ich werde je eine Einladung des Büros ablehnen?“

      „Erwarte bloß kein Fine-Dining-Erlebnis. Ich sehe ein Waffel-Haus vor meinem geistigen Auge“, sagte ich neckend.

      „Oh, ich habe doch mehr Klasse als so was“, wandte Peterson ein.

      „Dann IHOP?“

      Er grinste. „Ganz genau. Wie wär’s mit dem an der Ausfahrt 243 in zehn Minuten?“

      „Okay. Bis gleich.“

      Peterson betrachtete skeptisch mein Outfit.

      Ehe er etwas sagen konnte, hielt ich eine Hand hoch. „Ich habe etwas zum Umziehen im Auto.“

      „Gut. Ich möchte keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns lenken.“

      Ich klimperte mit den Wimpern. „Willst du damit sagen, dass ich die Blicke auf mich ziehe?“

      Er grinste. „Sagen wir mal so, ich glaube nicht, dass ich dir gegenübersitzen und eine ernsthafte Unterhaltung führen könnte, ohne dass meine Gedanken abschweifen würden.“

      Freundschaftlich schlug ich ihm gegen den Arm. „Du alter Perversling, du.“

      „Du kennst mich zu gut. Bis gleich.“ Er machte sich auf den Weg die Straße entlang.

      Wir stiegen in unser Auto. „Was meinst du, worum es geht?“

      Gavin startete den Wagen und wirkte nachdenklich. „Muss was Großes sein, wenn er es beim Essen besprechen will und nicht einfach morgen Früh beim Kaffee im Büro.“

      „Denke ich auch. Ich glaube nicht, dass wir je außerhalb des Büros über einen Fall informiert wurden.“ Ich nahm ein T-Shirt aus meiner Tasche und zog es über das Bustier. „Solange ich nicht wieder so was wie das hier anziehen muss, bin ich dabei.“

      Gavin lachte und bog auf die Straße ein. „Weißt du was, Vargas? Du wärst vielleicht nachts nicht so allein, wenn du so was öfter mal anziehen würdest.“

      Ich bedachte ihn mit einem tödlichen Blick. Dann zog ich den Minirock aus und dachte über seine Worte nach. Zwar hatte er nur Spaß gemacht, doch war viel Wahres dran. Ich verbrachte die meisten Nächte allein. Meine letzte längere Beziehung war über ein Jahr her. Sie alle endeten aus demselben Grund: Ich war mit meinem Job verheiratet.

      Die meisten Männer fanden meinen Beruf zunächst sexy. Doch schnell wurden sie abgetörnt, weil sie immer an zweiter Stelle standen. Letztendlich konnte ich es ihnen nicht verübeln. Wer wollte schon eine Beziehung mit einem risikobereiten Workaholic?

      Ich verdrängte diese Gedanken und zog mir eine Yogahose über. Das Prostituierten-Outfit rollte ich zusammen und stopfte es in meine Tasche.

      Das IHOP, das Peterson ausgesucht hatte, befand sich in einer besseren Gegend als die, in der wir gerade gewesen waren. Gleichzeitig lag es etwas außerhalb und es waren nicht viele Gäste da. Am Empfang bat Peterson um einen Tisch ganz hinten, weit fort von den anderen Gästen.

      Ich setzte mich auf die Sitzbank neben Gavin, und Peterson nahm uns gegenüber Platz. Nachdem eine Kellnerin unsere Bestellung entgegengenommen hatte, öffnete Peterson seine Aktentasche und kam gleich zur Sache.

      „Was wisst ihr über den MC der Hells Raiders?“

      Allein bei dem Namen wollte sich mir der Magen umdrehen. Plötzlich war ich nicht mehr die selbstbewusste dreißigjährige ATF-Agentin. Sondern das achtjährige Kind, das durch das Autofenster blickte und einen Mann in Lederweste sah, der meinen Vater umbrachte und meine bis dahin perfekte Existenz zerstörte. Allein der Klang eines Motorrades löste das Trauma wieder aus. Natürlich wusste die Agency das nicht. Wenn man Fälle bearbeiten wollte, konnte man sich keine emotionalen Defizite leisten.

      „Nie wirklich von denen gehört“, sagte Gavin und ich stimmte ihm nickend zu.

      „Was das kriminelle Element von den One-Percentern angeht, hat deren Club in Georgia eine relativ kleine Mitgliederzahl. Die letzten zwei Jahrzehnte