Sie hat in mir die Sehnsucht entfacht, noch einmal meine Füße auf italienischen Boden zu setzen, den Meeresduft der Lagune einzuatmen, mein faltiges Gesicht in den Sonnenstrahlen zu wärmen, die meine Kindheit erhellten. Dennoch bereue ich es nicht, meiner Nancy auf diesen fernen Kontinent gefolgt zu sein, wo ich auch nach Jahrzehnten noch ein Fremder bin, obwohl ich seit mehreren Jahren zu seinen naturalisierten Bürgern gehöre. Ich bereue es nicht einen Augenblick, weil hier ein Leben an der Seite meines großen Schatzes, meiner Hirtin, möglich war. Ohne sie war ich niemand, nur durch sie wurde ich zu dem, der ich heute bin. Mein Motto ist immer gewesen: Alles wagen, immer hoffen! Gewagt habe ich viel, nun bleibt nur noch die Hoffnung, dass ich ihr bald ans andere Ufer folgen darf, wie ich ihr damals übers Meer gefolgt bin, und dass sie mich dort erwarten wird.
Noch immer nähre ich die leise Hoffnung, die Menschen, die ich in der Neuen Welt kennen und lieben gelernt habe, für die Oper begeistern zu können, wie ich sie auf Europas Bühnen erlebt habe. Im Theater hat es Augenblicke gegeben, in denen ich glaubte, Gottes Reich sei uns schon auf Erden vergönnt. Gott weiß, dass ich versucht habe, meine neuen Landsleute zu überzeugen, nicht nur von der Oberhoheit der katholischen Kirche, sondern auch davon, dass die Opernmusik zur Krone der Schöpfung gehört, besonders wenn sie in der Sprache meines Heimatlandes gesungen wird. Seit dem großartigen Erfolg von Garcías Auftritt und den – wie ich gestehen muss – weniger fruchtbaren Versuchen, die Gesangskarriere meiner Nichte Giulietta diesseits des Ozeans zu fördern, habe ich Jahr für Jahr versucht, Italiens beste Kompanien zu überreden, auch hier ihr Glück zu versuchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die italienische Opernkunst mit dem rechten Willen selbst das raubeinige Gemüt der Amerikaner erweichen könnte. Wer kann schon Zerlinas pochendem Herzen widerstehen? Wer wird nicht von Figaros Aufruhr ergriffen? Wer bleibt von Susannas Schicksal ungerührt?
Da es mir auch nach über einem Jahr intensiver Bitten, Pläne und Vorbereitungen nicht gelungen war, den großen Impresario Barbaja aus Neapel hierher zu locken, versuchte ich, den ebenso bedeutenden Montresor aus Bologna von den Möglichkeiten und dem Wert einer solchen Reise zu überzeugen. Ich versicherte ihm, wie sehr das Publikum in New York Mozart und Rossini liebte, und schlug ein Repertoire von sechzehn Opern vor, wobei mir meine Bescheidenheit verbot, mehr als sechs Werke zu empfehlen, für die meine Feder die Worte geformt hatte, welche die Handlung vorantrieben und den Sängern den Geschmack der Poesie auf die Zunge legten. Ich schrieb, er solle seinen eigenen Maestro am Cembalo mitbringen sowie einen Soloviolinisten, einen Oboisten, eine Hornistengruppe und einen Souffleur, weil dieses junge Land noch keine hinlänglichen Talente auf diesen Gebieten hervorgebracht habe. Und natürlich so viele Sänger wie möglich, auch Chorsänger. Aus unerfindlichem Grund sind die Stimmen auf diesem Kontinent zu derb und undifferenziert, um die Musik auf ein angemessenes Niveau zu heben. Während ich den Maestro in Bologna bearbeitete, sammelte ich durch den Verkauf von Subskriptionen Mittel für mein Vorhaben, und als Montresors Kompanie endlich an einem schönen Hochsommertag im Hafen von New York von Bord stieg, hatte ich eine erkleckliche Summe vereint. Aber die Kompanie war alles andere als klein! Ich hatte etwa zwanzig Sänger und Musiker erwartet, und musste nun für fast fünfzig Personen sorgen. Fünfzig! Und darunter war nicht einmal eine Primadonna. Ich stand mit einem gigantischen Strauß Lilien am Kai und hoffte, Giuditta Pasta in Empfang zu nehmen, aber die eingetroffenen Sänger taugten nur für kleinere Partien. Zu allem Überdruss hatte gerade ein anderer Gast in der Stadt Einzug gehalten: Die Cholera, der Dämon, der ungebeten von Haus zu Haus geht und seinen üblen Gerüchte verbreitet. Ich musste die Neuankömmlinge sofort aus der Stadt schicken – zu Kosten, von denen ich nicht zu träumen gewagt hätte –, bis der dunkle Engel sein Schwert abgewetzt hatte und unsere Mitbürger wieder ihre Heime beziehen konnten.
Als die Kompanie im Herbst endlich in die Stadt zurückkehrte, waren sowohl das Park Theatre als auch das Bowery Theatre für, wenn man so sagen will, deutlich banalere Spektakel ausgebucht. Aber wir fanden eine Bühne, das Richmond Hill Theatre, die umgebaute Residenz eines alten Ehrenmannes, und tauften es um. Fortan hieß es »The Italian Opera House«. Am sechsten Oktober 1832 konnten wir die Saison mit Rossinis La Cenerentola eröffnen. Welch ein Licht! Welche Kostüme! Welches Dekor! Hier wurde dem Publikum anderes geboten als die zerschlissenen, schmutzigen Lumpen, in denen die Sänger für gewöhnlich im Park Theatre auftraten. Inzwischen hatten wir Adelaide Pedrotti aus Havanna für uns gewinnen können, eine Sopranistin, wie sie New York kaum je gehört hatte. Und Luciano Fornasari, der zur Kompanie gehörte, galt unter den Damen bald als der schönste Mann, der je auf einer New Yorker Bühne gestanden hatte; dabei sang der Mann nur Bariton, nicht einmal Tenor! Montresor wurde ebenfalls gefeiert, wenn auch nicht wie García, der noch immer einen Ehrenplatz im Gedächtnis der Stadt einnahm. Aber obgleich kein Orchester, das man bisher hier gehört hatte, sich mit der Kraft und dem Schwung unserer Opernkapelle messen konnte, und obgleich die großartige und farbenprächtige Bühnenausstattung, gebaut und bemalt von Handwerkern, die der Maestro selbst aus Bologna mitgebracht hatte, alles übertraf, was man auf dieser Seite des Ozeans je gesehen hatte, ließ uns das Publikum im Stich. Es half nichts, dass wir die Vorstellungen ins Bowery Theatre verlegten, auch die Tournee nach Philadelphia, die ich arrangierte, war ein herber Rückschlag. Die Rechnungen für Kost und Logis, die ich Montresor und seinem Gefolge zugesagt hatte, türmten sich auf. Und sie ließen nichts aus! Sie lebten, als hätten sie keine Geduld, auf das Himmelreich zu warten, und als ich nach einem unglücklichen Sturz in Philadelphia mehrere Wochen das Bett hüten musste, erkundigte sich keiner von ihnen, wie es mir ging. Der Einzige, der mich besuchte, war der Kapellmeister, weil er Geld leihen wollte, um Spielschulden zu begleichen. Gesindel!
Am Ende holte mein Sohn Lorenzo mich nach New York zurück, aber da war die Sache bereits verloren. Ein weiteres Mal war ich vom Ruin bedroht und sah mich gezwungen, zwei Drittel meiner schönen, dreitausend Bände umfassenden Bibliothek zu verkaufen. Meine geliebten Bücher, in alle Winde zerstreut, in den lüsternen Händen fremder Menschen, der Ledereinband von unbekannten Fingern liebkost, die Seiten vorm Umblättern mit fremdem Speichel befeuchtet. Wie ich hörte, befinden sich die wertvollsten Bände nun in der Library of Congress in Washington, nachdem man die Sammlung in die Hauptstadt verlegt hat. Dort sind aus meiner Bibliothek ein paar wunderschöne Bände mit den Werken unserer alten Meister zu finden: Ariosto und Boccaccio, das erste Exemplar der Rerum Italicarum Scriptores, das diesen Kontinent erreichte, und eine prächtige Ausgabe meiner geliebten Divina Commedia von Dante. Aber auch zeitgenössische Dichter wie Alfieri, Tiraboschi und Ugo Foscolo, den ich persönlich in Ferrara getroffen habe, wo er sich einen Ruf als Dichter schuf. Foscolo, das Genie, das nicht einmal geboren war, als ich meine ersten Gedichte schrieb, und den ich nun überlebt habe. Wenn ich mit meinen fast neunzig Jahren der jung Verstorbenen gedenke, die so intensiv gelebt haben, dass mehrere Lebensläufe in ihren gepasst hätten, erscheint mein eigenes Leben planlos und bescheiden. Dass meine Nachwelt sich an der Dichtung ergötzen kann, die ich geliebt habe, sollte mir eigentlich Freude bereiten, aber welcher normale