“Alle Everianer werden mit einer Markierung geboren, aber bei den meisten schlummert sie ewig. Den markierten Partner zu finden ist zwar nicht unbekannt, aber es ist sehr selten. Nur einem von hundert wird dieses Glück zuteil.”
“Aber deine Markierung schlummert nicht?” Sie rieb ihre Hand an ihrem Oberschenkel, als ob sie sich daran störte.
“Nein. Nicht, seit ich hierhergekommen bin. Nicht, seit ich dich gefunden habe.”
“Aber ich stamme nicht von deiner Welt. Ich bin nicht wie du.”
“Doch, Cassie, das bist du. Vor vielen tausend Jahren ist mein Volk ausgezogen, um die Galaxie zu kolonisieren. Einige davon müssen zur Erde gekommen sein, um sich hier niederzulassen.”
“Was willst du damit sagen? Dass nicht nur du von einem anderen Planeten kommst, sondern ich auch? Das ist absurd.”
“Es ist die Wahrheit.”
“Und das soll bitte was heißen? Dass ich mich Hals über Kopf in dich verlieben soll?”
Die Götter mochten mir Geduld schenken. Worauf wollte sie damit hinaus? “Ja. Wir sind füreinander bestimmt.”
“Und wie genau soll das vonstattengehen? Ich gehe mit dir ins Bett und du reitest in den Sonnenuntergang zu deinem tollen Schiff zurück und verschwindest wieder nach Everis?”
“Nein, Cassie. Ich würde niemals ohne dich gehen.”
“Oh, also jetzt soll ich auch noch mit dir auf einen anderen Planeten kommen?”
“Ja. Du wirst mich nach Everis begleiten, wo du als Mitglied meiner Familie in die Gesellschaft eingeführt wirst.”
Sie prustete. “Das ist lächerlich. Dabei hätte ich dir schon fast geglaubt.”
“Du wirst ein hohes Mitglied unserer Gesellschaft sein, Cassie. Und ich werde dir alles beibringen, was du wissen musst. Dich beschützen.” Ihre Sturheit machte mich langsam wütend.
“Ich bin eine Waise aus Philadelphia. Ein hohes Mitglied der Gesellschaft? Das denke ich nicht.” Sie schüttelte den Kopf und führte ihr Pferd am Rand eines steilen Flussufers hinunter. Ich hatte keine Kraft mehr um mit ihr zu streiten, als mein eigenes Pferd folgte.
Das Pferd scheute, es war nervöser als ich. Die vorherigen Untergründe hatte es zwar mühelos bewältigt, aber dieser Abfall ins trockene Flussbett war steiler als die anderen und vom grasigen Flachland in den sandigen Grund waren es etwa drei Meter. Mit einem Huf seitwärts nach unten gerichtet blieb das Pferd stehen und stellte wohl seine Sicherheit infrage, dann ging es zurück und plötzlich sprang es mit überraschendem Tempo den steilen Hang hinunter und warf mich dabei vom Sattel.
Ich flog durch die Luft und machte eine harte Landung, ich landete mit der Schulter voran und meine Flanke rammte einen Felsen. Es musste ein ziemlich großer Felsen sein, denn ich spürte das schmerzhafte Stechen meiner Rippen, ehe ich einmal, zweimal auf den Rücken rollte.
Da lag ich und starrte in den strahlend blauen Himmel, fassungslos, und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Meine Flanke stand in Flammen und das Atmen war die reinste Qual. Der Boden war erstaunlich weich, wenn man bedachte, wie hart ich gelandet war. Ich drehte den Kopf zur Seite und blickte auf den verfluchten Felsen, der mir definitiv die Rippen gebrochen hatte.
“Maddox!”
Cassies Stimme war schrill und ich hörte die Hufe ihres Pferdes, als sie auf mich zugeeilt kam. Ich sah Staub aufwirbeln und dann erblickte ich den Saum ihres Kleides, bevor sie neben mir auf die Knie fiel und ihr langes Haar über die Schulter warf.
“Was ist passiert?” Sie war genauso außer Atem wie ich. Ihr heller Blick wanderte über mich und ihre Hände zitterten.
Ich bekam nicht genug Luft, um ihr das Offensichtliche zu erklären.
“Wo … wo bist du verletzt?”
“Seite. Rippen,” keuchte ich.
“Darf … darf ich nachschauen?”
Ich hob mein Kinn und biss die Zähne zusammen.
Sie tastete sich heran, knöpfte mein Hemd auf und breitete es aus, dann keuchte sie voller Entsetzen, als sie meinen Torso betrachtete. “Der Felsen, er hat dir die Rippen gebrochen. Der Bluterguss ist bereits sichtbar.” Sie biss ihre Lippe und riss panisch die Augen auf. “Ich kann deutlich den Bruch sehen. Oh Gott.”
Sie blickte auf und sah sich um, als ob wie durch ein Wunder irgendjemand auftauchen würde. Sie hatte kein Kommunikationsgerät, keine Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Ich allerdings schon, aber ich brauchte nicht Thorn oder Jace oder Flynn zu holen. Es würde Stunden dauern, Tage sogar, abhängig davon, wo sie gerade auf Jagd waren. Ich brauchte nur den ReGen-Stab.
“Ich kann es verbinden, aber ich kann dir nicht beim Aufstehen helfen und erst recht nicht wieder aufs Pferd. Ich kann zur Stadt reiten und Hilfe holen, aber—”
“Cassie,” zischte ich hervor.
Ihr Blick sprang zurück zu mir.
“Meine Tasche. ReGen-Stab.”
“Was?” entgegnete sie.
“Hol den ReGen-Stab aus meiner Tasche.”
Sie drückte sich hoch, blieb aber weiter neben mir hocken. “Ich … ich weiß nicht, was das ist.”
Ich neigte mein Kinn und rührte mich, dann aber hisste ich, als ich einen stechenden Schmerz verspürte. “Metallobjekt, unten schwarz, oben blau. Passt in deine Hand.”
Sie nickte und ging herüber zu meinem Pferd, das längst wieder angehalten hatte und jetzt an einem grünen Büschel knabberte. Die Zügel fielen über seinen Kopf zu Boden und er war überglücklich, dass ich nicht mehr auf seinem Rücken saß. Ich hätte auf die Bestie sauer sein sollen, weil sie mich abgeworfen hatte, aber ich war selbst schuld daran. Vor meiner Ankunft auf der Erde hatte ich noch nie auf dem Rücken eines Tieres gesessen und irgendwie wusste das Tier, dass ich unerfahren war.
Cassie durchwühlte meine Tasche und fand mühelos den ReGen-Stab. Abgesehen vom Proviant hatte ich nur ein paar Anziehsachen von der Erde und eine Decke eingepackt. Es fiel mir schwer die Geduld zu wahren, schließlich lag ich in der sengenden Sonne, während sie erstmal das Behandlungsgerät studierte.
“Cassie,” stöhnte ich. Das Atmen fiel mir immer schwerer und ich wollte nur noch diese Schmerzen loswerden.
Als sie sich wieder an mich erinnerte, eilte sie an meine Seite und hielt mir den befremdlichen ReGen-Stab hin.
Unsere Finger streiften sich, als ich ihn ihr abnahm und den schwarzen Griff umpackte. Ich betätigte den Knopf und die Heilungsenergie der ReGen-Spulen an der Spitze leuchteten blau auf. Ich stöhnte bei jeder Bewegung und fuhr mit dem Stab über meine Rippen.
“Was machst du da?” fragte sie und runzelte verwirrt die Stirn.
“Ich heile.”
Ich konnte spüren, wie die Knochen sich wieder zusammenfügten und stöhnte. Es war nicht schlimmer als der stechende Schmerz, wenn ich mit gebrochenen Rippen atmete, aber besonders angenehm war es auch nicht.
“Ich … ich verstehe nicht. Du brauchst einen Arzt. Bettruhe.”
“Nein,” erwiderte ich, als der Schmerz nachließ. Der ReGen-Stab würde mich in wenigen Minuten wiederherstellen. Ich konnte bereits wieder richtig durchatmen. “Das ist eine leichte Verletzung.”
“Leicht?” konterte sie. “Es wird Wochen dauern, bis das wieder verheilt ist, solange du keinen Lungenriss hast. Ich weiß nicht, wie ich mich um dich kümmern soll. Es gibt hier kein Essen, kein Feuerholz. Nicht genügend Wasser.”
“Cassie,” sprach ich erneut, diesmal war meine Stimme wieder schmerzfrei. “Das ist ein Behandlungsstab. Ich muss ihn nur über die Verletzung halten und er wird den