»Du solltest noch etwas trinken«, sagte er auffordernd und grinste wie die Unschuld vom Lande. Ich griff nach dem Glas und nahm ein paar kräftige Schlucke. Immer noch klebrig süß wie in meiner Erinnerung.
»Und? Tut sich schon was?« Hendrik beobachtete mich mit Argusaugen. Ich stellte das Glas beiseite und reckte mich auffällig.
»Also, Hendrik, irgendwie ist mir gerade sterbenslangweilig. Was fangen wir jetzt bloß mit unserer Zeit an?«
Vierundvierzig Tage ohne Sex. Ach, verdammt!
Hendrik kam langsam auf mich zu und presste sein Becken gegen meins. Mein Puls begann zu rasen. Er fuhr mit seiner Nasenspitze meinen Hals hinauf zum Ohr und flüsterte hinein. »Nun, für den Anfang könnte ich dich jetzt einfach bespringen.«
Seine Hände glitten meine Taille entlang, über meinen Hintern und wieder nach vorn. Mein ganzer Körper vibrierte. Ich öffnete den obersten Knopf seiner Hose. Ganz langsam und genüsslich, während ich seinem heißen Atem an meinem Ohr lauschte. Ich ließ mir Zeit, zögerte jede meiner Berührungen hinaus, obwohl ich so ungeduldig war, wie man nur sein konnte. Das wollte ich mir natürlich nicht anmerken lassen. Ich öffnete den nächsten Knopf, um mit meinen Händen ganz langsam von hinten in seine Hose hineinzugleiten. Er trug tatsächlich keine Unterwäsche. Gott, war das heiß. Ich grub meine Fingernägel zärtlich in seinen Hintern und zog ihn noch dichter an meinen Körper heran.
»Und? Hast du dir das so vorgestellt?«, hauchte ich und glitt mit meiner Zunge seinen Hals entlang. Ich spürte, wie erregt er war. Und wie sehr es mich anmachte, seine Erektion durch seine Hose zu spüren. Genüsslich zog ich meine Hände aus seiner Hose und strich ihm die Brust hinauf. Um seinen Schambereich machte ich einen großen Bogen. Auch wenn ich es kaum erwarten konnte, ihn dort zu berühren. Und er vermutlich auch nicht. Doch schien er deutlich ungeduldiger als ich zu sein. Mit einem Mal nahm er meine Hände über dem Kopf zusammen, presste mich gegen den Schrank und küsste mich. So stürmisch, dass ich kaum Gelegenheit hatte, zu reagieren. Doch ich ließ ihn. Dieser eine Kuss weckte so viel Vorfreude, so viel Lust auf mehr. Ich hätte mich auf der Stelle ausziehen können.
»Gefällt dir das?«, fragte er mich, während er meinen Hals liebkoste. Und wie es das tat. Gefallen war gar kein Ausdruck.
»Oh ja, sehr«, flüsterte ich und drückte ihn ruckartig von mir weg. Es gefiel mir mehr als gut. Aber das war genug gespielt für einen Abend. Wenn wir fortfuhren, hätte ich nicht mehr aufhören können. Er hatte ja damit angefangen. Also musste er jetzt dafür büßen. »Und genau da liegt das Problem.«
Ich ging wieder auf ihn zu, drückte meine Hand in seinen Schritt und packte fest zu. Er hielt die Luft an. Ich lehnte mich an ihn und sprach direkt in sein Ohr. »Ich ficke keine Kollegen, sagte ich doch.« Ich nahm meine Finger von ihm und ging wieder vor die Theke. Er sah mich an und ich konnte erkennen, wie es in seinem Hirn gerade ratterte. Er stützte sich ab und strich sich über die Haare. Seine Miene war nicht zu deuten. Eine Mischung aus Verwirrung und Enttäuschung.
»Aber danke, das war echt heiß.« Ich lächelte ihn neckisch an und öffnete die Tür. Das war es wirklich. Ich wollte unbedingt mehr. Aber mehr war, ohne meine Regeln vollkommen außer Kraft zu setzen, nun mal nicht drin.
»Kommst du?«, fragte ich im Gehen. Ich drehte mich noch mal zu Hendrik um, der immer noch wie ein begossener Pudel dastand und scheinbar rätselte, was da gerade passiert war.
Ich setzte mich wieder an den Tisch und hörte, wie Marlon gerade von einem Gästepaar erzählte, das hier im letzten Jahr ihr unzüchtiges Unwesen getrieben hatte.
Hendrik folgte einige Minuten später und ließ sich in den Stuhl mir gegenüber fallen. Ich schaute ihn nicht an. Nicht, weil ich mich schämte. Er reizte mich einfach zu sehr. In den ersten Tagen war es nur unmerklich gewesen. Eher wie etwas, was einem im Vorbeigehen auffiel. In den Wochen darauf war es deutlicher geworden. Ich hatte Herzklopfen in seiner Nähe bekommen. Beinah jedes Mal. Aber kein verliebtes Teenager-Herzklopfen, sondern eher ein Reiß-mir-sofort-die-Kleider-runter-Herzklopfen.
Blond, schmal gebaut und vom Aussehen eher jugendlich als männlich. Und doch konnte ich mich kaum von ihm losreißen. Aber ich hatte nun mal meine Regeln. Ficke niemals da, wo du arbeitest, erst recht nicht, mit wem du arbeitest. Das verkompliziert nur alles. Und das nervt.
Ich verabschiedete mich nach einer Weile und rief mir ein Taxi. Ich wollte gerade einsteigen, als ich eine Hand an meiner Hüfte spürte.
»Du spielst also gern. Das kann ich auch.« Hendrik strich mir zärtlich über den Rücken und trat dann einen Schritt zurück. Ich drehte mich noch mal zu ihm um.
»Oh, ich liebe es, zu spielen. Aber für mehr ist bei der Arbeit kein Platz.« Ich trat dicht an ihn heran und umarmte ihn zum Abschied. »Wären wir keine Kollegen, würde ich dich auf der Stelle vernaschen. Hier und jetzt.« Ich gab ihm einen langen Kuss auf seine Lippen und stieg ins Auto. Manchmal hasse ich meine Prinzipien. Das wäre bestimmt spaßig gewesen. Ich hätte noch stundenlang weitermachen können.
***
Das Taxi setzte mich an der S-Bahn-Station ab. Vierzig Minuten später hatte ich es endlich bis nach Hause geschafft. Ich ließ die Haustür ins Schloss fallen und schaltete das Licht ein. Ich starrte das Treppenhaus hinauf und verfluchte wie schon so oft die vielen Stufen. Müde schleppte ich meinen Körper nach oben. Ich war so erschöpft, dass ich mich am Geländer hochziehen musste, um nicht hintenüber zu fallen. Ich wollte gerade aufschließen, als mein Blick auf eine Karte an meiner Tür fiel. Darauf war ein Bild von einer rosafarbenen Schreibmaschine, mit der Aufschrift Plüsch. Die Karte war mit Sternchen und massenhaft Glitzer verziert. Ich nahm sie ab und las mir die Rückseite durch.
Es ist zwar keine echte Schreibmaschine, aber danke für den schönen Abend. Plüsch! Liebe Grüße, Bea.
»Was bitte ist Plüsch?« Ich war zu müde, um in meinem Hirn nach einer Erklärung zu suchen. Ich schloss die Tür hinter mir, ließ meine Tasche auf den Boden fallen, zog mir die Schuhe im Gehen aus und sank samt Klamotten aufs Bett.
***
Ich nahm mir vor, mich Hendrik gegenüber professionell zu verhalten. Ich war nicht sicher, wie ich auf ihn reagieren würde. Beziehungsweise ich wusste es eigentlich schon. Sechsundvierzig Tage ohne Sex. Es fehlte nicht mehr viel und ich würde ihn einfach bespringen. Oder jeden anderen. Heute war mal wieder so ein Tag. Tage wie diese hatte ich in letzter Zeit häufig. An denen man die Wände hochgehen könnte, so juckte es einen zwischen den Beinen. Ich brauchte Sex. Und das ganz dringend.
Ich versuchte, mich abzulenken. Ich übernahm sogar den Spüldienst der Gläser, nur um mich auf andere Gedanken zu bringen. Zu meiner Erleichterung erfuhr ich, dass Hendrik heute nicht da war. Normalerweise hatte ich keinerlei Probleme damit, Exliebhabern oder Ähnlichem über den Weg zu laufen. Aber Hendrik schaffte es irgendwie, mich aus dem Konzept zu bringen. Vor allem wenn ich in diesem Zustand war. Ich war so rattig, dass ich mich kaum konzentrieren konnte. Unaufmerksam, gereizt und unvorsichtig.
In einem unachtsamen Moment drehte ich mich mit einem vollen Tablett Gläser hektisch um und stieß frontal gegen die Tür der Spülküche. Die Gläser fielen klirrend zu Boden. Ich fluchte wie ein Rohrspatz. Dann machte ich mich daran, die Scherben aufzuheben. Marlon öffnete die Tür zur Spülküche und sah mich am Boden knien, während ich die ganze Welt verteufelte.
»Wow, was haben wir für eine gute Laune heute«, bemerkte er und reichte mir Handfeger und Schaufel. »Also, Püppi, was ist los?« Ich starrte ihn skeptisch an. Einen für mich unpassenderen Kosenamen konnte ich mir kaum vorstellen.
»Nun, Püppi hat ein Problem. Ein verflucht großes Problem«, murrte ich und fegte die Scherben zusammen. Marlon schien sich köstlich dabei zu amüsieren.
»Erzähl, was läuft bei dir gerade so apokalyptisch falsch, dass du mit Gläsern schmeißen musst?« Ich schaute in sein lächelndes Gesicht. Normalerweise würde ich jetzt in Gedanken wegdriften und wir würden schmutzigen Sex auf der Anrichte haben. Aber in diesem Moment war ich einfach nur genervt. Ich setzte