Jedem das Seine - Band II. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711448212
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      Nataly von Eschstruth

      Jedem das Seine

      II.

      Roman

      Mit Illustrationen von Fritz Bergen

      Saga

      Jedem das Seine - Band II

      German

      © 1904 Nataly von Eschstruth

      Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

      All rights reserved

      ISBN: 9788711448212

      1. Ebook-Auflage, 2016

      Format: EPUB 3.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

      XIV.

      Es war ein grauer, nebliger Wintertag.

      Die Schneewolken hingen tief herab, Dämmerschleier wehten viel früher noch denn sonst durch die Zimmer, in den Gärten regte sich kein Zweig. Kahl und frosterstarrt standen die Bäume; die Sperlinge hockten trübselig auf dem Dachfirst, frierend und aufgeplustert, alle Fenster scharf beobachtend, ob sich nicht eines bald auftun werde, um einem blonden Lockenköpfchen und einer freigebigen, kleinen Hand, die so gern die Krumen streut, Platz zu schaffen.

      Auf dem Gartenweg klingen Schritte und der mächtige Bernhardiner, welcher vor dem Kaminfeuer in der grossen Vorhalle liegt, um sich das schneedurchnässte Fell zu trocknen, hebt den Kopf und schlägt kurz an.

      Gleichzeitig schrillt die Glocke.

      Herr Leutnant von der Marken steht vor der Türe und scheint aufgeregter und eiliger wie sonst.

      Er frägt nach Gräfin Iris und bittet, der jungen Dame gemeldet zu werden.

      „Komtesse werden im Atelier des Herrn Grafen sein, um für kurze Zeit Kostüm-Modell zu stehn!“ erwidert der Diener sehr höflich. „Ich darf wohl den Herrn Leutnant gleich bitten, mir zu folgen.“

      Mortimer schreitet auf weichen Läufern die Treppe empor.

      In dem Atelier ist es still und einsam und der Diener blickt hastig in den Nebensalon.

      Iris scheint in demselben anwesend, denn man hört die kurze Anmeldung und eine etwas zögernde Antwort.

      Nach wenig Augenblicken erscheint Johann wieder zwischen den herrlichen, echt orientalischen Portieren.

      „Komtesse erwarten zwar den Herrn Grafen und sind nicht auf Besuche eingerichtet, wenn es aber etwas sehr Eiliges sei, was der Herr Baron mitzuteilen haben, so lässt gnädigste Gräfin bitten.“

      „Ja, ja, sehr eilig!“ nickte Mortimer und hat das Gefühl, als ob man seinen stürmenden Herzschlag in dem stillen Raum hören müsste — „ich danke Ihnen, — kenne den Weg!“

      Der Diener quittiert mit verbindlichem Lächeln für diesen Scherz, schlägt die Vorhänge zurück und Marken tritt ein. —

      Er will der Komtesse mit gewohntem Gruss entgegentreten, aber er stutzt, und ein leiser Ausruf höchster Überraschung entrinnt sich seinen Lippen.

      Vor ihm steht nicht die Gräfin Iris, die er seit Monaten in den eleganten, abendländischen Toiletten kennt und bewundert, sondern eine fremde, zauberschöne Erscheinung, eine Türkin voll blendender Anmut, goldglitzernd, seidenumrauscht und unverschleiert.

      Iris lacht über seine Betroffenheit leise auf.

      „Sie fürchten, in einen Harem geraten zu sein, Herr von der Marken?“ sagte sie in der etwas förmlichen, hoheitsvollen Weise, die ihr selbst bei Scherz und Lachen eigen ist; sie streckt ihm freundlich die Hand entgegen und sieht mit flüchtigem Blick an sich nieder.

      „Erschrecken Sie nicht, ich bin harmloser als ich aussehe, und Johann lauert nicht als Eunuch mit blankem Dolche vor der Tür!“

      „Ich bin in der Tat nicht nur überrascht, sondern entzückt, Komtesse!“ sagt er mit flammenden Augen und führt ihre Hand an die Lippen.

      Sie scheint weder den Ausdruck in seinen Augen, noch den heissen Klang in seiner Stimme zu bemerken.

      Sie wendet sich zurück nach dem Diwan, in dessen seidenen Brokatkissen sie wieder lässig niedersinkt, bedeutet ihm freundlich, ihr gegenüber in einem der Sessel Platz zu nehmen, und greift nach dem Zigarettenkästchen, das auf einem echt „importierten“ kupfernen Dreibein neben ihr steht, um es dem jungen Offizier anzubieten.

      „Rauchen Sie mir zur Gesellschaft, Gräfin? Zu einer Türkin gehört eigentlich die Wasserpfeife!“

      Sie schüttelt den Kopf, dass die Goldmünzen im Haar leise erklingen.

      „Sie wissen, dass ich keine Freundin türkischer Sitten bin!“

      „Und tragen dennoch so völlig des Orients Farben?“

      „Nicht freiwillig!“

      „Ah! steckt in dem reizenden Odaliskenkostüm selbst hier droben im Land der Freiheit ein Stückchen Sklaventum?“

      Wie trunken vor Wonne hängt sein Blick an ihrer phantastischen, zauberschönen Erscheinung und sein Herz pocht stürmisch, weil es ihm als neues, glückverheissendes Zeichen gilt, dass sie ihn just als eine Tochter Konstantinopels begrüsst.

      Sie lächelt und reicht ihm mit graziöser Hand ein brennendes Streichholz. Die breiten, orientalischen Armspangen glühen auf unter dem Feuerschein, der über sie hinzuckt.

      „Es scheint so!“ sagt sie leichthin, „selbst als Maskentand behandelt, wohnt diesen Kleidern der blinde Gehorsam inne! Diesmal aber ist es mir keine Entwürdigung, sondern vielmehr eine amüsante und nützliche Notwendigkeit!“

      „Wollen gnädigste Gräfin einen Maskenball besuchen?“ fragt er sehr erstaunt.

      Da lacht sie noch mehr.

      „Wo du nicht bist,

      Herr Organist,

      Da schweigen alle Flöten!“

      zitiert sie neckend. „Wie sollte hier in der Residenz ein derartiges Fest stattfinden, das nicht von Ihnen arrangiert, oder doch zum mindesten durch Ihre Anwesenheit verherrlicht würde! — Aber Scherz beiseite! Sie sehen heute die wunderschöne Sultanstochter in mir, die um die Abendzeit am Springbrunnen auf und niedergeht, wo die weissen Wasser rauschen! — Jene so viel Besungene, die mein Vater nun auch zur Abwechselung einmal malen will!“

      „Ah — und Sie stehen Modell, Gräfin?“

      Sie zuckt voll drolliger Ergebung die schönen Schultern.

      „Was bleibt mir übrig? Der väterliche Wille ist beinahe ebenso despotisch wie derjenige der Asiaten! Das Kostüm war vorhanden ...“

      „Die zauberhafte, sinnverwirrende Schönheit desgleichen —!“

      „Wie galant sind Sie heute! Vergessen Sie ja nicht, dass sich unter dem Taubengefieder der demütigen Sultanin doch nur eine sehr fortschrittlich gesinnte, moderne Frau versteckt!“

      „Sollte diese nicht schliesslich doch einsehen, dass ihr das Joch von Rosenketten tausendmal schöner ansteht, und sie unendlich viel mehr beglücken würde wie ein Doktorhut?“

      Er hatte seinen Sessel näher herzugeschoben, mit Lippen, die in leidenschaftlichem Entzücken bebten, flüsterte er ihr die Worte wie beschwörend zu.

      Ein grosser, erstaunter Blick traf ihn.

      „Nein, in solch grossem Irrtum wird sie sich nie befinden!“

      „Komtesse, — wenn jene wunderschöne Sultanstochter so kühl und abweisend zu dem armen Asra,