Der Bauer in der Au. Rudolf Stratz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rudolf Stratz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711507339
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die Viertelstund’ schon noch schaffen! Komm nur, Fannerl!“

      4

      „Bist glei’ stad, Scheckele!“ schrie die Marei im Stall die Leitkuh an, vor der sie auf einem niedrigen Schemel hockte. Zwischen ihren Fingern rann der dünne, weisse Milchstrahl aus den Euterzitzen in den Melkeimer. An den beiden Enden der langen Rinderreihe plätscherte es ebenso. Dort sassen die Katrein, die alte Sennerin, und der alte Wastl. Der Simon holte armweis. Bergheu aus dem nahen Stadel und warf es den Viechern vor, die heute nicht zum Weiden gekommen waren.

      Das behagliche Malmen der Kühe füllte die würzig-warme Dämmerung, durch die nur die gelben Lichtkreise der drei Stallaternen glommen. Undeutlich klang dann und wann eine Almglocke, wenn eines der Tiere schattenhaft die Hörner bewegte. Die eisernen Stallketten klirrten. Die Marei schob beim Melken ihr Licht zurecht, dass ein greller Streifen über ihr hübsches, braunes Gesichtel fiel, und schrie, zornmütig die Zitze pressend:

      „So a damischer Stadtfratz — so a damischer! Bist dann narrisch g’worden, Mutter? Wer hat dann der Mutter g’schafft, Wastl, dass sie so a traurige Gans auf d’ Alm lasst!“

      „Ja mei!“ sagte der Alte.

      „I tät’ der an deiner Stell’ an Schwung geben, dass sie nach Minka heimkimmt!“

      „Das Fräulein is ganz fei’ und still. Die sitzt draussen vor der Hütt’!“

      „Und wo is der Bauer? Warum schaugt er denn nit hier nach seiner Sach’?“

      „Geh — halt’s Mäu!“ Die alte Katrein rappelte sich steifbeinig vom Melkstuhl auf und wackelte durch die Tür nach vorn in die Kuchl, wo die Latschenzweige im Herd prasselten. Am Feuer sass der Loderer, der alte Berggänger, mit seinem vergilbten Ruckfack. Jetzt im Frühjahr hatte er weisse Enzianwurzeln darin — zum Schnapsansetzen bei den Bauern — verboten war’s freilich, das Enzianausraufen — und Klumpen gelbes Fichtenharz — fei’Obacht: die Waldherren haben’s gar nicht gern, wenn ihnen aus den Kerbschnitten in den Bäumen der Maisaft quillt! — und zuunterst — braucht der Schandarm gerad’ net zu schauen — ein paar geräuberte Katzenfelle.

      Der Loderer hatte einen weisshaarigen Geierkopf, braun wie eine Nuss. Ein langer, weisser, vom Tabaksaft an der Wurzel gelber Schnurrbart hing ihm über den zahnlosen Mund. Der runzelte sich in verschmitzten Fältchen.

      „Draussen sitzt der Vogl-Bauer, Katrein . . . “

      „Aber net allein!“ Die Alte rieb still kichernd Schmalz in die Pfanne und holte die Salztüte aus dem Kastl.

      „Er hat mich net g’spannt, wie ich im Dunkeln vorbei bin.“ Der Loderer kniff listig das eine wässerige Auge zu. „Aber was i g’sehn hab’, hab’ i g’sehn!“

      „So? Schleckt er sie schon ab — die ausg’schamte Hennen?“ Die Marei kam mit einer Kanne kuhwarmer Milch herein und stellte sie auf den Fichtentisch, dass es krachte und die weissen Tropfen ihr in das braune Gesicht spritzten. Sie wischte sie zornig mit dem Handrücken ab. „Da lässt sich der Vogl net lang bitten! Den kennt man auf zehn Stunden rundumadum — den Bauer! . . . Die Lall’n aus Minka — die hat uns gerad’ auf der Alm g’fehlt!“

      Die Tür schmetterte ins Schloss. Die Marei schlurfte mit heissen, ein wenig feuchten Schwarzaugen in den Stall zurück. Dort rannte sie im Gang gegen eine dunkle Gestalt.

      „Jesses — der Simon — was stehst denn du da den Leut’n im Weg?“

      „Ich wart’, ob ich dir noch a bissel helfen kann . .“

      Das stille, immer etwas gedrückte Gesicht des Vogl-Simon verschwamm im Dämmern. Die Marei hörte nur seine weiche und gutherzige Stimme. Dann tastete etwas an ihrem Arm und suchte ihre Hand und kriegte sie zu fassen.

      „Gift’ di net so, Marei!“

      „Dös geht di an Dreck an!“

      „Kennst ja den Flori . . . “

      „Freili! Stroh brennt leicht!“

      „Er is halt, wie er is!“

      „Aber so schnell hat’s noch nie net bei ihm gebrannt!“

      „Es hat ja noch mehr Mannsbilder, Marei!“

      „Was d’ net sagst . . . “

      „. . als wie zum Beispiel ich!“

      „Ja. Du!“ Die Marei lachte.

      „Was der Flori kann, sell kann ich auch! Wir können uns gerad’sogut wie die Zwei draussen vor die Hütten setzen, bis die Katrein den Schmarrn fertig hat . . . “

      Er wollte die Marei sanft an der Hand nach dem Stalltor ziehen. Die Almdirn war bald so kräftig wie er. Sie riss sich los und stemmte feindselig die Fäuste in die Hüften.

      „I hab’ kei’ Zeit! I muss mi jetzt wasch’n!“

      Aber als sie das in ihrem ebenerdigen Verschlag neben dem Kuhstall getan und das Waschwasser aus dem Fenster gegossen hatte, kletterte sie selber hinterher hinaus in die Nacht. Die paar hundert Kuhhufe hatten schon den Platz zwischen der Hütte und dem hohlen Baumstamm der Bergbachtränke in einen zähen Morast verwandelt. Durch den stapfte die Marei lautlos in ihren Holzpantinen um die Ecke und äugte wie eine Katze in der Nacht nach vorn.

      Da sah man, sobald das Auge sich an die Dunkelheit gewöhnt hatte, zwei Schatten. Die sassen eng beisammen. Jetzt neigten sie sich zueinander. Jetzt wieder . . . .

      „Ja — busselt’s euch nur . . . “ keuchte die Marei. Plötzlich fuhren die beiden schwarzen Umrisse hastig nach rechts und links. Eine grelle Lichtbahn fiel aus der geöffneten Tür auf sie. Von der Schwelle rief die Katrein:

      „’s Nachtessen is!“

      Die alte Almerin sah mit ihrem zerstrubbelten Grauhaar, dem grauwollenen Janker und den weit gebauschten, dreckigen Leinenhosen wie ein verwilderter Bergzwitter aus — ob Mann, ob Frau, nicht zu unterscheiden. Und ebenso hatte die braune Marei die blossen Füsse in den überschlammten Holzpantoffeln stecken, und auf ihren weissen Sennerinnenhosen hatten die Schwanzschläge der Kühe schon ganze farbige Landkarten gemalt.

      Hingegen das hergelaufene Schankmadl aus München — die Stalldirn musterte giftig ihr Gegenüber — so eine tat sich leicht! Die war sauber beisammen. Die hatte ein Jäckchen aus grauem Loden an, mit grossen Hornknöpfen, und einen kurzen, feschen, grauen Rock und ein rotes Band um den Hals. So sass sie, dunkeläugig, mit einem zufriedenen, weichen, blassen Gesichtl, neben dem Vogl-Bauer, und lächelte alle der Reihe nach freundlich an und sagte recht lieb und warm:

      „Aber schön ist’s bei euch heroben!“

      Der Flori nahm sich als der Bauer zuerst aus der Schüssel. Jetzt wäre sein Bruder, der Simon, an der Reih’ gewesen. Aber er schob den rauchenden Schmarrn mit einem ritterlichen Handgriff dem Münchner Kindl vor die Stupsnase. Die ass nur wie ein Kanarienvogel und leckte dann den Blechlöffel ab und legte ihn nebenher und sprach sanft:

      „So schön hab’ ich mir’s nit vorgestellt . . . “

      Das glaub’ ich, du fade Moll’n! dachte die Marei. Sie kam zuletzt daran.

      „ . . . Da möchť man gleich die Händ’ falten und beten!“ fuhr das Münchner Fräulein fort.

      Dein Beten kenn’ ich . . . dachte sich die Marei. Sie hatte den linken Ellbogen auf den Tisch gestützt und den Schwarzkopf in die linke Hand und löffelte sich erbittert mit der Rechten die Brocken ein. Der Flori wischte sich den Schnurrbart. —

      „Alsdann, Katrein . . . dass d’ mir fei’ auf das Fräulein Blumetsrieder aufpasst . . . “

      Ja . . . dein notiges Fannerl . . . Die Marei lachte zornmütig vor sich hin . . .

      „ . . . dass sie sich net verkühlt und net beim Blumenpflücken sich derfallt . . . und der Stier ihr nix tut . . . “

      „Unten