„. . einer bescheidenen Putzmacherin gleich mir, nach Mainz zurück und empfehle mich dem hohen Herrn Rheinbundfürsten zu Gnaden . . .“
„Sie weisen das standesgemässe Geleit ab, das ich Ihnen biete?“
„Es wäre für mich zu viel der Ehre! Ich verabschiede mich mit untertänigstem Kompliment von meinem Herrn Landesvater . . .“
Der Mars im Sattel oben unterdrückte einen Lagerfluch. Er hieb seinem Mecklenburger den rechten Sporn in die Weiche und stob im Galopp davon. Sein Pantherfell flatterte. Der Reiherstutz wehte. Der Türkensäbel tanzte. Die Gräfin Eliza nickte ihm, befriedigt die kleinen, weissen Zähne zeigend, nach und schaute um sich. Die goldbetressten Hüte des Marschalls Lacroux und seines Gefolges dunkelten weit da drüben aus einem weissen und blauen Gewoge sächsischer und bayrischer Offiziere. Aber dicht vor der jungen Praunheim war aus dem Staub des Bodens eine düstere Gestalt in Ottermütze und Elenwams, mit juchtenen Waldstiefeln, aufgewachsen. Die wetterbraunen Züge des Kandidaten Juel Wisselinck färbten sich fahl. Er hatte die Arme über der Brust gekreuzt. Er mass die Reichsgräfin aus seinen wilden blauen Augen vom Hutband bis zur Schuhschleife.
„Napoleonsmagd . . .“ sprach er.
Die Gräfin Eliza verschränkte wie er die Arme über der Brust und hielt fest seinem Blick stand.
„Was geht das Ihn an?“ fragte sie hochmütig.
„Oh — ich weiss es . . Es sprach sich schon im Krug herum. Sie stammen aus einem regierenden Hause, das sich Praunheim nennt . .“
„. . . seit Karls des Grossen Tagen, mein Herr!“
„Es soll viele solche Zaunkönige da draussen im Reiche geben!“
„Aber keinen vornehmeren als wir . .“
„Um so schimpflicher, dass Sie sich zur Erde bücken, dem Eroberer die Schuhriemen zu lösen! Das ist das deutsche Mädchen, das ich in Ihnen sah! . . Das ist die Patriotin vom Rhein, die ich bewunderte! . . Blutiger wurde noch nie ein Mann enttäuscht! . . Mein Herz ist voll Bitterkeit, Madame, weil ich es zu früh und freimütig erschloss . . .“
„Lassen Sie jedem seine Art zu leben!“ sagte die Standesherrin kühl. Der junge Mann lachte auf.
„Kniet nur vor dem apokalyptischen Tier!“ sprach er grimmig. „Betet ihn an, den kleinen, fetten Zauberer, der keine Schlacht verliert! Wissen Sie, wie es in dem Trauerspiel des Herrn Professor Schiller heisst: ,Ich verachte dich — ein deutscher Jüngling!’ Ich bin ein Preusse . . .“
„Und was ist Preussen?“ Die Reichsgräfin vom Rhein reckte kampflustig den hübschen, braunen Kopf. „Euer Preussen, mein Herr, war! Es ist nicht mehr! Sein König musste sich Napoleon unterwerfen, sein Heer ist zerschellt, sein Adel gebrochen, sein Land verwüstet, seine Kassen leer, seine Städte vom Feind besetzt! . . . . Was hat es noch für einen Sinn, Preussen zu dienen — mit Lebensgefahr zu dienen — wie Sie?“
„Das weiss, ich auch nicht!“ sagte Juel Wisselinck.
„Nun also . . .“
„Ich tu’ es eben!“
„Mon Dieu — warum?“
„Weil ich muss!“
„Weshalb müssen Sie?“
„. . . weil ich ein Preusse bin . . .“
„Das geht im Kreise herum!“ sagte die junge Krähensteinerin. „Das beisst sich wie die Schlange in den Schwanz! . . . Nun — halte Monsieur das, wie es Ihm beliebt — was liegt mir an Preussen?“
„Gar nichts?“
„Wahrlich nichts, mein Herr! . . Ich bin selbst Souveränin, so gut wie Ihr König!“
„Warum haben Sie mich dann an der Weichsel gerettet?“
Die Gräfin Praunheim schwieg und betrachtete die Radspuren Napoleons im Staub.
„Warum haben Sie mich vorhin vor den Kreaturen der Pariser Polizei gewarnt?“
Eliza Praunheim schaute immer noch auf eine kleine Vertiefung in dem Staubmehl des Bodens. Das war die Stelle, wo sie vor dem Kaiser der Franzosen gekniet.
„Ich weiss es wirklich selber nicht!“ sagte sie, ohne den Blick zu erheben.
Es kam keine Antwort. Endlich schaute sie auf. Sie stand allein. Der Mann im Elenwams ging, schon zwanzig Schritte von ihr entfernt, die Heerstrasse dahin — weiter — immer weiter — ohne den Kopf zu wenden, zwischen den Lagervölkern Napoleons hindurch — und entschwand ihrem Blick.
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