»Ich werde an deine Worte denken. Aber ich glaube doch, dass ich nicht vergeblich warten werde. Du wirst es schon erleben.« Ein zärtliches Leuchten glänzte in Hannas Augen auf.
»Und was macht dieser Herr Berkel beruflich, Hanna?« Fragend sah Kay seine Schwester an.
»Knut Berkel ist im Bankgewerbe tätig, Kay. Aber welche Position er bekleidet, entzieht sich meiner Kenntnis, darüber haben wir noch nicht gesprochen. Im Augenblick ist es auch nicht wichtig«, gab Hanna zurück. »Morgen kommt er bestimmt und bringt seinen Jungen. Er weiß, wie wichtig die Untersuchungen für Sven sind.«
*
Am nächsten Vormittag, als Hanna und Kay gerade die Visite hinter sich gebracht hatten, wurde Hanna Martens durch Martin Schriewers die Ankunft von Knut Berkel und Sohn gemeldet.
»Bitte, bringen Sie Herrn Berkel mit seinem Sohn zu mir und meinem Bruder ins Sprechzimmer, Martin«, bat Hanna.
Mit klopfendem Herzen wartete sie dann, bis es an der Tür pochte, Martin Schriewers die Tür öffnete und sagte: »Herr Berkel und Sohn, Frau Doktor.«
»Tante Hanna, Tante Hanna, da bin ich«, kam es von den Lippen des Achtjährigen, und er lief auf Hanna zu und warf sich in ihre Arme.
Über den Kopf des Jungen hinweg sahen sich Hanna und Knut an, und Hanna sah, wie es in seinen Augen jäh aufleuchtete.
»Hab ich doch gesagt, dass wir uns in einer Woche wiedersehen, mein Kleiner«, sagte Hanna nun liebevoll zu dem Achtjährigen und fuhr ihm mit einer zarten Geste über das schwarze Haar. Danach reichte sie Kurt ihre Hand und sagte mit verhaltener Freude in der Stimme: »Schön, dass Sie Sven bringen, Knut. Darf ich Ihnen meinen Bruder Kay vorstellen?« Lächelnd wies sie auf Kay, der mit wachen Augen die Begrüßung zwischen Hanna, dem Jungen und dessen Vater beobachtet hatte und Knut nun seine Rechte entgegenstreckte.
»Guten Morgen, Herr Berkel, ich freue mich, Sie kennenzulernen. Meine Schwester hat mir schon ausführlich von Ihnen und dem Problem Ihres Jungen berichtet.«
»Guten Morgen, Herr Dr. Martens. Ich bin so froh, dass ich meinen Jungen zu Ihnen in die Klinik bringen durfte. Sag dem Herrn Doktor auch schön guten Morgen, Sven«, forderte er mit leise mahnender Stimme seinen Jungen auf.
Mit auf dem Rücken verschränkten Händen stellte sich der Achtjährige einen Moment vor Kay hin und sah ihn ernsthaft an.
Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er streckte Kay seine rechte Hand entgegen und sagte mit treuherzigem Blick: »Guten Morgen, Herr Doktor. Sie sind in Ordnung, ich mag Sie. Ich bin der Sven. Tante Hanna hat gesagt, dass Sie mich wieder gesund machen können?«
»Soso, du bist also der Sven. Du gefällst mir auch. Aber mit dem gesund machen, das geht nicht so rasch. Da musst du schon eine Weile hier bei uns in der Klinik bleiben. Wirst du das auch wollen?«
»Ja, sicher will ich das. Da kann ich doch jeden Tag Tante Hanna sehen. Ich habe die Tante Hanna nämlich ganz doll lieb.«
»Fein, Sven, dann werden wir jetzt Schwester Laurie rufen. Sie wird dich schon einmal nach oben in ein hübsches Krankenzimmer bringen und dir helfen, deine Sachen auszupacken. Tante Hanna und ich müssen noch etwas mit deinem Vati besprechen, danach kommen Tante Hanna und er zu dir hinauf. Du kannst ihnen dann ja sagen, ob es dir hier bei uns auf Birkenhain gefällt … Einverstanden?«
Während seiner Worte hatte Kay schon auf einen Knopf gedrückt, der eine Schwester herbeirief. Es war Schwester Dorte, die kurz darauf das Sprechzimmer betrat.
»Schicken Sie mir bitte Schwester Laurie, Schwester Dorte. Sie möchte einen kleinen Patienten hier unten bei mir abholen. Sie soll Sven schon hinauf in sein Zimmer bringen.«
Es dauerte nur wenige Minuten, und Schwester Laurie betrat nach kurzem Anklopfen das Sprechzimmer.
Mit einem fröhlichen Lachen trat sie auf Sven zu und sagte: »Ich bin Schwester Laurie. Möchtest du mir nicht sagen, wie dein Name ist?«
»Ich bin doch der Sven«, antwortete der Achtjährige freimütig.
»So, du bist der Sven. Was meinst du, wir werden uns doch wohl vertragen, nicht wahr? Ich kann schöne Geschichten erzählen. Jetzt zeige ich dir aber zuerst, wo du in der nächsten Zeit wohnen wirst. Kommst du mit mir?« Lustig blinzelten ihre Augen ihm zu, und vertrauensvoll legte er seine kleine Hand in die ihre und verließ mit ihr das Sprechzimmer.
Einen Moment sahen die Zurückbleibenden den beiden nach, dann stellte Kay dem Vater des Jungen einige Fragen und machte sich Notizen zu den Antworten.
»Wann werden Sie wissen, was genau meinem Jungen fehlt, Herr Dr. Martens?«, fragte Knut, nachdem alles Wichtige besprochen worden war.
»Zwei Tage werden die Untersuchungen schon in Anspruch nehmen, Herr Berkel. Wir wollen Ihren Jungen ja mit den anstehenden Untersuchungen nicht überfordern. Aber so weit es Ihre Zeit erlaubt, können Sie Sven zu jeder Zeit und so lange Sie wollen besuchen.«
»Ich danke Ihnen, Herr Dr. Martens. Ich werde das natürlich ausnutzen, denn ich habe mir noch eine Woche Zeit genommen, in der ich, sooft es geht, bei meinem Jungen sein möchte. Sollte Sven länger hierbleiben müssen, kann ich nur noch einmal während der Wochentage und dann an den Wochenenden kommen. Aber durch Ihre Schwester weiß ich, dass mein Sven hier bei Ihnen beiden auf Birkenhain gut aufgehoben ist, und vor allen Dingen, dass alles für ihn getan wird.«
»Darauf können Sie sich verlassen, Herr Berkel. Wir haben mit unserem Dr. Dornbach auch einen ausgezeichneten Kardiologen als Mitarbeiter. Sie werden Dr. Dornbach in den nächsten Tagen kennenlernen, und er wird Ihnen gefallen. Fürs Erste wäre damit alles besprochen. Meine Schwester wird Sie jetzt zu Ihrem Jungen hinaufbringen. Bist du so lieb, Hanna?«
»Natürlich, Kay«, antwortete Hanna, und zu Knut sagte sie lächelnd: »Kommen Sie, Knut. Sie wollen ja sicher selbst sehen, wo Sven untergebracht worden ist.«
»Natürlich gern, Hanna. Aber können Sie mir vielleicht einen Tipp geben, wo man hier in der Nähe der Klinik übernachten kann?«
Während er nun an Hannas Seite das Sprechzimmer verließ, hörte Kay noch, wie sie antwortete: »Im Heidekrug drüben im Ort werden Sie ein Zimmer finden, Knut.«
Nachdenklich sah Kay auf die Tür, die sich hinter Hanna und Knut Berkel geschlossen hatte. Das also war der Mann, an den seine Schwester ihr Herz verloren hatte. Kay gestand sich ein, dass Knut Berkel ein sehr gut aussehender Mann war und dazu noch eine äußerst sympathische Ausstrahlung besaß.
Er konnte Hanna schon verstehen, dass sie sich in diesen Mann verliebt hatte. Und auch sein Sohn, der achtjährige Sven, war ein netter und für sein Alter sehr aufgeweckter Junge, dem man ansah, dass er sehr an Hanna hing. Aber Kay war auf der anderen Seite realistisch genug, um zu erkennen, dass, wie immer die Geschichte zwischen Hanna und Knut Berkel weitergehen würde, es noch zu Schwierigkeiten kommen konnte. Kay konnte es sich nämlich einfach nicht vorstellen, dass Hanna so einfach auf ihre Arbeit, in der Klinik verzichten würde. Aber wiederum war es wohl ziemlich verfrüht, sich schon zu diesem Zeitpunkt darüber Gedanken zu machen. Man würde abwarten, was daraus wurde. Es war allein Hannas Angelegenheit. Es stand ihm nicht zu, sich da in irgendeiner Weise einzumischen.
*
»Sie leben hier in der Heide sehr schön, Hanna«, sagte Knut, als er neben Hanna die Treppe zur Krankenstation hinaufging. »Einen Augenblick dachte ich sogar, dass ich mich vielleicht verfahren hätte. Birkenhain sieht von außen nicht so aus, als würden sich im Inneren kranke Kinder aufhalten. Auf mich wirkt es eher wie ein verwunschenes Märchenschloss.«
»Märchenschloss ist ein schöner Vergleich, Knut. Fehlt eigentlich nur die Prinzessin darin, oder?« Mit einem schelmischen Lächeln sah Hanna Knut von der Seite an. Ebenso lächelnd erwiderte er darauf: »Sind Sie so sicher, Hanna, dass sich wirklich keine Prinzessin hier im Gebäude befindet?«
Er sah Hanna