»Ja, das werde ich, Herr Berkel. Jetzt schreibe ich Ihnen ein Medikament für den Jungen auf, das Sie ihm aus der Apotheke holen. Während Sie zur Apotheke fahren, bleibe ich noch bei Ihrem Sohn, wenn es Ihnen recht ist.«
»Ob es mir recht ist, fragen Sie, Frau Doktor? Ich muss Ihnen für Ihre Freundlichkeit danken.«
»Ich tue es gern, Herr Berkel. Sie brauchen mir nicht zu danken. Fahren Sie schon, damit Ihr Junge seine Medizin bekommt.«
»Schön brav sein, Sven, ich bleibe nicht lange fort«, sagte Knut Berkel zu seinem Jungen, dann war Hanna mit ihm allein.
»So, kleiner Mann, was wollen wir zwei machen, bis dein Vati zurückkommt? Was machst du denn immer mit deinem Vati?«
»Wir spielen Mensch ärgere dich nicht, dann malen wir zusammen Bilder und spielen mit meinen Autos, die ich von daheim mitgenommen habe, Frau Doktor.«
»Gut, dann spielen wir jetzt eine Runde Mensch ärgere dich nicht, magst du? Und sag nicht Frau Doktor zu mir, du darfst mich Tante Hanna nennen, wenn du magst.«
Mit glänzenden Augen nickte der Achtjährige, und bald darauf waren sie so in das Spiel vertieft, dass sie sogar die Rückkehr von Knut Berkel überhörten.
Ein Weilchen verhielt Knut sich still und sah den beiden zu. Es war ein schönes Bild, der schwarzhaarige Bubenkopf und das lange blonde Haar dieser jungen, hübschen Ärztin so dicht nebeneinander in das Brettspiel vertieft. Er sah auch, wie die Augen seines Jungen in Gesellschaft der jungen Ärztin glänzten. Es zeigte ihn mit einem Mal überdeutlich, was dem Jungen seit längerer Zeit fehlte.
Auf einmal sah der Junge hoch und rief mit strahlenden Augen: »Vati, du bist schon zurück? Schau nur, ich habe Tante Hanna geschlagen, ich habe gewonnen.«
»Aber, Sven, du kannst Frau Dr. Martens doch nicht einfach Tante Hanna nennen.«
»Kann ich doch, Vati, Tante Hanna hat es mir selbst gesagt. Es stimmt doch, nicht wahr, Tante Hanna?« Treuherzig sah der Achtjährige Hanna an.
»Es stimmt, Herr Berkel, es ist mir auch lieber so. Ich bin hier, um mich zu erholen, und wenn der Junge mich Frau Doktor nennt, dann klingt es so streng. Aber ich möchte Sie nun nicht länger stören. Sie möchten jetzt sicher gern mit Ihrem Jungen allein sein. Das Medikament haben Sie bekommen, nicht wahr?«
»Ja, ich werde ihm sofort davon geben. Aber ich hätte da noch eine Frage.«
»Ja, bitte, fragen Sie.«
»Darf ich mit dem Jungen weiter spazieren gehen?«
»Ja, Herr Berkel. Achten Sie nur darauf, dass er sich dabei nicht überanstrengt. Lassen Sie es langsam angehen.«
»Ich habe Sie in den vergangenen Tagen mehrfach gesehen, Frau Dr. Martens. Darf ich Sie zu einem gemeinsamen Spaziergang einladen? Aber nur, wenn Sie nicht allein bleiben möchten. Ich will mich Ihnen auf keinen Fall aufdrängen.«
»Ich nehme Ihre Einladung gern an, Herr Berkel. Warum sollen wir nicht gemeinsam einen schönen Spaziergang unternehmen? Außerdem mag ich Ihren Jungen. Da ich ihn für die nächsten vierzehn Tage hier ärztlich betreue, fühle ich mich ein wenig verantwortlich für ihn. Wenn es Ihnen recht ist, treffen wir uns am Strandcafé. Sagen wir, nach der Mittagsmahlzeit. Ist es Ihnen recht?«
»Gern, also abgemacht, um vierzehn Uhr am Strandcafé«, entgegnete Knut Berkel erfreut, und Hanna bemerkte, dass es dabei in seinen Augen aufleuchtete.
»Auf Wiedersehen, Tante Hanna«, sagte Sven mit glänzenden Augen, als Hanna sich von ihm verabschiedete, und Knut Berkel hielt ihre Hand ein wenig länger fest, und in seinen Augen erschien für Sekunden ein Ausdruck, der ihr Herz zum Klopfen brachte.
Es war noch nicht spät, aber für diesen Tag blieb Hanna in ihrem Zimmer in der Pension, und ihre Gedanken beschäftigten sich noch einmal mit der Begegnung mit Knut Berkel und seinem kranken Jungen. Als sie sich sein Bild vorstellte, begann ihr Herz heftig zu pochen. Sie fragte sich, was denn auf einmal mit ihr los wäre. Hatte dieser Mann einen so nachhaltigen Eindruck auf sie gemacht?
Gegen zwanzig Uhr klopfte es an Hannas Zimmertür. Auf ihre Aufforderung zum Eintreten kam Amelie, die zwölfjährige Tochter der Pensionsinhaberin, ins Zimmer.
»Ja, bitte, Amelie, was möchtest du?«, fragte Hanna freundlich.
»Mutti schickt mich, Frau Doktor. Sie lässt fragen, ob Sie mit uns zu Abend essen möchten. Mutti würde sich sehr darüber freuen.«
Einen Augenblick zögerte Hanna, dann aber sagte sie lächelnd: »Ich komme gern, wenn ich deiner Mutti keine Mühe mache. Hat deine Mutti auch gesagt, wann?«
»Ja, jetzt gleich, Mutti hat den Tisch schon gedeckt.«
»Gut, Amelie, ich komme sofort hinunter.«
Wenig später saß Hanna mit am Tisch.
»Schön, dass Sie noch einmal herunterkommen, Frau Dr. Martens. Ich habe Sie zufällig so früh zurückkommen sehen. Da Sie nicht mehr fortgingen, haben Sie auch noch nicht zu Abend gegessen. Ich bereite immer reichlich vor, damit auch meine Gäste Gelegenheit haben, hier im Haus zu essen. Ich hoffe, Amelie hat Sie nicht gestört.«
»Sie haben mich nicht gestört, und ich danke Ihnen für Ihr freundliches Angebot. Ich nehme es gern an.«
Es waren noch ein Ehepaar und ein junger Mann am gemeinsamen Abendbrottisch, und Hanna verlebte mit ihnen und den Wirtsleuten noch eine angenehme Stunde nach der Mahlzeit, in der man sich angeregt unterhielt.
*
Als Hanna am nächsten Tag kurz vor vierzehn Uhr die Stufen zur Terrasse des Strandcafés hinaufging, hörte sie eine helle Jungenstimme rufen: »Hier sind wir, Tante Hanna.«
Nun sah Hanna Vater und Sohn und hob winkend ihre Rechte. Erneut klopfte ihr Herz ein wenig rascher, als sie auf den Tisch zuging, an dem Knut Berkel mit seinem Sohn Sven saß.
Der junge Mann erhob sich und begrüßte sie herzlich. Lächelnd sagte er: »Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, Frau Dr. Martens. Wenn es nach Sven gegangen wäre, hätte er am liebsten seinen Mittagsschlaf nicht eingehalten, um Sie ja nicht zu verpassen.«
»Ich habe gesagt, dass ich komme, und wenn ich etwas zusage, dann komme ich auch, Herr Berkel«, gab Hanna mit ihrer dunklen Stimme zurück und fuhr Sven über das Haar.
»Und du, kleiner Mann, wie geht es dir heute?«
»Ich habe heute schon zwei Mal meine Medizin genommen, Tante Hanna und geschlafen habe ich heute Mittag auch. Ich bin überhaupt nicht müde.«
»Fein, so soll es auch sein, Sven, denn wir werden jetzt einen schönen Spaziergang machen. Die frische Luft wird dir guttun.«
»Erst noch ein Eis essen, hat Vati gesagt.«
Hanna sah Knut Berkel fragend an, und dieser sagte lächelnd: »Ich habe es dem Jungen versprochen, Frau Dr. Martens. Darf ich Sie zu einer Tasse Kaffee einladen? Spazieren gehen können wir anschließend.«
Hanna zierte sich nicht und lächelte zustimmend. Höflich schob Svens Vater ihr einen Stuhl zurecht und winkte dann die Kellnerin herbei, um die Bestellung aufzugeben.
»Darf es vielleicht auch noch ein Stück Torte sein?« Fragend sah er Hanna an.
»Danke, nein, Herr Berkel, nur einen Kaffee. Ich habe erst vor einer knappen Stunde zu Mittag gegessen«, wehrte Hanna ab.
Knut bestellte daraufhin für Hanna und sich Kaffee und für Sven einen Eisbecher.
»Geht es ihm wirklich heute einigermaßen, Herr Berkel?«, wollte Hanna mit leiser Stimme wissen, während sich der Junge mit seinem Eisbecher beschäftigte.
»Er ist heute eigentlich recht munter, und ich bin auch ein wenig beruhigt, da er ja jetzt Medikamente bekommt. Aber ich weiß auch, dass das keine Dauerlösung ist. Der Junge hatte sich so auf den Urlaub mit mir gefreut, da bringe ich es nicht übers Herz, die schönen