Lebende Blumen. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9788711472859
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      Da wimmelt der fröhliche Zug die gewundene Strasse herauf.

      Die flotten kleinen Zerevismützen keck auf dem Scheitel, das bunte Band über der Brust und den derben Stock oder Schläger im Arm, so wandern die lustigen Brüder ihrer alten Freundin, der gastlichen Rudelsburg, entgegen.

      In hellen Haufen schliessen sich die Spaziergänger den fröhlichen Festschmarotzern an, und wenn es auch beinahe als eine Unmöglichkeit erscheint, dass der Burghof und die wenigen gedeckten Räume umher die Scharen der Hungrigen und Durstigen alle aufnehmen kann, ohne dass der Wirt an allen Vorräten bankerott macht, so schieben doch unaufhörlich neue Gruppen vergnüglicher Wanderer nach, dem Studentenfest die nötige Folie zu geben.

      Ein paar Equipagen schliessen sich dem Zug an, nicht in respektabler Entfernung wie sonst üblich, um nicht von den Staubtrompen eingekrustet zu werden, sondern beinahe zur Seite der Marschierenden. Denn über Nacht ist ein ergiebiger Regen gefallen, welcher die knirschenden Wölklein gelöscht und die ganze Welt ringsum in köstlich duftende Frische gebadet hat.

      Zwei Wagen folgen dicht aufeinander, denn sie gehören zusammen.

      Alle Wetter!

      Einer der kecken Brüder Studio hat laut kommandiert: Augen rechts! — als er einen neugierigen Blick auf die Insassen der Gefährte geworfen. So haben es die flotten Burschen gern! Ein reizendes Mädchengesicht neben dem anderen!

      Die duftigen Sommerkleider von zarten Farben, ein elegantestes Gemisch von indischem Mull, Spitzen, Einsätzen und Stickereien, verraten, dass die jungen Damen der Gesellschaft angehören, denn nicht nur die Kleider allein, sondern die vornehme schicke Art, wie sie getragen werden, bestimmen ihren Wert.

      Unter den grossen, reichgarnierten Hüten, welche den Köpfchen eine so entzückende Folie geben, lächeln sehr amüsiert, aber doch voll feiner Zurückhaltung die rosigen Gesichter, und der Blick des Kenners wandert unschlüssig hin und her, um der Schönsten die Palme des Sieges zu verleihen.

      Von allen Reizen gerad die besten nur!

      Welche vereint sie alle in sich?

      Hie ein bisschen — da ein bisschen ...

      Wahrlich, die Wahl, die Qual!

      Wer sind die Damen?

      Ein mobiler „Fuchs“, welcher den Namen „Hans in allen Ecken“ erhielt, weil er überall herumpirscht und alles und jedes auswittert, hat es längst in Erfahrung gebracht.

      Schon drunten in Bad Kösen, wo die Herrschaften im Hotel zum „Mutigen Ritter“ abgestiegen sind!

      „Wer ist es?“

      „Der Inhaber grosser Kunst- und Handelsgärtnereien, allbekannte beste Firma, Herr Kommerzienrat Tobias Maximilian Eicklingen mit Gattin und Töchtern.

      Einer der „alten Herren“, Herr Doktor Rolf Eicklingen, welcher heute an dem Kommers auch teilnehmen will, hat seine Anverwandten, welche auf einer Reise durch Thüringen begriffen sind, veranlasst, sich das eigenartige Leben und Treiben auf der Rudelsburg im Zeichen des Couleurstudenten einmal anzusehen.

      Die eine der jungen Damen soll auch in Würzburg seit zwei Semestern studieren.

      „Was der Tausend! Ärztin?“

      „Na ja, was man so Fräulein Doktor nennt. Nicht aus zwingender Notwendigkeit oder wilder Passion, sondern weil es dem reichen Mädel Spass mach, mal zu zeigen, was ’ne Harke ist!“

      „Also eine Illustration zu: O Eitelkeit, dein Name ist Weib!“

      „Wie man’s nehmen will, — jedenfalls trägt sie auf dem kurzgeschnittenen Haar einen Herrenhut, und ihr fussfreies Kostüm weist durch die kecke kleine Joppe etwas stark den Sportschnitt auf!“

      „Würde beim Reiten also gewiss auch im Herrensitz den Sattel besteigen!“

      „Die im zweiten Wagen, auf dem Kutschbock! — Hübsches, lustiges Gesicht!“

      „Es ist doch noch ein Platz in der Equipage frei! Warum muss sie sich neben den Kutscher setzen?“

      „Sie fährt selber!“

      „Zu schade, dass bei den Damen die ernste Wissenschaft so oft mit burschikosem Wesen Hand in Hand geht!“

      „Warum eigentlich? — Es ist doch viel rühmlicher, wenn eine Dame als ganzes Weib viel leistet, anstatt als halber Mann?!“

      „Das stimmt! Durch Äusserlichkeiten wird die Kluft, welche die Geschlechter trennt, doch nicht überbrückt?!“

      „Das kurze Haar mag für eine Ärztin sehr praktisch sein, das gibt jeder zu, denn bei nächtlichen Konsultationen, wo es oft auf die Minute ankommt, bleibt für Toilette machen keine Zeit!“

      „Auch die Joppe streift sich wohl schneller an, wie eine moderne Taille mit hunderttausend Druckknöpfen, Haken und Öschen!“

      „Warum soll es ihr nicht Ernst mit dem Studium sein?“

      „Doktor Eicklingen will wohl nur etwas vorbeugen, falls das Examen nicht cum laude ausfällt!“

      „Na ja, dann war es halt nur Spass!“

      „Wenn nicht, wie bei so vielen anderen Mädels, das bittere Muss dahintersitzt und den vollen Ernst des Lebensunterhaltes fordert, tändelt man gern ein bisschen in den Hörsälen herum!“

      „Wollen mal sehen, ob wir uns nachher an die Mädels heranschlängeln können!“

      — — — Vor dem „Mutigen Ritter“ hatten noch mehrere Equipagen bereitgestanden.

      Doktor Rolf hatte soeben von einem der Arrangeure erfahren, dass noch etliche andere „alte Herren“-Mitglieder der Verbindungen, welche vor etlichen Jahren studiert hatten, an dem Zug teilnehmen wollten.

      Aber auch im Wagen, ebenso wie er.

      Da die Herren just in das Vestibül traten, und die gemeinsamen Plätze in ein und demselben Wagen für sie reserviert waren, erfolgte sogleich die Vorstellung.

      Die Namen erklangen.

      „Doktor Eicklingen!“

      „Habe die Ehre — Landrat Bodenburg!“

      „Sehr angenehm! Rechtsanwalt Gleidingen.“

      „Freut mich von Herzen! Assessor Freiherr Dankwardt von Waldmeister.“

      Allseitiges Händeschütteln. Vivat, crescat floreat Universa!“

      Farbenbrüder.

      Rolf hatte momentan betroffen aufgeschaut, als er den Namen Waldmeister vor seinen Ohren erklingen hörte.

      Unmerklich biss er sich auf die Lippe, um nicht verräterisch aufzulachen.

      Er musste plötzlich weit zurückdenken, fünfzehn Jahre zurück, an die Taufe seiner jüngsten kleinen Nichte Cilla-Mandelblüte, von ihm aus Scherz „Mandolinata“ genannt, bei welcher eine Waldmeisterbowle getrunken und lachend des königlichen Freiers gedacht wurde!

      Auch Landrat Bodenburg lächelte amüsiert.

      „Welch ein eigenartig schöner Namen, Baron!“ verbeugte er sich. „Wieviel poetische Gedanken löst er aus!“

      „Dankwardt von Waldmeister lachte sehr animiert. „Ein famoser Namen, nicht wahr? — Er garantiert mir in jedem Kreise trunkfester Männer eine sehr sympathische Aufnahme!“

      „Bravo! Für das ewig Männliche hat der Waldmeister in Verbindung mit dem Wein als ‚geistvoller Kamerad‘ etwas sehr Seelenverwandtes, für die Damen dürfte er leicht zu ‚feurig und berauschend‘ sein!“

      Leises Gelächter.

      „Danke für das Kompliment, bester Doktor — es ist zwar ein wenig rätselhaft für mich — —“

      „So lesen Sie Roquette!“

      „Haha — Waldmeisters