„Eine medizinische Passion liegt ihr so fern wie Himmel und Erde getrennt sind.“
„Aber sie heisst nun mal Arnika, und der Vetter Student amüsiert sich, sie als kleinen Kommilitonen anzuulken. Schliesslich wird aus dem anfänglichen Scherz eine moralische Verpflichtung, eine krankhafte Einbildung: du musst das werden, was alle von dir erwarten.“
„Hoffentlich sind die Kinderseelen alle so gesund und stark, dass sie sich von Wahnideen freiringen.“
„Sie alle haben noch das schwärmerische Alter vor sich, wo schon manche Phantasterei eine unliebsame Gestalt angenommen. Gerade in der Wahl des Berufes lassen sich junge Mädchen nur zu leicht durch ihr sensibeles Empfinden in verkehrte Bahnen lenken.“
„Da ist es nicht immer der Name, welcher peinlich beeinflusst, sondern oft auch gewissenlose Ratgeber, sogenannte verständnisinnige Freundinnen oder Freunde, welche das Lebensschifflein schon von viel armen, kleinen Pilotinen in stürmische Flut hinausgetrieben haben, wo nie der verheissene sichere Rettungshafen sich ihnen aufgetan.“
„Hörten Sie nicht, wie schon jetzt Oleandras Stimme gerühmt und ihr eine grosse Karriere als Sängerin prophezeit ward?“
„Ebenso das Mal- und Zeichentalent!“
„Weil sie Lorbeerrose heisst.“
„Bei andern geschieht es vielleicht auch ohne solch bedeutungsschweren Namen.“
„Die Mutter sagte mir, dass die kleine feine Stimme des Kindes in nichts aussergewöhnlich erscheine.“
„Beachten die Fremden solch mütterliche Einsicht? Würde bei einer verblendeten Tochter die Mama jemals Gehör finden, wenn die Menge von gedankenlosen Schwätzern es dem Mädel weismacht.“
„Das Schicksal so vieler, unbefriedigter Männer und Frauen, denen ein Talent anphantasiert oder aufgezwungen ward, welches sie nicht besassen, und an welchem sie als an einem verfehlten Beruf zugrunde gingen.“
„Jedenfalls bin ich auf das äusserste gespannt, inwieweit sich diese These Ihrer Ansichten bei dem reizenden Schwesternkranz im Stadtgärtnerhaus bewahrheitet.“
„Hoffen wir das beste!“
„Unsere Wege trennen sich wohl hier, verehrtester Freund. Sie biegen, der Kürze halber, wohl allsogleich in die Augustenstrasse ab?“
„Ein Stoss von Arbeit wartet noch auf dem Schreibtisch der Erledigung. Es war ein so schöner, genussreicher Tag heute, dass ich ihn würdig beschliessen möchte.“
„Immer fleissig! Hut ab! Ich bekenne mich mehr zu den Flagellanten froher Feierstunde! Für mich ist der Tag bis zum Schluss doch nur ein angebrochener, darum will ich dem flotten Brautschauer Waldmeister in der Taufbowle den soliden Pilsener Ehemann auf die Nase setzen.“
„Also ein ‚Prost Blume‘ zum Abendschoppen!“
„In jeder Weise, für das Gärtnerhaus ein Prost ‚lebende‘ Blume!“
„Auf Wiedersehen!“
Zweites Kapitel
An der Saale kühlem Strande
Stehen Burgen stolz und kühn!
Ihre Stätten sind zerfallen
Und der Wind weht durch die Hallen;
Wolken ziehen drüber hin!
Wie das sang und jubelte!
Wie kraftvoll laut und schmetternd es aus all den vielen jungen Männerkehlen zu dem hochgewölbten, tief blauen Sommerhimmel emporschallte.
Jahrhunderte sind über die Rudelsburg dahingezogen.
Ihre Stätte ist zwar verfallen, aber das morsch zerbröckelnde Gestein ist gleich einer unsterblichen Seele immer noch zurückgeblieben.
Es redet mit unsichtbarer Zunge eine gewaltige Sprache.
Wer sie zu verstehen weiss, der setzt sich im flimmernden Mondenschein, bei dem Licht der ewigen Sterne, auf die moosigen Ruinenblöcke und lässt sich von der leis raunenden Stimme erzählen.
Sie gehört dem Wind, welcher da flüstert:
Es sitzt die Zeit im weissen Kleid
Und spinnt — und spinnt — und spinnt —
— auch hier im Reich des Vergehens und Vermoderns, all die feinen, seltsam schimmernden Fäden, aus welchen Lieb und Leid, Hass und Lust, Krieg und Frieden, arm und reich, gesund und krank die schwermütigen Menschenschicksale und die bitterernste Weltgeschichte wirken!
Ein Gewebe, von Blut, Tränen und Schweiss genetzt, oft grausig zerfetzt und angebrannt an wilden Feuersbrünsten, versengt an der Sonnenhitze im Schmelztiegel der Trübsal, und selten, sehr selten nur goldig durchstrahlt von einer Sonne des Glückes, vor welche die Wetterstürme des Kampfes immer wieder von neuem schwarze Wolkenberge türmen.
Die Liebe überwindet sie — und neue Geschlechter wachsen heran und bauen neue Luftschlösser und neue Leitern bis in den Himmel hinauf!
Die Rudelsburg hat schon viel gesehen und gehört.
Jener halbzerfallene Rundbogen am Eck drüben, von welchem man auf den Weg zur Saale herunterblicken kann, entsinnt sich noch genau, wie zum erstenmal jener flotte Reiterzug des Ritters Schenke von Saaleck von der Nachbarsburg herüberschwenkte. Sie kamen als Brautwerber, von jenem Edeln, welcher die heilige Elisabeth für den Landgraf von Thüringen aus dem fernen Ungarnlande herübergeholt hatte.
Das schöne Edelfräulein Jutta, welche hier auf der Rudelsburg, just in der Fensternische die Kunkel drehte, sollte zur Stammutter auf die Saaleck herübergeholt werden.
Frau Sage weint leise in ihren Schleier, wenn sie an jenes blasse Bräutchen denkt, welchem das Schicksal keine Rosen der Liebe um das schimmernde Hochzeitskrönchen legte.
Wieviel bunte Wechselbilder zogen an der Burg vorüber.
Grimme Fehde, welche mit Schwert und Beil an den Toren raste und die Pechkränze in den Burgfried warf, eine finstere Zeit voll Hass und Wahn, welche die Hexen mit Feuer und Folter ausrottete, das Heer der Hussiten, welches racheheischend heranzog und seine blutigen Schatten bis zur Burg herüberwarf.
Und dann kamen nach kurzer Ruhefrist wieder die wüsten Söldnerscharen, welche die Acker zertraten und die Wälder, Haus und Hof verbrannten, bis abermals die alte Zeit versank und neue Schrecken aus dem Menschenhirn geboren wurden.
Wo ehemals der Morgenstern und die Lanze in der Faust der Kämpen dräute, da donnerten die Feldschlangen und spien Kanonen Tod und Verderben über das blühende Land, und wo ehemals die plumpen Planwagen auf breiten Holzrädern rollten und die Sänfte langsam daherschwankte, da pfiff und schnob die Eisenbahn mit glühenden Augen durchs Land, — Feuerfunken und roten Dampf in die Luft schleudernd, gar wundersam den frommen Sinn alter Landleute an jene Stelle der heiligen Schrift gemahnend, wo Gott der Herr des Tages als Rauchsäule und nachts als Feuersäule vor seinem Volk einherzog.
Im gleichförmigen Wechsel der Tage zog die Zeit über die Ruine dahin.
Die grünen Schillerwellen der Saale rieselten unaufhörlich, gleich einem leis wogenden Band dem fernen Meere zu.
Die Autos töfften im Tal, und hoch am Saum des Abendgoldes zogen die Luftschiffe ihre wundersame Fahrt.
Die Zeit im weissen Kleid regt noch immer die fleissigen Hände, aber sie hat das Haupt sinken lassen, als wäre sie müde geworden.
Im Kreislauf aller Dinge zieht das Leben im Schattentanz an ihr vorüber. Ein Reigen des Todes, Nebelbilder, welche immer verschwommener, immer bizarrer in zerrinnender Form und Farbe werden.
Um so überraschter öffnet sie daher die verschlafenen Augen, wenn es so frisch und jubelnd zu ihr emporschallt: „An der Saale kühlem Strande stehen Burgen stolz und kühn!“
Studenten!