Als dann Paula wirklich bei ihrer Mutter eintrat, hatte das große historische Ereignis alle Welt bereits so auf den Kopf gestellt, waren die Menschen bereits so sehr vom Taumel der Kriegswut besessen, daß Paulas unerwartete Heimkehr weder auf die Anwohner der Gasse, noch auf ihre Mutter als sensationelle Überraschung wirkte.
Auch der Konflikt zwischen Sohn und Vater Klose kam bei der größeren Wichtigkeit des politischen Erlebnisses nicht in seiner ganzen Schärfe zum Austrag. Als Vater Klose gegen Abend nach Hause kam, erheblich betrunken von all den kriegerischen Phrasen, die er im Gewerkschaftshause zusammen mit den nötigen Begeisterungsrunden Bier und Korn zu sich genommen hatte, zeigte er für die privaten Schmerzen seines Sohnes wenig Verständnis. »Sollst froh sein, Emil, daß du das Föhschen zur rechten Zeit loswurdest! Kannst dich jetzt ganz deinen Staatsbürgerpflichten widmen, unabgelenkt von Nebendingen und Weiberkram. Deutschland braucht jetzt, in der Stunde höchster Gefahr, ganze Männer. Grade wir Sozialisten können jetzt beweisen, wie unrecht man uns mit der gehässigen Bezeichnung vaterlandslose Gesellen tat. Grade wir werden jetzt die deutsche Sache zum Siege führen und dafür nachher auch gleichberechtigt teilhaben an der Lenkung der politischen Geschichte!« Der Kolporteur dampfte vor Begeisterung, und, als er sich selber so dröhnen hörte, bewunderte er den eigenen Redeschwung. »Da man jetzt mein Vaterland angreift, werde ich selbst noch die Knarre auf den alten Buckel nehmen, wenn Not am Mann sein sollte! Willst du in solcher Stunde einem Mädel nachflennen, Emil?« Und er schlug seinem Sohne so derb auf die Schulter und trompetete ihm das Pathos so mächtig in die Ohren, daß wirklich Paula, ihre noch nicht bewiesene Schwangerschaft, und vor allem ihre boshafte Verdächtigung Papas glatt erledigt waren. Ohnehin war heut in so kurzer Zeit zuviel Unvorhergesehenes auf Emil eingedrungen, er fühlte sich von alledem todmüde, kroch in seine Klappe, schlief traumlos.
Indes die Schankwirtschaften bei so außergewöhnlicher Situation sich an die Polizeistunde nicht gebunden erachteten, die ganze Nacht hindurch die Orchestrions spielten, besoffne Stimmen patriotische Lieder grölten, sich vor Benommenheit schneidig Lallende verbrüderten und den Kellnerinnen zur Bekräftigung deutscher Schwüre, sozusagen als erste martialische Betätigung, mit Gott für König und Vaterland, auf den Arsch geklatscht wurde.
Papa Klose aber, der alkoholisch sein Quantum schon weghatte, nahm sich im Ehebett seit Jahren wieder einmal seiner Alten an, die auf so etwas gar nicht mehr vorbereitet war.
Vielleicht gehörte es auch zu den Wundern, die der Ausnahmezustand dieser Irrsinnszeit stiftete, daß Paula bald feststellen konnte: ihre Schwangerschaftsängste waren grundlos ausgestanden worden, die Natur hatte noch einmal ein Einsehen und die lästige, aber beruhigende Schweinerei fand sich mit einiger Verspätung doch noch ein. Aber der Riesenschreck hatte ihr genügt, sie würde sich mit den Männern nur noch auf garantiert ungefährliche Touren einlassen. Im übrigen fand sie sich reumütig wieder zu ihrer Freundin Elfriede Goller.
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