MENSCH:GEMACHT. Gregg Braden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gregg Braden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783954473380
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mit stabilen Bezugspersonen aufzuwachsen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass unser Umgang mit der Welt auf einer falschen Konditionierung beruht, herbeigeführt von unseren Bezugspersonen in jungen Jahren. Und es sind eben diese Verhaltensmuster anderer Menschen, manchmal Generationen alt, die auch zu unseren Mustern werden.

      Fühlen wir uns als Erwachsene bedroht, tauchen dann genau die konditionierten Verhaltensmuster in unserem Geist wieder auf, die dieser für unser Überleben erforderlich hält. Beginnen die Muster zu wirken, speisen sie sich aus den tiefen Überzeugungen, die wir in unserem Unterbewusstsein »fest verschaltet« haben. Der Punkt ist dabei, dass diese Überzeugungen oft in den Geschichten und Erfahrungen anderer Leute verwurzelt sind.

      Schlagen wir gewaltsam um uns, weil wir durch unsere Geschichten vom »Überleben des Stärksten« so konditioniert sind?

      Oder reagieren wir zuversichtlich und ehrenhaft in dem tieferen Wissen um unsere Verbundenheit mit allem Leben, einschließlich der Menschen, die uns gerade wütend gemacht haben?

      Um mich unmissverständlich auszudrücken: Ich will damit nicht andeuten, dass eine Reaktion richtig oder falsch, gut oder böse ist. Vielmehr sage ich, dass unsere Reaktionen nicht lügen. Unabhängig davon, was wir zu glauben meinen, ist die Art und Weise unserer Reaktion in solchen intimen Augenblicken ein beredtes Zeugnis dessen, was wir wirklich glauben. Entscheidend dabei ist, dass die Geschichten, die uns in den verletzlichsten und empfänglichsten Jahren der Kindheit erzählt wurden, unsere am tiefsten verankerten Überzeugungen prägen. Und hier setzt auch die Geschichte von unserem Ursprung an.

      DIE LEGENDE VON DEN ZWEI URSPRÜNGEN

      Wir hören schon früh in unserem Leben die Geschichte vom Ursprung des Menschen. Und je nach den in unserer Familie vorherrschenden Überzeugungen sind wir manchmal zwei völlig verschiedenen und einander widerstreitenden Geschichten ausgesetzt, die gleichzeitig erzählt werden – die eine zu Hause und die andere in der Schule.

      In den meisten Schulen wird uns die wissenschaftliche Theorie der Evolution durch natürliche Selektion gelehrt, die sich für jeden jungen Menschen steril und verstörend anhört. Es beginnt vor sehr langer Zeit mit einem glücklichen Ereignis, als sich genau die richtigen Atome genau im richtigen Moment verbanden, um genau die richtigen Moleküle unter genau den richtigen Umständen hervorzubringen, was zu den ersten einfachen Lebensformen führte, die eines Tages unsere Komplexität erlangen sollten.

      Selbst die leidenschaftlichsten Befürworter der Evolution müssen zugeben, dass das unheimliche Glück, das eine solche Reihe von Ereignissen erfordert, eine ziemliche Zumutung für unsere Vorstellungskraft darstellt – oder einfach des Glaubens bedarf, dass ein solcher Prozess überhaupt möglich ist. Wie weiter oben schon gesagt, nannte Francis Crick die Existenz der DNA »beinahe ein Wunder«.

      Die Evolutionstheorie nimmt für dieses Glück allerdings eben diesen Kampf in Anspruch, den Wettstreit der verschiedenen Lebensformen; er habe den Erfolg dieser so unwahrscheinlichen Kombination von Ereignissen ermöglicht. Die Fürsprecher der Evolutionslehre behaupten, dass dieser Wettstreit uns dazu gebracht habe, die heutigen Gewinner im viele Millionen Jahre währenden Streben nach dem Überleben zu sein. Entscheidend ist hier, dass uns erzählt wird, jener »Kampf« sei uns in der Vergangenheit zuträglich gewesen und nütze uns folglich auch heute noch. Angeblich war der »Kampf«, wie man uns weismacht, so erfolgreich, dass er sogar genetisch in unsere Körper »einprogrammiert« ist. Aufgrund von natürlicher Selektion sind wir daher angeblich zu »Kampf« und Wettstreit veranlagt.

      Während die Kinder in der Schule die wissenschaftliche Geschichte von Evolution und Kampf lernen, wird ihnen häufig gleichzeitig noch eine religiöse Geschichte erzählt, die nicht weniger furchteinflößend ist. Auch diese Geschichte beginnt an unserem Ursprung. Und auch um sie zu glauben, müssen wir unsere Vorstellungskraft ziemlich strapazieren. In Judentum, Christentum und Islam ist es die Geschichte von einer mysteriösen Macht – Gott –, und sie erzählt davon, wie Gott den ersten Menschen, Adam, aus dem Staub der Erde geschaffen, ihm seinen Lebensodem eingehaucht und ihn beauftragt hat, über die Erde zu wachen.

      Aus dieser Geschichte lernen wir, dass wir die Nachfahren von Adam und seinen Kindern sind und als Menschen mit einer Erbsünde behaftet zur Welt kommen. Der Rest der Geschichte handelt davon, wie wir dazu bestimmt sind, uns zwischen Gut und Böse zu entscheiden, während wir nach einem Weg suchen, um uns von unseren Sünden reinzuwaschen. Andere Weltreligionen bedienen sich ganz ähnlicher Geschichten, um den Ursprung der Menschheit und den Sinn des Lebens zu erklären.

      Beide Erzählungen – die wissenschaftliche und die religiöse – beginnen vor langer Zeit. Beide weisen in den Details seltsame Lücken auf. Und beide lassen uns mit dem Gefühl zurück, vom Rest unserer Welt getrennt zu sein. Was aber vielleicht am bedeutsamsten ist: Beide Erzählungen geben uns das Gefühl, dass wir so, wie wir derzeit auf der Erde leben, als ahnungslose Kombattanten in einem hoffnungslosen Kampf ums Überleben gefangen sind – entweder mit der Natur oder zwischen Gut und Böse. Wir kommen nicht umhin zu erkennen, dass diese Geschichten – so verschieden sie oberflächlich betrachtet auch sein mögen – am selben Punkt beginnen und denselben Zweck verfolgen, ob sie nun vom wissenschaftlichen oder vom religiösen Standpunkt ausgehen. Sie beginnen mit dem Faktum, dass wir eben auf die Art und Weise existieren, wie wir es tun, und sie versuchen zu erklären, was unsere frühere Existenz für uns heute bedeutet.

      Trotz wachsender Belege, die nicht mit dem traditionellen wissenschaftlichen Narrativ übereinstimmen, wiederholen unsere Lehrer die Theorie der Evolution und des menschlichen Überlebens ein ums andere Mal und lehren sie in unseren Klassenzimmern, als wäre sie eine absolute und unbezweifelbare Tatsache. Und hier fängt das Problem an: Wir versuchen, heutige Probleme, die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe verlangen, mit einer einhundertfünfzig Jahre alten Geschichte auf der Grundlage von Kampf und Wettstreit zu erklären. Aber wenn wir die Frage stellen, woher wir kommen und wie wir so geworden sind, wie wir sind, ergibt die Geschichte, die wir erfahren – die der Evolution –, einfach keinen Sinn mehr. Wir brauchen eine neue Geschichte, die den neuen Sachverhalt ausdrückt, um den Zauber zu brechen, den Darwins Ideen auf uns ausüben.

      DARWINS ZAUBER BRECHEN

      Darwin veröffentlichte Über die Entstehung der Arten, sein bekanntestes Buch, im Jahre 1859. Bis heute hat dieses Werk tiefgreifende Konsequenzen für unser gesellschaftliches Zusammenleben. Ob es um die akademische Kontroverse geht, woher wir eigentlich stammen und warum wir hier sind, oder um emotional so stark besetzte Themen wie Empfängnis, Abtreibung und Todesstrafe, die manchmal Familien und sogar ganze Gesellschaften entzweien – die Implikationen von Darwins Werk beeinflussen unser Leben wie nur wenige andere Ideen. Ich habe mich oft gefragt, ob sich Darwin selbst jemals die Wirkung ausgemalt hat, die sein Werk auf die Welt haben würde, und wie tief seine Ideen das Leben der Menschen noch über ein Jahrhundert später beeinflussen würden.

      Vor Über die Entstehung der Arten gab es nur wenige Quellen, an die man sich wenden konnte, wenn man nach Antworten auf die größten Fragen des Lebens suchte. Vor der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die philosophischen Fragen des Lebens wie etwa Woher kommen wir?, Warum sind wir hier? und Wie können wir das Leben verbessern? der Religion und dem traditionellem Volksglauben vorbehalten. Mit der Veröffentlichung von Darwins erstem Buch änderte sich dies. Die Evolutionslehre bot ein neues Narrativ, um die großen Fragen des Lebens zu beantworten, und brauchte dafür keine Bibelinterpretationen oder religiöse Lehren.

      Leitsatz 7Zum ersten Mal in der bekannten Menschheitsgeschichte erlaubte die 1859 publizierte Evolutionstheorie von Charles Darwin der Wissenschaft, die großen Fragen des Lebens zu beantworten, ohne dafür die Religion zu benötigen.

      Obwohl der volle Titel von Darwins Buch, Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein, möglicherweise kompliziert klingt, ist die Idee, auf der es beruht, eigentlich recht einfach. Darwin nahm an, dass alles Leben, einschließlich des menschlichen, mit einem einzigen ursprünglichen Organismus begann, der vor langer Zeit auf der Erde geheimnisvollerweise erschien.