So wurden denn plötzlich alle Unterhandlungen, besonders aber die mit Witold, so rasch abgebrochen, wie man ein Spinnengewebe zerreißt. Am Abend nach dem Eintreffen Hlawas in Warschau langte neue Kunde in der Burg an. Bronisz aus Ciasnoca, ein Hofherr des Fürsten Janusz, der von diesem behufs Einziehung von Erkundigungen nach Litauen geschickt worden war, stellte sich ein, und mit ihm erschienen zwei angesehene litauische Knäsen, mit Briefen von Witold und von den Samogitiern. Die Nachrichten lauteten unheilvoll, der Orden bereitete sich zum Kriege vor. Die Befestigungen der Burgen wurden verstärkt, Pulver und Blei bereitet, Steine zu Kanonenkugeln behauen, Kriegsknechte und Ritter an der Grenze zusammengezogen, während eine Abteilung leichter Reiterei und Fußvolk von Ragneta, Gotteswerder und von anderen Grenzburgen aus sich nach Litauen und Samogitien geworfen hatte. In dein Dickicht der Forsten, auf den Gefilden, in den Dörfern, allüberall wurde der Kriegsruf laut, und jeden Abend züngelten die Flammen über dem Wäldermeere empor. Witold ließ nunmehr den Samogitiern offen seinen Schutz angedeihen, er sandte ihnen seine Ratgeber, er bestimmte den durch seine Tapferkeit bekannten Skirwoillo zum Führer des bewaffneten Volkes. Und Skirwoillo säumte nicht; alles um sich her niederbrennend, zerstörend, verheerend, fiel er in Preußen ein. Der Fürst selbst brach mit einem Kriegsheere gen Samogitien auf; etliche Burgen befestigte er noch mehr, andere, wie zum Beispiel Alt-Kowno, zerstörte er, damit sie nicht den Kreuzrittern zum Stützpunkt dienen konnten. Bald war es kein Geheimnis mehr, daß mit Anbruch des Winters, also sobald Sümpfe und Moräste zugefroren sein würden, ja, falls der Sommer trocken sein sollte, sogar schon früher ein gewaltiger Krieg in allen Gebieten von Litauen, Samogitien und Preußen entbrennen werde. Denn wenn der König dem Fürsten Witold Hilfe leistete, dann mußte der Tag kommen, an dem die Deutschen gleich einer Sturmflut entweder die halbe Welt überströmten, oder auf lange Zeit hinaus in das Gebiet zurückgedrängt wurden, auf dem sie früher seßhaft gewesen waren.
Doch dies alles gehörte noch der Zukunft an. Mittlerweile drang der Schmerzensschrei der Samogitier, ihre Klage über die erlittene Unbill, ihr Ruf nach Gerechtigkeit durch die ganze Welt. In Krakau, in Prag, an dem päpstlichen Hofe und in anderen westlichen Landen besprach man die Leiden des unglücklichen Volkes.
Da nun dieser Jammer auch an den masovischen Hof drang, entschlossen sich etliche Ritter und Edelleute, unverweilt den Bedrängten zu Hülfe zu eilen, glaubten sie doch schon deshalb nicht erst den Fürsten Janusz um Erlaubnis dazu bitten zu müssen, weil dessen Eheweib die Schwester Witolds war.
Hlawa war hoch erfreut über den Entschluß der masovischen Ritter. »Je mehr Mannen aus Polen zu dem Fürsten Witold stoßen,« so sagte er sich, »desto heißer wird der Krieg entbrennen, desto sicherer wird man gegen die Kreuzritter etwas ausrichten können.« Der Gedanke gewährte ihm auch große Befriedigung, daß er nicht nur Zbyszko wieder sehen werde, dem er von ganzem Herzen ergeben war, sondern auch den alten Ritter Macko, den er gar gern einmal im Kampfe bewundert hätte. Aber abgesehen von dem allem, winkte ihm doch auch die Aussicht, unbekannte Lande durchwandern, neue Städte sehen zu können, zu einem Ritterstande, zu einem Kriegsheere zu stoßen, die er zuvor noch nie erschaut hatte, und schließlich dem Fürsten Witold nahe zu kommen, ihm, dessen Ruhm die ganze weite Welt erfüllte.
Dies alles in Erwägung ziehend, nahm er sich vor, seinen Weg in Eilmärschen zurückzulegen und nirgendwo länger Rast zu machen, als dies die Pferde bedurften. Jene Bojaren, welche mit Bronicz aus Ciasnoca gekommen waren, wie auch die andern Litauer, die sich an dem fürstlichen Hofe eingefunden hatten, sie alle kannten die Straßen und Wege ganz genau und konnten daher ihn und die aus freiem Willen ausziehenden masovischen Ritter von Ansiedelung zu Ansiedlung, von Stadt zu Stadt, so wie durch die Waldwildnisse Masoviens, Litauens und Samogitiens geleiten.
Drittes Kapitel.
In einem Walde, ungefähr fünf Meilen von Alt-Kowno, der Burg, welche durch Witold zerstört worden war, hatte Skirwoillo, seine Hauptmacht zusammengezogen. Von hier aus warf er sich je nachdem ihm dies geboten erschien, mit Blitzesschnelle bald hierhin, bald dorthin, überschritt da und dort die preußische Grenze, überfiel die noch in den Händen der Kreuzritter befindlichen großen und kleinen Burgen und entzündete somit die Kriegsfackel in dem ganzen Grenzgebiete. In eben diesem Walde traf der getreue Knappe mit Zbyszko zusammen, bei dem sich auch der vor zwei Tagen angelangte Macko befand. Nachdem der Böhme seinen Gebieter Zbyszko begrüßt hatte, legte er sich zur Ruhe und schlief, ohne sich auch nur zu rühren, die ganze Nacht hindurch. Erst am folgenden Tage, gegen Abend, stellte er sich bei dem alten Ritter ein. Von der Reise ermüdet und übel gelaunt, empfing ihn Macko auf die unfreundlichste Weise und befragte ihn sofort, weshalb er nicht in Spychow geblieben sei. Der alte Kämpe ward auch erst dann ein wenig besänftigt, als Hlawa, einen Augenblick benützend, in dem Zbyszko das Zelt verlassen hatte, sich mit der Erklärung rechtfertigte, Jagienka habe ihm die Fahrt ausdrücklich befohlen.
Weiter fügte er hinzu, daß abgesehen von diesem Befehle und von seiner fast unbezähmbaren Kriegslust, ihn auch der Wunsch hierher geführt habe, sofort einen Boten mit der Kunde nach Spychow senden zu können, sobald sich etwas Entscheidendes ereignen sollte. »Die Herrin,« sagte er, »die ein Engel an Güte ist, betet täglich für die Tochter Jurands, obgleich sie dadurch ihr eigenes Glück außer acht läßt, doch alles muß einmal ein Ende nehmen. Wenn Jurands Tochter nicht mehr am Leben ist, so möge ihr Gott der Herr das Licht des ewigen Lebens gewähren, denn unschuldig war sie wie ein Lämmlein; wird sie jedoch lebend aufgefunden, dann muß ich meiner Herrin unverweilt die Nachricht senden. Vor der Ankunft von Jurands Tochter soll sie Spychow verlassen, damit sie nicht nach deren Heimkehr mit Schimpf und Schande ausgetrieben werde.«
Nur widerwillig diesen Worten lauschend, murmelte Macko aber und abermals vor sich hin: »das ist nicht Deine Sache.« Allein Hlawa, fest entschlossen, offen zu reden, beachtete dies nicht, sondern sagte schließlich: »Die Herrin wäre besser in Zgorzelic geblieben, denn diese Fahrt ist für sie von keinerlei Gewinn gewesen. Man hat der Armen eingeredet, Jurands Tochter sei nicht mehr am Leben, gar leicht kann sich dies aber auch anders verhalten.«
»Wer hat ihr eingeredet, daß jene nicht mehr am Leben sei? Kein anderer als Du!« hub jetzt Macko zornerfüllt an. »Du hättest Deine Zunge im Zaume halten sollen. Ich aber nahm Jagienka mit auf die Fahrt, weil sie vor Cztan und Wilk sich ängstigte.«
»Ein Vorwand nur ist dies gewesen,« entgegnete der Knappe. »Keine Gefahr würde ihr in ihrem Heim gedroht haben, denn von ihren Bedrängern hätte einer den andern von ihr fern gehalten. Ihr aber fürchtetet, o Herr, meine Gebieterin könne, im Falle Jurands Tochter nicht mehr am Leben sei, dem Ritter Zbyszko auch verloren gehen, und deshalb nahmt Ihr sie mit Euch auf die Fahrt.«
»Was maßest Du Dir an? Was bist Du denn, ein gegürteter Ritter oder ein Knecht?«
»Ein Knecht, aber der Knecht meiner Herrin, die ich vor Unbill schützen will.«
In tiefes Sinnen verloren stand Macko da, war er doch selbst nicht recht mit sich zufrieden. Häufig schon hatte er sich darob getadelt, Jagienka mit sich genommen zu haben. Es wurde ihm täglich klarer, daß er dem Jungfräulein ein Unrecht zugefügt hatte, indem er es Zbyszko zuführen wollte, ja, daß dies mehr als ein Unrecht zu nennen sei, wenn Danusia aufgefunden werden würde. Nur zu wohl fühlte er, welche Wahrheit in den kühnen Worten Hlawas lag, daß er die Maid hauptsächlich deshalb