Schwabens Abgründe. Группа авторов. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

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Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783842523494
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gewesen? Die Strafe dafür war deutlich geringer als für Mord. War ein realistisches Szenario denkbar, in dem zwei Frauen einen Anwalt baten, sie mit einem Brotkorb am Rande einer Autobahn zu enthaupten? Wohl kaum. Fuck.

      »Sie sind Susanne?«, fragte Eva in diesem Moment seine Chefin, die mittlerweile ausgestiegen war, über das Auto hinweg. »Vielen Dank für Ihre Hilfe.«

      »Wir Frauen müssen zusammenhalten. Ich habe kein Verständnis für Männer, die keinen Kindesunterhalt bezahlen«, antwortete Susanne.

      Teds Hand, die den Brotkorb umklammerte, wurde ganz weiß. Was ging hier vor sich?

      »Das war eine großartige Idee mit dieser Panne.« Eva lächelte diabolisch. »Hatten Sie die Gelegenheit, in sein Handy zu schauen? Stimmt das Passwort noch, das ich Ihnen gegeben habe? Ich bin mir sicher, er hat noch irgendwo Geld, der ist nie im Leben pleite.«

      Ted erstarrte. Diese Schlampen. Eva hatte die Beifahrertür erreicht.

      »Leider konnte ich nicht richtig nachschauen, er war zu kurz draußen, er scheint nicht viel von Autos zu verstehen«, bemerkte Susanne. »Aber ich denke, er hat da etwas in seiner Aktentasche …«

      Eva bückte sich in Susannes Oldtimer.

      »Hände weg von meiner Tasche!«, schrie Ted. Er hatte die Situation blitzschnell erfasst: Eva suchte nur nach Geld, weder sie noch Susanne wussten von dem Sprengstoff, der da in seiner Tasche lauerte. Der Staatsanwalt war nicht hier, und ohne die Papiere konnte ihm niemand etwas beweisen. Die Schlampen hatten einen Fehler gemacht. Ted schleuderte den Brotkorb auf den Boden, stürzte zur Beifahrertür, riss seine Aktentasche aus Evas Hand. Der Deckel klappte auf, und drei Blätter wurden vom Wind hochgewirbelt, flogen am Rande der Autobahn entlang auf die Autobahnbrücke, wo sie von einer Böe erfasst wurden. Er spürte, wie Urin warm seine Beine hinunterlief. Mit einem hastigen Satz sprang er den Blättern hinterher, fing zwei davon auf, da war das dritte, er hatte es gleich, Eva und Susanne hatten sich geschnitten, es war ein Ammenmärchen, dass jeder eines Tages für seine Taten zur Rechenschaft …

      Er packte triumphierend das dritte Papier und schwang sich elegant über die Leitplanke. Ins Leere. Scheiße, Autobahnbrücke, dachte er noch.

       Sarah Kempfle

       Der Enkeltrick

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       Esslingen am Neckar

      »Kriegst du jetzt etwa weiche Knie? Wir haben das doch schon tausendmal gemacht«, Teddy sieht mich forschend an.

      Ich verziehe das Gesicht, als hätte er grade einen schlechten Witz gemacht. »Quatsch. Drück endlich die Klingel.«

      Wir stehen in der Hindenburgstraße, vor der Haustür von Frau Zwickel. Vor zwei Tagen habe ich bei ihr angerufen und die üblichen Worte abgespult: »Hallo, Oma, kennst du mich noch?«

      Sie hat sofort angebissen. Offiziell bin ich jetzt also Leila, ihre Enkelin, von der sie seit einer Ewigkeit nichts mehr gehört hat. Sie war wirklich liebenswert am Telefon und hat versprochen, gleich im Anschluss zur Bank zu gehen. »Du kannst dein Studium nicht abbrechen«, hat sie gesagt und dann: »Wie viel Geld brauchst du?«

      Selten ist es so leicht gewesen. Selten ist es mir so schwergefallen.

      Teddy drückt die Klingel, der Türöffner summt, und wir betreten das dunkle Treppenhaus. Es gibt keinen Fahrstuhl, also gehen wir zu Fuß. Die alte Dame wohnt im dritten Stock und erwartet uns schon in der offenen Wohnungstür. Ich muss schlucken, als ihre Gestalt im Näherkommen Kontur annimmt. Sie wirkt so zerbrechlich in ihrer weißen Bluse und dem karierten, knöchellangen Rock. Bestimmt hat sie sich extra für uns herausgeputzt. Dafür, dass wir sie gleich um ihre Ersparnisse bringen und nie wieder von uns hören lassen.

      »Hallo, Oma.« Ich schließe sie in die Arme und atme ihr blumiges Parfüm ein. »Das ist mein Freund Teddy.«

      Oma, also Frau Zwickel, schüttelt Teddy die Hand, sieht aber gleich wieder mich an. Sind das etwa Tränen in ihren Augen?

      »Ich bin so froh, dass du hier bist, meine Kleine«, wispert sie und nimmt mich an der Hand. »Aber jetzt kommt doch erst mal rein. Ich habe Kuchen gebacken, und der Kaffee ist frisch aufgebrüht.«

      Schnaps wäre mir lieber. Und ich bezweifle stark, dass ich auch nur einen Bissen ihres Kuchens herunterbringen werde. Ich weiß nicht, warum ich mich dieses Mal so anstelle. Vielleicht, weil sie mich an meine richtige Oma erinnert? Oma Lisl, die so herrlich mit verstellter Stimme vorlesen konnte. Die mich immer ein bisschen zu fest drückte und mir heimlich Süßigkeiten zuschob? Oma Lisl, die seit vier Jahren tot ist und die sich im Grab umdrehen würde, wenn sie wüsste, was ich hier treibe.

      Der flauschige Teppichboden verschluckt unsere Schritte, während wir meiner Pseudooma ins winzige Wohnzimmer folgen. Der Anblick des gedeckten Tisches, der brennenden Kerze und der herzförmigen Servietten auf den Tellern versetzt mir einen Stich. Ich wende den Blick ab und sehe mich im Zimmer um. Die Bilder an den Wänden übergehe ich, das ist Teddys Spezialgebiet. Ich bin nicht gut darin. Zu groß ist die Gefahr, dass sie meinen Blick bemerkt und auf etwas zu sprechen kommt, wozu ich nichts sagen kann. Stattdessen betrachte ich den Nippes im Bücherregal und die Zeitschriften auf dem grauen Sofa.

      Frau Zwickel, also Oma Anna, verschwindet durch die offene Küchentür und kommt gleich darauf mit einer Kaffeekanne zurück. In der linken Hand trägt sie einen Kuchenheber. Erst jetzt bemerke ich den goldbraunen Käsekuchen auf dem Tisch. Ich lasse mich kraftlos auf meinen Stuhl sinken und schiele zu Teddy hinüber, der längst sitzt und sich über die Lippen leckt. Mir wäre lieber, wir könnten den Kaffeeklatsch überspringen. Ich will einfach nur die Kohle und dann schnell weg. Aber wenn wir nicht mitspielen, könnte die Oma misstrauisch werden, und dann wäre alles umsonst gewesen.

      Sie stellt die Kanne auf den Tisch und steuert auf den freien Platz mir gegenüber zu. Ein Scheppern lässt mich zusammenfahren. Ich schaue auf und sehe, wie sie sich an der Wand abstützt. Ein Bilderrahmen ist von der Kommode zu Boden gefallen. Bevor ich sie warnen kann, tritt sie darauf und erzeugt einen knirschenden Laut. Es dauert einen Moment, bis ich die Bruchstücke des Geschehens in Gedanken zusammengesetzt habe. Sie muss gegen die Kommode gestoßen sein, die zwischen Tisch und Küche steht. Es ist wirklich eng hier, und offensichtlich ist sie nicht mehr so gut auf den Füßen. Ich springe vom Stuhl auf, ignoriere Teddys überraschten Blick.

      »Bleib nur, bleib nur«, sagt Oma Anna sogleich und drückt mich sanft zurück. Sie schiebt den Bilderrahmen mit dem Fuß zur Seite. Ich starre auf die Scherben und frage mich, weshalb sie ihn nicht aufhebt.

      »Passt auf, dass ihr da nicht hineintretet«, sagt sie in ungebrochener Heiterkeit. »Ich sauge das nachher auf.« Sie setzt sich an ihren Platz und lächelt mich an. Ich lächle verkniffen zurück. Unter dem Tisch spüre ich Teddys schmerzhaften Tritt gegen mein Schienbein. Offensichtlich findet er mich nicht überzeugend genug. Also ziehe ich die Mundwinkel noch ein bisschen höher.

      Endlich wendet sie den Blick ab und schiebt den Kuchenheber mit zittrigen Fingern unter eins der perfekt geschnittenen Stücke. Dann greift sie nach meinem Teller und lädt es mir auf. Es wackelt bedenklich hin und her auf seinem Weg zurück zum Platzdeckchen vor mir. Ein köstlicher Duft strömt mir in die Nase.

      Nun reicht Teddy ihr seinen Teller. Er sollte sich selbst gegen das Schienbein treten. Das schmierige Lächeln nimmt ihm doch keiner ab.

      »Oh«, ruft Oma Anna plötzlich, »ich muss dir was zeigen.«

      Ich lasse die Gabel sinken und blicke ihr nach, wie sie gebeugt und mit kleinen Schritten in der Küche verschwindet. Als sie kurz darauf wieder rauskommt, merke ich, wie Teddy sich neben mir verkrampft. Ich schaue an ihrem Arm entlang nach unten und entdecke einen hölzernen Baseballschläger.

      »Was hast du vor?«, entfährt