»Was wollen Sie von mir, Bartlett?« Sie sah ihn neugierig an. »Ihre Tarnung ist perfekt.«
»Sie werden mit mir rüber zum Hausboot gehen, ist das klar?«
»Und falls nicht?«
»Werde ich schießen!«
»Und die Campingleute werden über Sie herfallen!«
»Aber niemals.« Bartlett lächelte spöttisch. »Sie sagten doch gerade, daß meine Tarnung perfekt sei.«
»Wie haben Sie mich erkannt? Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Freunde in London haben mich da aufgeklärt. Wo ein Parker ist, ist auch eine Lady Simpson. Und umgekehrt. Ich weiß Bescheid.«
»Wir sollen Sie also durch den Sperrkreis der Polizei schleusen?«
»Sollen? – Werden!«
»Sie rechnen sich auch weiterhin Chancen aus, Bartlett?«
»Klar doch. Ich habe mein Geld im Ausland. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen.«
»Und was ist mit Matters? Treibt der sich auch hier in der Gegend herum?«
»Worauf Sie sich verlassen können. Den nehmen wir unterwegs auf.«
»Das nehme ich Ihnen nicht ab, Sie Lümmel. Sie werden ihn hängenlassen, wie ich Sie einschätze.«
»Sie sind ’n guter Menschenkenner, Mylady. Matters soll sehen, wo er bleibt. Soll er sich in Dereham die Füße in den Bauch stehen. Aber Schluß jetzt mit der Rederei! Marschieren Sie los! Rüber zum Hausboot! Und denken Sie daran, daß ich gnadenlos schießen werde. Das ist keine leere Drohung.«
»Ja, was ist denn das?«
Entrüstung und Empörung lagen in der Stimme der Lady. Sie deutete auf die Zelte, zwischen denen eine »Blitzerin« erschien. Die junge Frau sah ausgesprochen attraktiv aus, was man ohne jede Behinderung feststellen konnte.
Sie trug nur einen Slip, sonst nichts. Sie rannte an den Zelten vorüber und hielt genau auf Bartlett und Agatha Simpson zu. Hinter ihr rotteten sich Menschenmassen zusammen, die diesen Lauf kommentierten und auch sichtlich genossen.
Bartlett wäre kein Mann gewesen, wenn er nicht einen Blick riskiert hätte. Er ließ sich prompt für einen Moment ablenken. Und als ihm aufging, daß man ihn hereingelegt hatte, war es bereits zu spät.
Agatha Simpson machte kurzen Prozeß mit ihm.
Sie donnerte ihm ihren Pompadour gegen die Schläfe und trat ihm mit ihrem derben Schuh gegen die Kniescheibe. Daraufhin verlor Bartlett nicht nur jede Orientierung, sondern auch das Gleichgewicht. Er wollte noch blitzschnell nach seiner Schußwaffe greifen, doch das gestattete die resolute Dame ihm nicht. Sie drückte ihm den »Glücksbringer« im Pompadour noch mal nachdrücklich auf die Stirn. Das Hufeisen im Handbeutel erwischte den Nasenrücken und ließ ihn hörbar knirschen.
John Bartlett kniete nieder, verbeugte sich vor der älteren Dame in einer Geste der Unterwerfung und Demut, schnaufte und verlor dann sein Bewußtsein.
»Ziehen Sie sich was über, Kindchen«, rief Lady Simpson dann ihrer Gesellschafterin Kathy Porter zu. »Die Männer bekommen Stielaugen, die Frauen Zustände. Von den lieben Kleinen mal ganz zu schweigen.«
Agatha Simpson behandelte Bartlett recht roh.
Sie zerrte ihm das Jackett von den Schultern und warf es Kathy Porter zu, die sich das Kleidungsstück um ihre nackten Schultern legte.
»Jetzt erst ist der Fall beendet«, stellte die Detektivin dann zufrieden fest. »Matters ist kein Problem mehr, den kann die Polizei abholen, Verständigen Sie Mister Parker, meine Liebe! Er wird sich hoffentlich schwarz ärgern, daß er diesen Schlußakt nicht mitbekommen hat.«
»Darf ich mir die Kühnheit nehmen, Mylady zu widersprechen?« war Parkers Stimme in diesem Moment zu vernehmen. Agatha Simpson wandte sich um und sah Parker vor sich. Er lüftete gerade seine schwarze Melone.
»Sie?« fragte die Lady überflüssigerweise.
»In der Tat, Mylady«, gab der Butler würdevoll zurück. »Ich war so frei, den Damen zu folgen, zumal ich Komplikationen erwartete.«
»Aber Bartlett ist von mir erwischt worden. Das wollen wir doch mal klarstellen.«
»Gewiß, Mylady. Wenn es erlaubt ist, werde ich den Herrn jetzt in Gewahrsam bringen.«
»Schaffen Sie ihn mir aus den Augen, Mister Parker!« Lady Agatha übersah souverän die ständig sich vermehrende Gruppe der neugierigen Zuschauer, die noch immer daran herumrätselten, was hier wohl passiert sein mochte. »Übrigens, ich habe mir die Sache überlegt. Ich werde auch ein paar Tage Ferien machen.«
»Ein guter Gedanke, wenn ich es so ausdrücken darf.«
»Auf dem Hausboot«, fügte die ältere Dame hinzu.
»Es steht zu Myladys Verfügung«, meinte Parker. Er kümmerte sich nicht weiter um den ohnmächtigen Bartlett. Er hatte zwei uniformierte Polizisten gesehen, die sich im Eilschritt näherten.
»Ich werde vielleicht sogar kochen«, verhieß die Lady.
»Miß Porter wird sich gewiß freuen, Mylady.«
»Sie etwa nicht?« Die Stimme grollte schon wieder.
»Meine bescheidene Wenigkeit wird sich an den Kochkünsten kaum delektieren können«, sagte Josuah Parker gemessen. »Nach meinem Ferienplan reise ich bereits morgen weiter nach Schottland.«
»Sie ... fahren nach Schottland, Mister Parker?«
»Es soll dort einsame, stille und fischreiche Seen geben, Mylady. Ohne Mylady vorgreifen zu wollen, möchte ich doch annehmen und fast unterstellen, daß Mylady solch eine Einsamkeit strikt ablehnen wird.«
»Aber wo denken Sie hin, Mister Parker!« Agatha Simpson war völlig anderer Meinung. »Ich liebe die Einsamkeit. Kathy und ich werden selbstverständlich mitkommen. Zudem kann man einen Mann wie Sie doch nicht allein lassen!«
»Wie Mylady meinen.« Parker verschluckte einen tiefen Seufzer und deutete eine Verbeugung an. Seine Selbstbeherrschung war grenzenlos.
*
Parker befand sich auf dem Heck seines Hausbootes und holte die Angel ein.
Sein Traum von Urlaub und Einsamkeit war ausgeträumt. Er ahnte, was ihn erwartete. Eine Lady Simpson ließ sich nicht abschütteln. Und mit Sicherheit schaffte sie es auch, droben in Schottland einen neuen Kriminalfall zu finden. Wo sie auftauchte, gab es stets Komplikationen, Wirbel und Aktivität.
Sie war zur Zeit unterwegs, um, wie sie sich ausgedrückt hatte, ein paar Kleinigkeiten zu besorgen. Parker genoß die ruhigen Viertelstunden und überlegte krampfhaft, ob es für ihn nicht doch noch einen Ausweg aus diesem Dilemma gab.
Er zuckte mit keiner Wimper, als er schräg hinter sich eine Bewegung verspürte, dann ein leises, scharrendes Geräusch. Er wandte sich um und ... sah sich einem Froschmann gegenüber, der eine Preßluftharpune auf ihn richtete.
Diese Situation war eindeutig und bedrohlich. Die Auseinandersetzung mit den »Ratten« schien also doch noch nicht überstanden zu sein. Parker ließ sich aber nichts anmerken.
Er lüftete höflich seine schwarze Melone.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?« erkundigte er sich.
Der Froschmann streifte sich die Gesichtsmaske hoch und schaute sich nach allen Seiten um.
»Ich muß mich verschwommen haben«, sagte er irritiert. »Oder geht’s hier nach Yarmouth?«
»Hinter der nächsten Flußbiegung sollten Sie nach links abschwimmen«, erwiderte Josuah Parker gemessen.
»Vielen Dank«, meinte der Froschmann und wollte sich wieder zurück ins Wasser gleiten lassen.
»Einen