Franziska von Hohenheim - Die tapfere Frau an der Seite Carl Eugens. Utta Keppler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Utta Keppler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711708514
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seinen Purpur auf, der ein wenig staubig geworden war.

      Im Mai 1769 hatte Elisabeth Dorothea von Württemberg die Damen aus dem Hofstaat Carl Eugens in Wildbad zu einer Teegesellschaft gebeten; sie war die Frau seines Bruders Friedrich Eugen, eine königliche Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, und wurde allgemein „die Hoheit“ genannt. Schon vor dem Herzog war sie mit ihrem Gatten in Wildbad zur Kur eingetroffen, freudigst begrüßt, denn das große Gefolge und die illustre Frau machten das Bad bekannt und beliebt.

      Auch die Leutrums waren eingeladen worden: Franziska hatte unter den Hoffräulein der „Hoheit“ eine Freundin, die Baronesse Sophie von Grollmann, und Leutrum gehörte ohnehin als Reisemarschall zur Suite des Herzogs.

      Franziska machte sich so schmal wie möglich: Carl Eugen hatte seinen Besuch angekündigt. Jetzt, dachte sie beklommen, wird es sich entscheiden, wer Mars gewesen ist. Und er würde sie – wenn er es war – gewiß erkennen, an der Stimme, an irgendeiner Bewegung. Vielleicht, überlegte sie, kommt er nur deshalb so unverhofft zu diesem Damentee, um sich zu vergewissern, ob die freche Türkin … Und das alles konnte Leutrum seine Stellung kosten und sie die gesellschaftliche Achtung.

      Der Herzog trat ein, ehrfurchtsvoll gemeldet, in strahlender Laune, mit erhobenem Kopf: Jupiter, nein, Mars in Person! Zwar deckte kein Goldsteg die gebogene kleine Nase, kein geschlitztes Visier das helle feurige Blau der Augen, und der Mund war freundlicher als damals, lässig, gelassen.

      Franziska zitterte, als „die Hoheit“ sie vorstellte und dabei bemerkte, sie sei ja vom Defilee im Frühjahr 1767 schon bekannt. Carl Eugen nickte gnädig. Nichts an seinem geröteten Gesicht verriet, ob er noch an „la petite turque“ dachte.

      Franziska atmete auf; er wollte sich wohl nicht erinnern, und darum brauchte sie es auch nicht zu tun. Und während Dorothea, mit ihrem Schwager im Saal auf- und abgehend, die Erfolge der Heilkur in Wildbad besprach, saß Frau von Leutrum, bald ihren Mann, bald den Herzog anvisierend, steif auf ihrem Stühlchen und wagte keine natürliche Bewegung, kein lautes Wort, nichts als ein scheues Gehauche zu ihrer Tischnachbarin hinüber.

      Dann schlug der Herzog, der nur für einen Tag hergefahren war, eine „kleine Promenade“ vor, durch die Anlagen an der Enz, unter den hellgrünen Bäumen am Wasser entlang, das noch immer die Fülle des Frühjahrs habe; dort sei auch die Luft besonders würzig.

      Franziska folgte, noch immer starr vor Angst, am Arm ihres Gatten dem bunten Zug würdig schreitender Herren in hellen Strümpfen, seidenrauschender Damen mit gepolsterten Röcken, aber sie bemerkte kaum das freundliche Farbenspiel der grünen, pfaublauen, rosigen Fräcke und Kleider. Leutrum beachtete ihr Zögern nicht weiter, er war zu beschäftigt damit, dem Herzog aufzuwarten.

      Carl Eugen spazierte mit Dorothea und ihrer schönen Tochter voraus. Am Weg standen mützenschwenkend die Wildbader, bereit, jede Laune und jeden Luxus gutzuheißen, wenn sie nur Aufträge versprachen.

      Carl Eugen erklärte den Damen, wie sehr er bedauere, das Theater auf diese kurze Reise nicht mitgebracht zu haben – es begleite ihn sonst oft, und er habe ja an vielen Orten des Landes kleine Bühnen errichten lassen, man kenne doch die von Teinach und Grafeneck; und Ludwigsburg stehe dem Stuttgarter Lusthaus gewiß nicht nach mit seinen prächtigen Prospekten und Kulissen.

      Franziska, die hinter dem Herzog ging, hörte mit halbem Ohr hin. Das wilde Wasser rauschte, der Nachmittag wurde kühler, Schatten fingerten langsam über den geebneten Weg. Nur die bewaldeten Gipfel lagen noch im Licht. Endlich befahl Carl Eugen, der an ausgedehnte Spaziergänge gewöhnt war, einem Bedienten, für „une place de repos“ unter den Buchen zu sorgen, „behelfsmäßig, ländlich – die Damen mögen verzeihen“, sagte er.

      Natürlich hatte man einen derartigen Wunsch vorausgesehen und einen Wagen mit Stühlen beladen, der den Spazierenden langsam gefolgt war.

      Die Hofgesellschaft wartete stehend, bis der Fürst und seine ranghöhere Schwägerin sich gesetzt hatten. Dorothea hob den Fächer und lächelte. Die übrigen verteilten sich in einem weiten Kreis. Viele Augen schauten ins flimmernde Laubdach, durch das die schrägfallenden Sonnenstrahlen blasse zukkende Streifen schossen. Franziska klammerte sich auf einem wackeligen Sitz fest, den Leutrum ihr untergeschoben hatte: sie wäre am liebsten irgendwo in den Schatten getaucht, der schon bläulich um die Baumstämme spielte. Leutrum sah sie mißbilligend an: Ihre Zerfahrenheit fiel auf. Sie hatte sich zusammenzunehmen – Serenissimus waren allerhöchst zugegen. Als Franziska jedoch sein verärgertes Gehabe nicht bemerkte, stand er lautlos auf und trat hinter sie.

      „Du zeigst eine ennuierte Miene, daß es ein Affront ist“, fauchte er leise. „Du machst ein Gesicht wie ein verwettertes Bauernweib! Was sollen die allerhöchsten Herrschaften denken?“ Er hatte unbewußt lauter geredet als nötig; Dorothea hob den schönen Kopf und warf Carl Eugen einen Blick zu; er folgte ihren Augen und erfaßte das Bild des krüppelhaften Mannes, der sich wie ein erboster Erzieher über seine Frau beugte; sie sah noch verstörter aus als vorher, hilflos preisgegeben – nichts erinnerte mehr an die ausgelassene Türkin, die sich angemaßt hatte, seine Göttlichkeit zu tadeln. Carl vermutete – was freilich Dorothea nicht ahnen konnte – einen tieferen Grund für die Strafpredigt als Franziskas Zerstreutheit; hatte der verbogene Mensch hinter dem Baum vielleicht etwas von seinem Karnevalsgespräch mit der jungen Frau erfahren? Hatte sie ihm in ihrer Bravheit gar davon berichtet?

      Franziska schaute bedrückt zur Seite; neben ihr am Waldrand trug der Seidelbast noch ein paar verspätete Blüten; ihr gebrochenes Lilarosa sah krank und müde aus. Ein Hauch des süßlichen Duftes streifte sie, sie beugte sich vor und holte den Zweig heran.

      Carl Eugen, der sie beobachtet hatte, sagte lächelnd: „Seidelbast! Daphne mezereum! Sie kennen doch die Metamorphosen des Ovid, Madame? Die schöne Daphne, von Apoll verfolgt – oder war es Mars? –, verwandelt sich in einen Strauch, um sich ihm zu entziehen. Ach ja, diese antiken Göttergeschichten …“

      Inzwischen hatte Dorothea einen Ausflug in den Schwarzwald arrangiert, und wieder die Leutrums dazu eingeladen. Sophie von Grollmann und das Fräulein von Schilling, eine Freundin von Dorotheas Tochter, waren mit einer Art von schwärmerischem Eifer um Franziska bemüht. Dorothea hatte Mitleid mit ihr, deshalb zog sie die junge Frau näher an sich heran.

      Dorotheas Karosse ratterte leicht über die Waldwege, die Damen schwatzten, lachten und hielten die hellen Schirme gegen die Sonne.

      Als man eine Weile unterwegs war, fing eines der Pferde an zu lahmen. So werde man nicht weiterkommen, jammerte der Kutscher, mit sechs Personen sei das Gefährt überlastet bei dem geminderten Gespann. Man könnte ja an einem Dorfwirtshaus halten und drei von den Herrschaften dort absetzen, auch ein frisches Pferd ausleihen und das kranke einstellen.

      Franziska erbot sich sofort, die Chaise zu erleichtern. Die Damen Schilling und Grollman könnten vielleicht bei ihr bleiben. Leutrum mußte einer dienstlichen Verpflichtung halber so rasch als möglich zurückfahren und Dorothea bat ihn, sie und ihre Tochter zu begleiten. Als sie aufbrachen, fing es an zu regnen.

      Die Zurückgelassenen traten ins Schankzimmer. Der Wirt wischte Stühle ab und schob Sessel heran. Sie setzten sich befangen. Die dumpfe Luft roch nach Bier und Rauch und legte sich drückend über den engen Raum. Der Wirt fragte beflissen nach besonderen Wünschen; die wenigen Gäste aus dem Nachbardorf schickte er weg.

      Den dreien wurde das Warten lang; sie versuchten den Schwarzwälder Kirschenschnaps und fanden ihn pfefferscharf. Draußen trommelte der Regen jetzt mit Ausdauer, und es war nicht abzusehen, wann die Kutsche sie abholen würde. Sophie von Grollmann schlug ein Ratespiel vor, aber Franziska mochte nicht mittun, sie war voller Unruhe. Schließlich sprang sie auf und lief zur Tür. „Das Wetter wird besser“, rief sie, „wir sollten dem Wagen entgegengehen.“ Die anderen widersprachen, auch der Wirt beschwor die Damen zu bleiben.

      „Dann lauf ich allein ein Stück, wenn’s zu wüst ist auf der Straß’, kehr’ ich eben wieder um“, erklärte sie und machte die Tür weit auf. Draußen tröpfelte es nur noch schwach, sonnenblinkende Schwaden sprühten von den Bäumen, die der laue Wind schaukelte. Ihre Sohlen waren bald durchweicht, aber sie trippelte beharrlich weiter.

      Da