Anders verhielt es sich einst im Thüringischen. Schließlich waren es da tatsächlich (Wild-)Schweine, die während der Partie des SV Diamantene Aue Ringleben gegen die SG Seehausen auf den Platz liefen und Leib und Leben in Gefahr zu bringen drohten. Auslöser der Aufregung war eine sogenannte »Drückjagd«, die die örtlichen Jäger zeitgleich zur Partie veranstalteten und in deren Folge vereinzelte Tiere in vollkommen unvorhergesehene Richtungen und eben auch auf den örtlichen Fußballplatz liefen. Kein Problem für die Jäger, dachten sich die Jäger, ballerten das Wildvieh gleich auf dem Platz über den Haufen und sprachen hinterher im heroischen Duktus ihrer Profession von »Gefahrenabwehr«. Die Jagdbehörde wiederum sprach von »äußerst unglücklichen Umständen«. Die Fanlager beider Seiten waren sich einig: Schwein gehabt.
Freiwillig mit einem Mann weniger
Gäbe es eine »Fairplay-Medaille in Schluchz«, sie ginge unter anderem an den SSV Markranstädt II, dessen Trainer in einem Spiel beim SV Süptitz freiwillig einen Mann vom Feld nahm. Und das alles nur, um den ersatzgeschwächten Gastgebern die Selbsteinwechslung ihres Trainers zu ersparen.
»Ich habe mitgekriegt, dass sich der Kollege für eine Einwechslung bereit macht. Wir kennen uns schon länger und ich dachte mir, es muss nicht sein, dass er im fortgeschrittenen Alter noch seine Knochen hinhalten muss«, erklärte Markranstädts Übungsleiter hinterher und auch, dass der Spieler, der den Platz im Sinne des Fairplay verlassen musste, die »Entscheidung mitgetragen habe«.
Klingt ein bisschen so, als würde die Bankangestellte, während sie in den Lauf einer Pistole blickt und eifrig alles Bargeld, das die Kassen hergeben, in eine Plastiktüte verpackt, die Entscheidung des Bankräubers »mittragen«, sich jetzt mal eben auf die bequem-brutale Art und Weise in Richtung Altersvorsorge zu orientieren. Ganz abgesehen davon, dass man sich als Sportler, und sei es als Trainer, der wohl aus guten Gründen überlegt, sich selbst einzuwechseln, von niemandem sagen lassen möchte, es sei doch besser, die eigenen Knochen zu schonen. Was wiederum so wäre, als würde die Bankangestellte dem Bankräuber die Waffe abnehmen und sich selbst damit bedrohen, weil ihm, dem Kriminellen, die Nervosität doch anzusehen sei. Wo bleibt da noch der Stolz auf das Erreichte? Und kommt Qualität nicht von quälen?
Den Sieg nahmen die Markranstädter übrigens trotzdem mit. Fairplay heißt schließlich nicht Selbstaufgabe.
Erfolgs-Flüchtlinge
Einst fand der FC Eschwege in die Saison wie ein Nacktmull zum Mond: gar nicht. Schnell setzte sich der Klub nach unten ab und am Tabellenende fest. Es passierte, was passiert, wenn Menschen mit dem Elend konfrontiert werden, wenn das Ego auf Tauchstation geht. Der Trend fraß seine Täter und hinterließ Spuren: Spieler um Spieler kehrten der Mannschaft den Rücken. Die, die bis eben noch zusammen verloren hatten, wollten plötzlich nicht mehr mit Verlierern zusammenspielen. Und also irgendwie nicht mit sich selbst. Bald schon stand der gesamte Verein auf der Kippe. Ohne Mannschaft lässt sich auch in Eschwege kein Fußball spielen.
Doch dann zeigte der Fußball, was er neben all dem Erfolgsstreben und der puren Freude am Spiel im besten Fall vor allem auch sein kann: eine integrative Kraft, die im Zusammenschluss viel mehr ist als die Summe ihrer einzelnen Teile.
Und so klingelte im Herbst der Katastrophensaison beim sportlichen Leiter des FC Eschwege das Telefon. Ob nicht zwei, drei aus Afrika stammende Flüchtlinge bei ihm trainieren könnten, fragten sie ihn und stießen nicht nur wegen der ohnehin prekären Lage des Klubs auf offene Ohren. Am Ende kamen 17 Mann.
Die belebten nicht nur den Verein wieder, sondern brachten zudem auch sportlich alles wieder auf die Reihe. Zwischenzeitlich spielte sich die Truppe sogar in einen regelrechten Rausch, der die Mannschaft zum Abschluss der Saison bis auf den zweiten Platz der Kreisliga C hievte. In den Aufstiegs-Play-offs war dann zwar Endstation. Aber es ist wie immer, wie bei jedem guten Märchen – wenn es zu kitschig wird, glaubt es hinterher wieder kein Mensch.
Oh, Na, Nie
Fußball, mächtige Kraft. Bringt Menschen zusammen. In einer Mannschaft, in einem Verein, im gesamten Land, wenn zum Beispiel Welt- und Kontinentalmeisterschaften rufen. Fußball, mächtige Kraft. Bringt Menschen in Aufregung. Weil der Trainer ein Blinder ist, weil der Schiedsrichter ein Blinder ist, weil der Stürmer ein Blinder ist. Fußball, mächtige Kraft. Schafft es sogar, den ansonsten so beschaulichen Schwarzwald in Aufregung zu versetzen.
Wie bei einem Spiel zwischen dem FC Viktoria Peterzell und dem FC Mönchweiler. Ein zähes Ringen auf Augenhöhe, es geht ordentlich zur Sache. Als Peterzells Stürmer Kevin H. dann in der 72. und 75. Minute trotz Unterzahl für die Entscheidung sorgt und zum sicheren Sieg trifft, gibt es kein Halten mehr. Emotionen, wo man schwer beschreiben kann, wie es der dortige Volksmund im ihm eigenen Anfall grammatikalischer Glücksüberforderung wohl sagen würde. Matchwinner H. versuchte sich schließlich trotzdem. Fußballgottseidank.
Im Spielbericht des Schiedsrichters liest sich das wie folgt: »In der 75. Spielminute ereignete sich folgender Sachverhalt: Der Spieler H. ließ sich, unmittelbar nachdem er das Tor zum 3:1 erzielt hat, im Torraum des FC Mönchweiler zu einer obszönen Geste verleiten. Er drehte sich in Richtung der Zuschauer, fasste sich in den Schritt und tat so, als würde er onanieren. Ich hatte freie Sicht auf den Spieler und verwies ihn mit der Roten Karte des Feldes. Spielfortsetzung: Anstoß für FC Mönchweiler.«
Abgewichste Entscheidung.
Wobei sich schlussendlich die Frage stellt, was denn nun das eigentliche Vergehen war, was genau dem Regelwerk widersprach? Was zum Beispiel wäre passiert, wäre es nicht nur bei einer Geste geblieben? Was wäre passiert, hätte sich der vom Glück übermannte Siegtorschütze seiner Hose entledigt und Hand angelegt, an sein, nun ja, nach dem Fuß, zweitbestes Stück? Wäre das ein den Regeln entsprechendes Verhalten gewesen und war der Platzverweis also nur deshalb zwangsläufig, weil die Masturbation quasi nur simuliert wurde, was, wie ja bekannt ist, im Fußball wirklich keinen Platz hat. Also das Simulieren. In Sachen Masturbation besteht noch Regelbedarf.
Der Bürgermeister als Joker
Politiker und Fußball – das ist in der Regel ein einziges Ärgernis. Da wechseln die Fanschals zuweilen häufiger als die eigene Meinung zur Steuerpolitik. Da sind Abgeordnete und Minister an einem Wochenende noch eingefleischte Anhänger dieses einen, dieses »ganz besonderen« Vereins, nur um am folgenden Spieltag kalt lächelnd auf der Ehrentribüne des ewigen Erzrivalen aufzutauchen. Purer Zufall auch, dass die Anzahl der Stadionbesuche zunimmt, je näher die Wahl rückt. Und hier, der Dingens, sagt der Abgeordnete und Minister dann zu seinem persönlichen Referenten, hier, der Dingens, sag mal schnell, der war doch mein Lieblingsstürmer, damals, in meiner Jugend, als wir verrückten Jungens immer nur eines im Kopf hatten – pöhlen natürlich. Ach, wie, der Dingens war gar kein Stürmer? Und hieß gar nicht Karl-Heinz mit Vornamen, weil Karl-Heinz Dingens war ein Eiskunstläufer? Ja gut, aber die Meisterschaft damals, das war noch was. Da zählte Kameradschaft noch was, und das wäre ja auch genau das, wofür er, der Herr Abgeordnete und Minister stehen würde. Mit seinem Namen. Klar.
Doch es geht auch anders.
In Sankt Martin, Landkreis Südliche Weinstraße, Verbandsgemeinde Maikammer, ist die Welt nämlich noch in Ordnung. Ein malerisch gelegener Luftkurort, eine verschworene Gemeinschaft und ein Fußballverein, der alles tut, seine Heimat würdevoll zu vertreten. Klar, dass der Bürgermeister mit gutem Beispiel vorangeht und auch im Klub, dem TuS St. Martin, Verantwortung übernimmt.
Wie etwa in einem Spiel gegen die dritte Mannschaft der TSG Deidesheim. Ein Spiel mit enormen Schwierigkeiten, sich für eine Richtung zu entscheiden, wie auch der Herr Bürgermeister erkannte. Prompt ließ er sich einwechseln und erzielte eine Minute später den erlösenden Siegtreffer. So sorgt man für gute Umfragewerte!
Raus und rein
Ein wesentlicher Garant für erfolgreichen Fußball ist die gute, alte Effizienz. Denn was nutzt es der heiß und innig geliebten Lieblingsmannschaft,