Woyzeck. Georg Büchner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Büchner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788726544336
Скачать книгу

      

      Georg Büchner

      Woyzeck

      Saga

      WoyzeckCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1879, 2020 Georg Büchner und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726544336

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      – a part of Egmont www.egmont.com

      PERSONEN

       

       Woyzeck

       

       Marie

       

       Hauptmann

       

       Doktor

       

       Tambourmajor

       

       Unteroffizier

       

       Andres

       

       Margret

       

       Budenbesitzer

       

       Marktschreier

       

       Alter Mann mit Leierkasten

       

       Jude

       

       Wirt

       

       Erster Handwerksbursch

       

       Zweiter Handwerksbursch

       

       Käthe

       

       Narr Karl

       

       Großmutter

       

       Erstes, zweites, drittes Kind

       

       Erste, zweite Person

       

       Polizeikommissar

      Soldaten, Studenten, Burschen und Mädchen.

      Kinder. Volk.

      Beim Hauptmann

      Hauptmann auf einem Stuhl; Woyzeck rasiert ihn.

      Hauptmann. Langsam, Woyzeck, langsam; eins nach dem andern! Er macht mir ganz schwindlig. Was soll ich dann mit den zehn Minuten anfangen, die Er heut zu früh fertig wird? Woyzeck, bedenk Er: Er hat noch seine schöne dreißig Jahr zu leben, dreißig Jahr! Macht dreihundertsechzig Monate! und Tage! Stunden! Minuten! Was will Er denn mit der ungeheuren Zeit all anfangen? Teil Er sich ein, Woyzeck!

      Woyzeck. Jawohl, Herr Hauptmann.

      Hauptmann. Es wird mir ganz angst um die Welt, wenn ich an die Ewigkeit denke. Beschäftigung, Woyzeck, Beschäftigung! Ewig: das ist ewig, das ist ewig — das siehst du ein; nun ist es aber wieder nicht ewig, und das ist ein Augenblick, ja, ein Augenblick — Woyzeck, es schaudert mich, wenn ich denke, daß sich die Welt in einem Tag herumdreht! Was’n Zeitverschwendung! Wo soll das hinaus? Woyzeck, ich kann kein Mühlrad mehr sehn, oder ich werd’ melancholisch.

      Woyzeck. Jawohl, Herr Hauptmann.

      Hauptmann. Woyzeck, Er sieht immer so verhetzt aus!

      Ein guter Mensch tut das nicht, ein guter Mensch, der sein gutes Gewissen hat. — Red Er doch was, Woyzeck! Was ist heut für Wetter?

      Woyzeck. Schlimm, Herr Hauptmann, schlimm: Wind!

      Hauptmann. Ich spür’s schon, ’s ist so was Geschwindes draußen; so ein Wind macht mir den Effekt wie eine Maus. (Pfiffig.) Ich glaub’, wir haben so was aus Süd-Nord?

      Woyzeck. Jawohl, Herr Hauptmann.

      Hauptmann. Ha! ha! ha! Süd-Nord! Ha! ha! ha! Oh, Er ist dumm, ganz abscheulich dumm! — (Gerührt.) Woyzeck, Er ist ein guter Mensch, — aber (mit Würde), Woyzeck, Er hat keine Moral! Moral, das ist, wenn man moralisch ist, versteht Er. Es ist ein gutes Wort. Er hat ein Kind ohne den Segen der Kirche, wie unser hochehrwürdiger Herr Garnisonsprediger sagt — ohne den Segen der Kirche, es ist nicht von mir.

      Woyzeck. Herr Hauptmann, der liebe Gott wird den armen Wurm nicht drum ansehen, ob das Amen drüber gesagt ist, eh er gemacht wurde. Der Herr sprach: Lasset die Kleinen zu mir kommen.

      Hauptmann. Was sagt Er da? Was ist das für eine kuriose Antwort? Er macht mich ganz konfus mit seiner Antwort. Wenn ich sag: Er, so mein’ ich Ihn, Ihn —

      Woyzeck. Wie arme Leut — Sehn Sie, Herr Hauptmann: Geld, Geld! Wer kein Geld hat — Da setz einmal eines seinesgleichen auf die Moral in die Welt! Man hat auch sein Fleisch und Blut. Unsereins ist doch einmal unselig in der und der andern Welt. Ich glaub, wenn wir in Himmel kämen, so müßten wir donnern helfen.

      Hauptmann. Woyzeck, Er hat keine Tugend! Er ist kein tugendhafter Mensch! Fleisch und Blut? Wenn ich am Fenster lieg, wenn’s geregnet hat, und den weißen Strümpfen so nachseh, wie sie über die Gassen springen — verdammt, Woyzeck, da kommt mir die Liebe! Ich hab auch Fleisch und Blut. Aber, Woyzeck, die Tugend! die Tugend! Wie sollte ich dann die Zeit herumbringen? Ich sag mir immer: du bist ein tugendhafter Mensch, (gerührt) ein guter Mensch, ein guter Mensch.

      Woyzeck. Ja, Herr Hauptmann, die Tugend — ich hab’s noch nit so aus. Sehn Sie: wir gemeine Leut, das hat keine Tugend, es kommt einem nur so die Natur; aber wenn ich ein Herr wär und hätt ein’ Hut und eine Uhr und eine Anglaise und könnt vornehm reden, ich wollt schon tugendhaft sein. Es muß was Schönes sein um die Tugend, Herr Hauptmann. Aber ich bin ein armer Kerl!

      Hauptmann. Gut, Woyzeck, du bist ein guter Mensch, ein guter Mensch. Aber du denkst zuviel, das zehrt; du siehst immer so verhetzt aus. — Der Diskurs hat mich ganz angegriffen. Geh jetzt, und renn nicht so; langsam, hübsch langsam die Straße hinunter!

      Freies Feld, die Stadt in der Ferne

      Woyzeck und Andres schneiden Stecken im Gebüsch.

       Andres (pfeift).

      Woyzeck. Ja, Andres, der Platz ist verflucht. Siehst du den lichten Streif da über das Gras hin, wo die Schwämme so nachwachsen? Da rollt abends der Kopf. Es hob ihn einmal einer auf, er meint’, es wär ein Igel: drei Tag und drei Nächt, und er lag auf den Hobelspänen. (Leise.) Andres, das waren die Freimaurer! ich hab’s, die Freimaurer!

      Andres(singt). Saßen dort zwei Hasen,

      Fraßen ab das grüne, grüne Gras . . .

      Woyzeck. Still! Hörst du’s, Andres? hörst du’s? Es geht was!

      Andres. Fraßen ab das grüne, grüne Gras,

      Bis auf den Rasen.

      Woyzeck. Es geht hinter mir, unter mir. (Stampft auf den