Don Juans Frau. Paul Oskar Höcker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Paul Oskar Höcker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711445457
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Schöpfungen wurden viel besprochen. Und überall wollte man seine blonde Frau kennenlernen, die für eine Schönheit galt.

      Seltsam: Felix hatte sie schon ganz aus dem Gedächtnis verloren. Er wusste nichts von ihr, hörte kaum zu, wenn über sie gesprochen wurde.

      Übrigens schien die Unruhe in ihm in den letzten Wochen fast beängstigend anzusteigen. Er war oft wie elektrisch geladen, fast hektisch. Die gute Laune, die er mitbrachte, wenn er sich zwischen der Atelierarbeit und irgendeiner Sitzung oder einem festlichen Empfang auf ein Stündchen zu Hause zeigte, war vorgetäuscht. Gewiss, er wusste Witziges zu erzählen, wie auch früher immer, er zitierte aus dem Gedächtnis oft lange, lustige Dialoge aus Shakespearekomödien, um Kordula anzuregen und auf fröhlichere Gedanken zu bringen, wenn sie ihn mit ihren ängstlichen Augen so bittend und forschend ansah — aber gerade dann fühlte sie, dass er an ganz anderes dachte.

      „Seine grosse Liebe kommt ja aus Boston zurück!“ warf Fritzi einmal unüberlegt hin. Es klang, als sei er in solchen Dingen nicht ernst zu nehmen. Sie schüttelte lachend den Kopf dabei.

      Kordula hatte sich über ein paar Wunderlichkeiten ihres Mannes wohl etwas zu vertraulich geäussert, vielleicht gerade, weil Fritzi ihr so aus vollem Herzen von ihrem namenlosen Glück erzählte. Aber der plötzliche Ernst in Kordulas Zügen, der wie ein Schreck wirkte, teilte sich sofort auch Fritzis Miene mit. Sie suchte die Entgleisung rasch zu entschuldigen. Aber je mehr sie sagte, da Kordula schwieg, desto schlimmer wurde es ...

      Eine Stunde später rief Fritzi von daheim bei ihr an und bat noch einmal um Verzeihung für die oberflächlich hingeworfene Bemerkung. Sie könnte sich’s niemals vergeben, wenn sie Frau Haddendahl ernstlich gekränkt haben sollte.

      Kordula brauchte einige Zeit, bis sie die Fassung wiederfand. Sie hatte gelernt, die kleinen Abenteuer, mit denen Felix seinen Lebensweg schmückte, zu übersehen. Aber vor einer wirklich grossen Liebe, die ihn etwa überfiele, ängstigte sie sich. Er war ein grosser Wortkünstler. Seine blitzhaften Einfälle, seine schalksnärrischen Verdrehungen, wenn er plötzliche Entschlüsse zu begründen, zu erklären, zu verteidigen suchte, waren für sie stets das Zeichen, dass da etwas Neues in ihm rang. Er war aber bis zur letzten Sekunde seines lustigen Abschieds immer so ritterlich, so zärtlich, fast väterlich in seiner ganzen jungen Art, dass sie sich zwang, nur auf den guten Ton seines Herzens zu hören, dessen Schlag ihr ja doch ganz allein galt.

      „In Boston“, sagte Kordula mit trockenem Munde, „lebt Mary Horlovius. Eine Jugendbekannte von Felix. Meinten Sie die?“

      „Ach, eine Studentenschwärmerei, gewiss nicht mehr. Es war tatsächlich nur eine dumme Redensart, hingeworfen ohne jede Berechtigung. Hans hab’ ich’s gebeichtet. Er hat mir zu Hause arg zugesetzt. Zum erstenmal, seitdem wir verheiratet sind.“

      Nach einer Pause nahm Kordula das Gespräch wieder auf. Ihre Stimme klang angstvoll. „Wir sind doch jetzt befreundet, Fritzi, nicht? Wollen Sie immer ehrlich zu mir ein?“

      „Aber gewiss, gewiss!“

      „Auch wenn das Leben Sie zwingt, mir dabei einmal wehe zu tun?“

      Nun zögerte Fritzi. „Nehmen Sie jetzt nicht alles viel zu schwer?“

      „Ich muss die ganze Wahrheit wissen. Sonst ängstigt mich’s um so stärker aus verborgenen Ecken heraus. So bin ich nun einmal geworden. Warum kommt Mary Horlovius zurück? Wann? Auf längere Zeit? Sie ist doch verheiratet? Mit Griffith, der das Geschäft ihres Vaters führt?“

      „Nicht mehr. Griffith ist aus der Firma Horlovius ausgeschieden. Mary will sich von ihrem Mann trennen. Sie hat sich in die Geschäfte drüben schon lange eingearbeitet. Der geschäftlichen Verbindungen halber kommt sie nach Europa. Natürlich wird sie auch mit der Firma Haddendahl verhandeln ... Aber das braucht Sie doch nicht zu beunruhigen!“ Fritzi versuchte zu lachen. „Wegen eines dummen Worts von mir?“

      „Ich fühle es doch schon seit Wochen, dass das Verhängnis unterwegs ist ...“ Kordula sass totenbleich da, den Kopf gesenkt. Sie kam sich trostlos verlassen vor. „Noch eins, liebe Fritzi: Glauben Sie nur ja nicht, dass es echte Freundschaft wäre, wenn Sie mir jetzt etwas verschweigen wollten, um mich zu schonen. Ich muss gerüstet sein. Helfen Sie mir also! Vertuschen hilft mir nicht.“

      Fritzi wurde stark bewegt von Kordulas Schmerz und Angst. Sie versprach jetzt alles, was Kordula verlangte.

      In der Folge verblasste der Glanz, der Felix bisher in Fritzis Augen umwoben hatte, merkwürdig schnell. Seine Kunstfertigkeit, die Frauen zu bezaubern, begriff sie kaum mehr. Über all die leichtgläubigen, rasch verliebten, rasch gewonnenen, rasch verlassenen Opfer, die er immer wieder fand, konnte sie jetzt mitleidig lächeln. Seltsamerweise aber mischte sich in diese Überlegenheit und in diesen Ärger dabei doch eine gewisse Eifersucht.

      Fritzi fühlte wohl heraus, dass die Zuneigung, die ihn mit dieser jungen Amerikanerin verband, all seine anderen Empfindungen weit übertraf. Es sprach sich in seinem ganzen Wesen aus, in der nervösen Unruhe, in der Hetze seiner geschäftlichen Tätigkeit, ja, zum erstenmal sogar in seiner künstlerischen Arbeit. Denn nichts wollte ihm mehr gelingen. Die innere Sammlung fehlte ihm. Mary Horlovius lebte in seiner Erinnerung als die einzige Frau, die dafür geschaffen schien, ihn aus seiner seelischen Einsamkeit zu erlösen.

      Ging es nach Fritzis Wunsch, dann fand seine Hoffnung jetzt eine niederschmetternde Enttäuschung. Die gönnte sie ihm, der nur im Spass, in der Sekt- und Tanzlaune, auf der Lustspielseite des Lebens, Zwiesprache und Aussprache kannte.

      Jede Zeile, die von der Amerikanerin mit Flugpost ins Haus Haddendahl kam, las sie voller Spannung. Moll war klug. Alles Geschäftliche in ihren Briefen schien klar überlegt; auch in technische Einzelheiten der neuen Erfindung hatte sie sich erstaunlich gut hineingefunden — aber die Frau verriet sich darin doch: Sie fand nämlich kein Ende in ihren handschriftlich zugefügten Nachsätzen. Für Fritzi waren diese natürlich das Allerwichtigste.

      Wie das Gefühl einer Rache an Felix empfand sie’s, als sie all die Pläne, die Moll über ihre Reisen innerhalb Europas gefasst hatte, besonders über die Zeiten, die ihr für Berlin blieben, ohne jede Einschränkung Kordula wiedergab.

      Kordula hörte still zu. Sie hatte ihre feine, schlanke Rechte auf Fritzis Handgelenk gelegt. Fritzi fühlte das leichte Zittern, das durch Kordulas Glieder ging.

      Nachher erst kam es heraus: Felix hatte seiner Frau noch keine einzige Silbe davon gesagt, dass Mrs. Griffith aus Boston zu Besuch kam, dass sie im Scheidungsprozess stand, dass sie die väterliche Firma vertrat, mit der die Firma Haddendahl vor wichtigen Geschäftsabschlüssen stand, und, vor allem, dass Moll seine grosse Jugendliebe war!

      „Ich werde ihn nicht ausfragen — werde ihm auch nicht verraten, dass ich schon in vieles eingeweiht war.“ Kordula dankte Fritzi, nahm ihren Arm und wanderte mit ihr durch die schönen, stillen, ernsten Säle.

      Von der tiefen Demütigung, die sie empfand, wollte sie sich nichts anmerken lassen. Sie sprach über die Bauarbeiten, die Hans Kern draussen auf Schwanenwerder in den wenigen Monaten so überraschend gefördert hatte. Jetzt machte auch schon die Inneneinrichtung sichtliche Fortschritte.

      Kordula zwang sich zu einem Lächeln. „Das sind ja alles nur schüchterne Versuche, ein Glück auf eine verborgene Insel zu retten!“ sagte sie. „Vielleicht kann es sich aber doch nicht entfalten ohne den Sprung über den Ozean ...“

      „Liebe Frau Kordula —!“ warf Fritzi ein, nun doch wieder stärker bewegt, als sie’s zeigen wollte.

      Kordula wehrte ihr. „Es wird ein Kampf — das weiss ich! Aber wenigstens kann ich mich jetzt darauf rüsten. Nein, es soll keine Tränen geben. Die hasst er zu sehr. Ich will ihn von allem erlösen, was ihn hier bedrückt, geärgert, herausgefordert hat. Mutter muss ihre grossen Sammlungen wieder zu sich nehmen, die ganze weitschweifige, umständliche Einrichtung. Wir passen beide nicht hinein. Das kleine Anwesen da draussen kann also ein neuer Anfang werden. Vielleicht. Ich hoffe es ja noch immer.“

      ... Ein paar Tage, nachdem das Kabelgramm Marys Abreise von New York gemeldet hatte, erklärte Felix seiner Frau, dass er in London zu tun habe. „Wohl