Für mich gab's nur Jérôme - Katharina von Württemberg und Jérôme Bonaparte. Utta Keppler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Utta Keppler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711708552
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Sie … halten Sie Freundschaft mit unseren Untergebenen, und Sie werden endlich Ruhe genießen. Ich grüße Sie herzlichst!

      Brunet.«

      Toussaint schrieb später: »Um acht Uhr traf ich im Haus des Generals ein. Nachdem er mich in ein Zimmer geführt hatte, entschuldigte er sich, daß er mich einen Augenblick allein lassen müsse, und ließ einen Offizier rufen, um mir Gesellschaft zu leisten. Er war kaum gegangen, als ich brutal gefesselt und hinausgezerrt wurde …«

      Zwischenspiel

      In Paris bezog Jérôme seine alte Wohnung in den Tuilerien; Feste, Empfänge, Bälle, Assembleen wechselten auf seinem Kalender, er hielt es nicht ohne Trubel aus, ohne Bewunderung, und natürlich war es unumgänglich, sich einen neuen Anzug beim ersten Pariser Schneider machen zu lassen, halb Uniform eines Fähnrichs zur See, halb Hofkleid mit Seidenhosen. Er kaufte die kostbarsten Schmuckstücke für seine Freundinnen, zog Wechsel auf den Bankier Bourrienne, der mit den »Hoflieferanten« ein Abkommen getroffen hatte und sich dafür bezahlen ließ. Sie boten dem »kleinen Verschwender« immer herrlichere Preziosen an, und wenn Napoleon ihn wegen seiner Ausgaben zur Rede stellte, hatte er die nicht mehr ganz neue Ausrede: »Ich liebe eben die schönen Dinge« – eine hübsche Wendung, die nur den Fehler hatte, daß das »gut und schön« der Griechen, von dem Jérôme gewiß einmal im Internat gehört hatte, sich zwar auf die »Schönheit des Guten«, nicht aber in jedem Fall auf »Gutsein des Schönen« beziehen ließ. Leider hatte der große Bruder schon als Konsul eine sehr agile Geheimpolizei eingerichtet, die über Jérômes Unmäßigkeit jetzt haarsträubende Einzelheiten meldete, so daß Napoleon ihn wieder aus Paris entfernte.

      Er wurde – ob willig oder nicht – auf der Epervier eingeschifft, die nach den Antillen segelte. Wenigstens setzte er mit sanfter Schmeichelei durch, daß sein Freund aus Saint Domingue, der junge Kapitänleutnant Halgan, die Brigg befehligte. Auch die übrigen Offiziere waren ehemalige Kameraden aus der Kolonie.

      Und er wäre nicht Jérôme gewesen, wenn er nicht einige Verzögerungen als unabdingbar notwendig erklärt hätte, Reparaturen am Schiff, Verschönerungen, die Herstellung neuer Wimpel und Fahnen, die er – als Ratgeber und Vertreter des Kommandanten – entwarf. Also Aufenthalt in Nantes – erst mußte ja die Brigg betakelt werden – und endlich Abreise.

      Am 28. Oktober erreichte man Saint Pierre de la Martinique. Admiral Villaret-Joyeuse ernannte Jérôme zum Kapitänleutnant, in der Hoffnung, beim Konsul empfohlen zu werden. Und da Halgan krank wurde, meldete sich Jérôme für den Posten des Kommandanten und – bekam ihn.

      Napoleon erfuhr zu spät davon, vielleicht dachte er, wie manch anderer von Jérômes Vorgesetzten: »Die Antillen sind weit genug weg …«

      Talleyrand, der von der Sache hörte, sagte zu einem seiner Sekretäre: »Dieser Bursche ist anmaßend und ohne Maß!«

      Und der, ein gescheiter Mensch, gab zurück: »In unserer Epoche, Exzellenz, wo man die große Gebärde, das Pathos, die Bilder und Symbole im Blut ertränkt hat, fallen die Leute auf jede hohle theatralische Geste herein. Ein hübsches Gesicht und eine modische Frisur, eine gutgeschneiderte Uniform und ein sicheres anmaßendes Benehmen täuschen ihnen das vor, was sie entbehren. Mit ein bißchen Frechheit und savoir vivre ist das meiste getan!«

      Der Minister lachte und meinte, einiges an Wissen und Können gehöre doch wohl auch noch dazu; für den Moment und vor dem Hintergrund des brüderlichen Ruhmes möge allerdings das blenden, was Jérôme zu bieten habe.

      Dieser Ruhm des Ersten Konsuls wuchs beständig, nicht nur, weil die Nation das Bedürfnis nach »Gloire« verspürte.

      Napoleon hatte, schon als er 1797 Erster Konsul geworden war, die fast unüberschaubaren Staatsschulden aufgedeckt, die Unbrauchbarkeit einer Armee erkannt, die schlecht besoldet und ernährt war, und die Findelhäuser untersucht, in denen die Kinder zu Hunderten verhungerten, wenn sie sich nicht als kleine Diebe und Straßenräuber durchschlugen; er hatte sich um Siechenbaracken und Ärzte gekümmert, und es zeigte sich, daß er nicht nur Feldherr und mitreißender Volkstribun war, sondern ein Organisator, der Ordnung und harte Disziplin von sich und seiner Umgebung forderte.

      Von alledem besaß der »Kleine« nichts, aber er benahm sich, als habe Fortuna, die er im übrigen für seine verpflichtete Untergebene hielt, ihm alle ihre Kränze zugedacht und ihn ausersehen, das schwer erkämpfte Kriegsglück seines Bruders durch den Schimmer seiner königlichen Gesten erst wirklich sichtbar zu machen.

      Friedrich von Württemberg

      Im Stuttgarter Schloß, dessen Bau noch Herzog Carl Eugen begonnen hatte, residierte seit dem Dezember 1797 Herzog Friedrich von Württemberg, ein Sohn des Herzogs Friedrich Eugen, der nur ein knappes Jahr lang regiert hatte oder, wie ein französischer Agent schrieb, durch seine Gemahlin, die Prinzessin von Brandenburg-Schwedt, regiert worden war.

      Friedrich stapfte auf und ab; das Parkett spiegelte in bräunlichem Blond, die Kristallüster klirrten bei jedem Schritt, den der riesenhafte Herr tat, auf und ab, auf und ab, während die Kerzen über ihm zitterten, die Dielen knirschten und der breite schwere Sessel, der ihn aufnehmen sollte, hie und da mit einem starken Stoß weggerückt wurde.

      Friedrichs graugepudertes Haar, in einer Art flüchtiger Zopffrisur zusammengehalten, klebte im Nacken. Er schnaufte heftig und schwenkte die starken Arme, als wolle er etwas greifen oder zerdrücken, dann ließ er sie an sich herunterfallen wie Gewichte.

      Er war allein im Raum, die Diener standen vor der Tür und hofften, der Herr möge bald schlafen gehen.

      »So ist das, seit er krank ist«, flüsterte einer, ein Älterer, dem neu eingestellten Lakaien zu. »Weißt schon, der Graf Zeppelin«.

      »Ja, hab’s gehört.«

      Graf Zeppelin, der Minister, Berater, einzige Freund des verbitterten Herzogs, war schwerkrank. Friedrich hatte ihn täglich gesehen, befragt, sogar mit ihm geplaudert, ein Wort, das sonst in seinem streng geordneten Sprachschatz fehlte. Jetzt hetzte er die Ärzte, zornig und verzweifelt, nach Hilfe für den Kranken herum.

      Die Leute vor der Tür guckten sich verschüchert an. »Da sei was nicht ganz hasenrein … heißt es.«

      »Um Gottes willen«, warnte der Grauhaarige, »sag das nicht!«

      Es gab freilich nichts, was die schwäbischen Pietisten hätte empören können, nur eine Art Sohnesfreundschaft und ehrfürchtige, manchmal nachsichtig-zärtliche Rücksicht auf den dunklen Koloß und seine vulkanische Natur; und vom Herzog her vielleicht den heftigen, gewalttätigen, fordernden Anspruch auf unbedingte Zuverlässigkeit.

      Er hatte gelacht und gelächelt, wenn Zeppelin hereingetreten war, und jetzt stieß und würgte den Alleinherrscher das Gefühl der Machtlosigkeit einer rätselhaften Krankheit gegenüber.

      »Vorgestern«, flüsterte der jüngere Kammerdiener, »war er eingeschlafen, mit dem Kopf auf dem Tisch. Er hat nicht geläutet, aber weil ich ihn schnarchen hörte – ich hatte das erstemal Dienst –, kriegte ich Angst, es könnte ihm etwas fehlen, er schnarchte so laut … da bin ich doch hinein, ganz leis, und sah ihn sitzen und ließ ihn.«

      Friedrich klingelte. Zwei Diener kamen unter Bücklingen herein.

      »Wecken, morgen früh, wie immer!« Der massige Kopf ruckte auf den Schultern, als rühre sich ein Steinblock auf dem Sockel. »Und morgen um zehn Uhr soll der Dannecker antreten, der Sculpteur, verstanden?«

      Als Dannecker sich meldete, ein kräftiger Mann mit einem schwäbischen großen Mund und halblangem hellbraunem Haar, ließ ihn Friedrich sofort hereinrufen, unterbrach die Besprechung mit dem russischen Geschäftsträger und winkte: »Prenez place, Dannecker! Ich brauche einen Entwurf, eine Skizze, nach Ihren Notizen – das Modell steht im Moment nicht zur Verfügung.«

      Dannecker zog vorsichtig einen Stuhl heran, verbeugte sich noch einmal und setzte sich. »Zu Diensten, Durchlaucht.«

      »Ich will von Ihnen ein Porträt des Grafen Zeppelin. Er ist krank, die Ignoranten von Medizinern