Überraschung auf dem Reiterhof. Torbjörg Hagström. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Torbjörg Hagström
Издательство: Bookwire
Серия: Petra
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711786840
Скачать книгу
stiegen eine weitere Treppe hinauf, die zur Mansarde führte. „Hier haben wir zwei Dachzimmer“, fuhr Rolf fort. „Eines ist für dich bestimmt und das andere für Reitschüler.“

      Petra öffnete die Tür zur Linken, und Rolf trug ihren Koffer über die Schwelle. Es war ein kleiner, heller Raum mit schrägen Wänden, geblümter Tapete und einem abgetretenen, aber sauberen Flickenteppich auf dem Boden.

      „Ich muß vor dem Essen noch die Jungpferde tränken“, sagte Rolf. „Du bist sicher froh, wenn du dich ein bißchen ausruhen kannst.“ Er nickte ihr freundlich zu und ging aus dem Zimmer.

      Petra trat ans Fenster und sah hinaus. Vor dem Haus war ein Obstgarten, und daran grenzte eine große Wiese mit einer Gruppe mächtiger Eichen in der Mitte. Die meisten Pferde waren von den Bäumen verdeckt, doch plötzlich lief ein dunkles Fohlen im Galopp über die Wiese. Als es sich dem Haus zuwandte, sah Petra, daß es die gleiche Blesse wie Saphir hatte. Doch wo war Saphir selbst? Petra konnte es kaum erwarten, ihren einstigen Schützling wiederzusehen.

      Sie öffnete den Koffer und nahm ihre neue Reitjacke heraus, die obenauf lag. Die Jacke war ein Geschenk ihrer Eltern zum siebzehnten Geburtstag, und sie hatte sie noch nie getragen. „Wenn du in einem Gestüt arbeitest, mußt du doch eine Reitjacke haben“, hatte ihre Mutter gesagt. Petra glaubte zwar nicht, daß das unbedingt notwendig war, aber sie hatte sich trotzdem sehr über das schöne Geschenk gefreut. Nun hängte sie die Jacke sorgsam auf einen Bügel und packte weiter aus.

      Als ihr Koffer leer war, zog sie ihr ärmelloses weißes Sommerkleid an. Sie kämmte ihr schulterlanges, honigfarbenes Haar und ging dann die Treppe hinunter.

      Die Tür zum Wohnzimmer stand noch immer angelehnt, und Petra schlüpfte hinein, um sich das Pferdebild näher anzusehen, das ihr vorher aufgefallen war. Auf den ersten Blick war es ihr vorgekommen, als hätte ein Schimmel auf dem Bild Ähnlichkeit mit Saphir. Nun sah sie, daß die Ähnlichkeit nicht nur ein Zufall war. Der Künstler hatte wirklich Saphir dargestellt.

      An der gegenüberliegenden Wand des Wohnzimmers hing ein weiteres Bild, das fünf grasende Stuten mit einem Fohlen zeigte. Petra nahm an, daß das die Zuchtstuten von Strandängen waren. Doch wer hatte die Bilder gemalt?

      In der rechten Ecke des größeren Bildes war ein kleines Eichenblatt eingezeichnet, auf dem „Mick“ stand. Mick? So hieß doch der junge Pferdepfleger. Hatte er diese Bilder gemalt?

      Petra trat wieder auf den Flur. Jetzt wollte sie sich die Pferde ansehen.

      Unter den Apfelbäumen wuchs das Gras hoch. Hier und dort blühten Butterblumen und Glockenblumen. Plötzlich entdeckte Petra einen Baum, der gerade in voller Blüte stand. Es war eine Eberesche. Sie blieb stehen und bog den untersten Zweig zu sich herab, um an den Blüten zu riechen.

      Eigentlich dufteten sie gar nicht besonders gut. Es war ein wilder, herber Geruch, ganz anders als der Duft von Obstbaumblüten.

      Als Petra den Zweig losließ, entdeckte sie, daß sie beobachtet wurde, und zwar von einem Jungen, der ungefähr in ihrem Alter sein mußte. Er trug Jeans und ein ausgebleichtes Hemd. In der rechten Hand hielt er eine Reitkappe und eine Trense.

      Offenbar war er von der Koppel gekommen, doch jetzt stand er unbeweglich da. Seine Haare waren dunkel, seine Augen nußbraun. Quer über seinen schmalen Nasenrücken zog sich eine Schramme.

      Petra brach das Schweigen. „Hallo“, sagte sie. „Du mußt Mick sein.“

      „Ja. Und du Petra.“

      „Stimmt. Ich bin eben erst angekommen und wollte mir die Pferde ansehen.“

      Mick nickte. „Die Stuten sind mit ihren Fohlen dort auf der großen Koppel. Wie ich von Rolf gehört habe, willst du ein Fohlen kaufen?“

      „Ja. Ein Fohlen oder ein Jungpferd.“

      „Die Jungpferde sind auf der anderen Seite des Stalles“, erklärte Mick. „Ich muß jetzt in die Sattelkammer. Wir sehen uns dann beim Abendessen.“

      Petra ging durch das hohe Gras weiter zum Zaun. Das dunkle Fohlen, das sie vom Fenster aus gesehen hatte, trank gerade bei seiner Mutter, einer schönen schwarzbraunen Stute. Noch drei weitere Stuten mit Fohlen waren auf der Koppel; also insgesamt vier Stuten und nicht fünf wie auf dem Bild im Wohnzimmer.

      Etwas weiter entfernt, näher dem See zu, war noch eine kleinere Wiese. Als Petra sich umwandte, um zum Haus zurückzugehen, fiel ihr Blick auf ein rötliches Pferd, das dort unbeweglich mit hoch erhobenem Kopf stand und sie ansah.

      Was für ein schönes Tier! dachte Petra bewundernd. Rasch ging sie zum Koppelzaun und lockte die Fuchsstute. Die spitzte ihre wohlgeformten Ohren, kam jedoch nicht näher. Ihre glänzenden Augen waren furchtsam geweitet, ihre Nüstern gebläht.

      „Willst du nicht herkommen?“ fragte Petra sanft. „Na, wir werden schon noch miteinander bekannt werden, ehe der Sommer vorüber ist.“

      Mick hatte es offenbar geschafft, sich vor dem Essen noch zu waschen, doch die Schramme auf seiner Nase war nun um so deutlicher zu sehen.

      „Was hast du denn mit deinem Gesicht gemacht?“ fragte Gerda Lövdahl.

      „Ach, daran bin ich selbst schuld“, erklärte Mick. „Ein Fasan flog vor uns auf, und Saga scheute. Sie galoppierte direkt in ein Dickicht, und ich duckte mich nicht schnell genug.“

      „Saga?“ wiederholte Petra fragend, und im gleichen Augenblick sagte Gerda: „Du solltest auf der Reitbahn bleiben, bis sie sicherer ist! Wie ging es heute mit ihr?“

      „Einigermaßen. Ich bin ohne Sattel geritten, und das scheint sie an alte Zeiten zu erinnern.“

      „Saga ist das Jungpferd, von dem ich dir im Auto erzählt habe“, sagte Rolf in Petras Richtung.

      Bei Rolfs Worten erschien eine kleine Falte zwischen Micks Augenbrauen. Sein Blick ging von Rolf zu Petra, die rasch auf ihren Teller niedersah. Rolf merkte nichts davon.

      „Hast du sie in den Stall gebracht?“ fragte er.

      Mick schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe sie auf der kleinen Koppel freigelassen. Die ist ja jetzt leer.“

      „Ach, dann habe ich Saga wohl vorher schon gesehen“, sagte Petra. „Ist sie ein schöner Fuchs mit Streifenblesse?“

      „Zum Reiten ist sie nicht so besonders schön“, erwiderte Mick verdrießlich. „Das Pferd ist richtig verrückt.“

      Rolf blickte ihn erstaunt an. „Das sagst ausgerechnet du, der Saga sonst immer so glühend verteidigt? Aber es stimmt schon, sie ist sehr nervös. Das hat sie von ihrer Mutter Donna. Diese Mädchen, an die wir sie damals verkauft haben, konnten natürlich noch nicht richtig mit Pferden umgehen; aber ihr Vater konnte schließlich reiten und wollte ihnen helfen.“

      „Ja, er hat’s wohl versucht“, meinte Gerda, „aber er hielt Saga für bösartig und wollte ihr ,die Mucken austreiben‘, wie er es nannte.“

      „Und davon wurde es nur noch schlimmer mir ihr“, warf Mick ein. „Schließlich wagte es keiner mehr, Saga zu reiten, und da durfte sie nach Strandängen zurückkommen.“

      „Ach, wir kriegen Saga schon wieder hin“, erwiderte Rolf. „Mick, willst du Petra nach dem Essen ein bißchen herumführen?“

      „Klar, das mach ich gern!“

      Petra konnte es kaum erwarten, bis die Teller leergegessen waren. Natürlich war der große Stall das erste Ziel ihres Rundganges. Die Boxen waren fast alle leer, doch im Hintergrund schaute ein dunkeläugiger Schimmel über die Tür einer Box. Petra eilte auf ihn zu. Endlich sah sie Saphir wieder!

      Der Junghengst sah ein wenig fremd aus, und einen Augenblick lang fiel es Petra schwer, in diesem Pferd ihren Saphir wiederzuerkennen, der mit seinem dicken Winterfell im heimatlichen Stall auf dem Granberghof gestanden hatte. Natürlich war er jetzt im Frühling heller geworden, aber es lag nicht nur an der veränderten Farbe des Fells. Petra erinnerte sich, daß Saphirs Mähne im letzten Winter gestutzt gewesen