Im Spukschloss Monbijou. Nataly von Eschstruth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nataly von Eschstruth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788711472941
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ganzen kommenden zwölf Monate mit dem rechten Fuss aus dem Bett aufgestanden sein!“

      Bill lacht, aber die Stimme klingt wehmütig.

      „Ich habe schon den Neujahrsbrief vom Onkel intus!“ seufzt er. „Heute morgen auf nüchternen Magen! Na, weisst du, Savaburg, darum gerade kam ich her!“

      „O du Schreck!“ stiess der Oberleutnant kurz hervor und sah doch ein wenig ernster als sonst dabei aus. „Setz’ dich, alter Junge, und dann frisch von der Leber! Du weisst, dass jedes deiner Worte gut bei mir aufgehoben ist!“

      „Ich hätte gar nicht gedacht, dass es hier in der Stadt respektive Gesellschaft solche Klatschmäuler gibt!“

      „Nanu? Klatschmäuler? Deutlicher!“

      „Wie ist es möglich, dass in der Stadt bekannt geworden ist, dass ich ein Schauspiel geschrieben habe?“

      „Das ist bekannt geworden? Wie sollte das möglich sein! Hast du jemals zu irgendeiner Persönlichkeit davon gesprochen?“

      „Zu Kameraden? Oder einem Mitglied der Gesellschaft? Nie, Savaburg, dazu ist das Geheimnis viel zu kostbar und wichtig.“

      Einen Augenblick zögerte der Regimentsadjutant noch, dann legte er die Hand auf die Schulter des Freundes und sagte langsam: „Entsinnst du dich noch des ersten grossen Liebesmahls, das du anlässlich der Anwesenheit unseres allerhöchsten Chefs, Karl Ferdinand, hier bei uns im Kasino feiertest?“

      Bill sah den Sprecher starr an. „Na, höre mal — das kannst du nicht verlangen! Die Feier an und für sich, ja, aber die Details, oder gar Unterhaltungen — nein, da habe ich keine Ahnung mehr von!“

      Sigurd lachte: „Na, dann auch Schwamm über diesen vin triste — den rtaurigen Wein, der dich indiskret machte!“

      „Ich habe selber geschwatzt?“ entsetzte sich Unterlüss und reckte sich empor, als wolle er Front gegen seine eigne Persönlichkeit machen. „Wie ist denn das möglich?“

      „Wir wollen den Mantel der Liebe darum hängen, alter Junge! Aber es ist eine Tatsache, dass du selber an denkbar ungünstigster Stelle Konfidenzen über dein Talent und dein erstes Geisteskind gemacht hast!“

      „Kannst du mir sagen, gegen wen?“

      „Wenn du es absolut wissen willst, um die Kameraden von dem Verdacht der Indiskretion zu entlasten — magst du es hören — dem Siebelmeyer, der zweiten Ordonnanz, hast du es als Ausgeburt eines ungeheuren Schwipses anvertraut, Bill! Als ich merkte, dass du dein Talent als Geheimnis hütetest, drehte ich die ganze Chose so, als ob du im Rausch nur Shakespeare phantasiert hättest!“

      Unterlüss schlug sich mit der flachen Hand aufs Knie.

      „Bin ich denn total durchgedreht gewesen?“ stöhnte er, fasste sich aber sogleich und nickte. „Mir ahnte doch so was, als ob da irgendein Ulk mit dem Liebesmahl verknüft gewesen sei! — Hab’ jedenfalls herzlichen Dank, treue alte Seele, dass du mir die rettende Planke hingeworfen hast!“

      „In allem Ernst gesprochen, Bill, ist es tatsächlich in den Augen deines Onkels ein Verbrechen, Dramen zu schreiben?“

      Der Gefragte zuckte resigniert die Achseln. „Es ist tatsächlich so. — Sieh mal, wenn so ein alter Hagestolz plötzlich zum Vormund eines heranwachsenden Jungen gemacht wird, so hat er von ‚rationeller‘ Erziehung meist keinen Dunst und denkt, es kommt nur auf das Nörgeln und Verbieten an!“

      „So eine Gemeinheit! Das nenne ich nicht erziehen, sondern schikanieren!“

      Bill sah so geduldig aus. „Ich glaube nicht, dass er es bös meinte. Aber siehst du, er war so ein Landedelmann vom alten Regime! Er hielt es unter seiner Würde, einen Unterlüss mit Larifari und Faxen beschäftigt, anstatt ihn als ehrbares Mitglied der menschlichen Gesellschaft im Staatsdienst zu sehen!“

      „Na ja! Alter Zopf! Gottlob, dass er abgeschnitten ist! — Und was will denn der alte Herr heute zum Neujahrstag von dir?“

      „Er scheint es sich noch immer nicht abgewöhnt zu haben, mich durch irgendwelche denkeifrige Elemente beobachten zu lassen.“

      „Oha!“

      „Lass ihn, er hat nun mal seine Schrullen.“

      „Und einen grossen Geldsack! Um dieses willen wollen wir ihn schweigend gewähren lassen! — Und was erfuhr er für ein Sündenregister?“

      „Dass ich ein Tragöde sei und heimlich Stücke schrieb!“

      Savaburg prustete laut auf vor Lachen.

      „Mensch — so hat man dich verketzert? Das ist ja allerdings ein Kapitalverbrechen, das nur mit Seife und Blut abgewaschen werden kann!“

      „Man sollte es annehmen, so ungemütlich wird der alte Herr in seinem heutigen Brief!“

      „Was verlangt er?“

      „Nichts Geringeres als den strikten Gehorsam, meine ‚Gesammelten Werke‘ unverzüglich zu verbrennen und ihm das Ehrenwort zu geben, dass es geschehen ist.“

      „Donnerwetter — das ist hart. Und was erhältst du als Äquivalent?“

      „Die Hoffnung, ihn mal zu beerben!“

      „Ihn zu beerben? Weiter nichts? Das ist doch selbstverständlich!“

      Bill entwickelte ein rot gebundenes Heft aus den Tiefen seines Paletots.

      „Ich habe nur ein einziges Stück geschrieben, aber ich liebe es, wie ein Vater sein Kind. Und darum komme ich zu dir, Sigurd. Du bist die einzige Seele, der ich voll und ganz vertraue! Noch nie schloss ich mich einem anderen Menschen in solcher Freundschaft an, wie dir! — Ehe ich nun das Grausige tue, und meinen Liebling vernichte, gönne mir noch einmal die Freude, die Verse, welche mit soviel Begeisterung von mir niedergeschrieben sind, einmal laut vor einem anderen mit fühlendem Herzen erklingen zu hören. Hast du in den nächsten Tagen Zeit, so bitte ich dich um das Opfer etlicher Stunden, in denen ich dir das Stück vorlese! — Es dauert nicht lange — ist ja nur ein Abschied!“

      Sigurd stand jäh auf und legte den Arm um den Freund.

      „Kopf hoch!“ sagte er so frisch, wie es ihm bei seiner eignen Erregung möglich war. „Wir wollen genussreiche Stunden feiern. Ich habe ein gutes Gedächtnis und kann dich öfters durch ein Zitat aus deinem Werk an dasselbe erinnern. — Wann wollen wir lesen?“ Er sann einen Augenblick nach, ein jähes Aufblitzen ging durch seine schönen, geistvollen Augen. „Passt es dir übermorgen? Ich kann mich für den Abend frei machen!“

      Unterlüss stand schon wieder ganz im Bann von Sigurds so liebenswürdigem Humor, er steckte sich die Zigarette an, die der Freund in eleganten Silberetui darbot.

      Als er kurz danach Mütze und Säbel ergriff, um sich zu verabschieden, sah er gar nicht so verzweifelt aus wie ein Vater, der sein „Einzigstes“ bei fremden Leuten zurücklassen muss. Ernst allerdings, — sehr ernst.

      Es war nämlich vereinbart worden, dass das Schauspiel „Frithjof“ sogleich bei Herrn von Savaburg in Kost und Logis bleiben solle, bis der klassische Vortragsabend nahte.

      Da umarmte Sigurd den Freund abermals und sagte mit einem Hauch der Rührung in der Stimme: „Es geschehen noch Liebeswunder und Zeichen auf der Welt, Bill! Wenn der Unmensch von einem Onkel Fritz den ‚Frithof‘ verbrennen will, — wer weiss, ob er nicht in besseren Zeiten und Welten wie ein Phönix aus den Flammen steigt. Wir vergessen ihn ja nicht!“

      Als Unterlüss gegangen, schellte Sigurd dem Burschen.

      „Sag’ mal, Anton, weisst du hier in der Nachbarschaft Bescheid, wer an Leuten in der Nähe um uns herum wohnt?“

      „Befehl, Herr Leutnant!“

      „Wer wohnt dort drüben in der Mansarde?“

      „Der Stadtschreiber Heinzius, Herr Leutnant.“

      Wieder richtete sich Anton dabei auf und klappte, wie bei einem