V. 5. Daniel Barbarus. „Und er wird es thun.“ Wenn Du, will er sagen, auf ihn hoffest, dann wird er es auch thun. Was er aber thun wird, zeigt er, indem er weiter fährt: „Er wird Deine Gerechtigkeit hervorbringen wie ein Licht und Dein Gericht wie den Mittag.“ Dann wird er hervorbringen, sagt er, statt „er wird an das Licht bringen,“ und gleichsam ringsum sehen lassen, indem er die Schönheit des Lebenswandels nicht verborgen sein läßt. Denn Allen wird Deine Gerechtigkeit offenbar sein, indem sie wie ein Licht aufleuchtet, ein Licht am Mittag, Mittag aber nennt man genau die Mitte des Tages. Nicht nur, will er sagen, rechtfertigt er den, der bekennt, und fällt über ihn ein mildes Urtheil, sondern er bringt auch seine Gerechtigkeit ans Licht, das heißt, er macht Allen offenbar, daß er ihn gerechtfertigt hat. So verhielt es sich mit dem Räuber, dessen Urtheil der gekreuzigte Jesus am Mittag, mitten im Tage, aussprach und seine Gerechtigkeit ans Licht, das heißt zur Kenntniß Aller brachte. Denn die Worte, die er zu ihm sprach: „Wahrlich, wahrlich, ich sage Dir, heute wirst Du bei mir im Paradiese sein.“169 sind dem Erdkreise offenbar geworden oder vielmehr zum Lichte für den Erdkreis, eine Aufmunterung für alle Reumüthigen. Nicht, will er sagen, wird der Glanz der Gerechtigkeit verborgen sein, wie jetzt, sondern hell, wie die Sonne am Mittag, wie der Herr sagt: „Dann werden die Gerechten wie die Sonne leuchten im Reiche ihres Vaters.“ 170
V.7.“Sei unterthänig dem Herrn und flehe ihn an.“ Er wird Dich, will er sagen, in der Zukunft als des Lichtes würdig darstellen. Du aber sei jetzt unterthänig. „Erzürne nicht über den, der glücklich ist auf seinem Wege.“ Strebe nicht, will er sagen, nach einem Glück, das durch Ungerechtigkeit bereitet ist.
V. 8. „Stehe ab vom Zorne und laß den Grimm.“ Schaue nicht auf ihr Glück, sondern erwarte das Ende, und Du wirst das Verderben sehen. Zorn aber ist das Verlangen nach Rache. Rache Vergeltung des Bösen. „Erzürne nicht, so daß Du Böses thust.“ Wisse wohl, daß die, welche sich an die göttliche Hoffnung angeklammert haben und das rechtschaffene Leben wählen, in ungestörtem Frieden verharren, indem sie in der Reinheit ihres Gewissens beständige Lust genießen, die aber auf das zeitliche Glück Vertrauen, einem raschen Wechsel unterworfen sein und gänzlicher Vergessenheit anheimfallen werden.
V. 10. „Und Du wirst seinen Ort suchen und nicht finden.“ Ähnlich lauten die Worte: „Die Gottlosen werden samt der Wurzel vertilgt werden.“ 171
Daniel Barbarus. V. 11. „Die Sanftmüthigen aber werden das Erdreich erben.“ Es werden die Erde erben, die die verderbliche Aufregung des Zornes nicht athmen. Denn der Zorn richtet auch die Klugen zu Grunde, da sie nämlich an einem rechtschaffenen Betragen gehindert werden. „Denn der Zorn eines Menschen wirkt nicht die Gerechtigkeit Gottes.“172 Übrigens ist vor dem Zorne und der Wuth Gottes sicher, wer sich von dem enthält, was Zorn und Wuth hervorruft.
“Und sie werden sich erlustigen in der Fülle des Friedens. „ Lust des Gerechten ist Fülle des Friedens, eine Leidenslosigkeit der Seele mit wahrer Erkenntnis der Dinge.
V. 12. „Der Sünder wird den Gerechten beobachten.“ Das kann auch vom Teufel verstanden werden und er gewährt damit denen einen Trost, die Unrecht erleiden. Er zeigt nämlich, daß der Frevler von Schmerz und Raserei gegen die ergriffen sei, die ein ruhiges Leben führen, und daß der gerechte Richter seines Unterfangens spotte, weil er nämlich sein rasches Ende vorhersieht
V. 13.“Der Herr aber wird seiner spotten.“ Er spottet, will er sagen, über die Verfolgungen des Gerechten durch den Sünder, indem er weiß, daß er einen Tag festgesetzt hat, an dem er dem Einen das ewige Leben, dem Andern die ewige Strafe zuweisen wird.
V. 14. „Die Sünder zogen das Schwert und spannten ihren Bogen . . . .Das Schwert möge eindringen in ihr Herz.“ Daß, will er sagen, haben die bösen Dämonen erlitten, was sie den Heiligen zuzufügen suchten.
V. 18. „Der Herr kennt die Wege der Tadellosen,“ das heißt, er billigt und ehrt sie. „Und ihr Erbe wird ewig sein.“ Denn unvergänglich und ewig ist der Lohn der Heiligen.
V. 19. „Sie werden nicht zu Schanden werden in böser Zeit.“ In den Zeiten der Verfolgung, will er sagen, wenn die Lehrer mangeln, wird der Herr selbst mit seinem Geiste die nähren, die an ihn glauben.
V. 21. „Der Sünder borgt und wird nicht bezahlen.“ Der Sünder, will er sagen, stattet für die Wohlthaten Gottes keinen Dank ab. „Der Gerechte aber erbarmt sich und gibt.“ Er gibt, will er sagen, als Gegengabe Barmherzigkeit, indem er seinen Herrn nachahmt.
V. 22. „Denn die ihn segnen, werden die Erde zum Erbtheil haben.“ Ähnlich sind die Worte zu Abraham: „Die Dich segnen, werde ich segnen, und denen, die Dir fluchen, werde ich fluchen.“173
V.23. „Vom Herrn werden die Schritte des Menschen geleitet.“ Er hat Wohlgefallen, will er sagen, an dem Wege seiner Thaten, den er in diesem Leben zurücklegt. 174
V. 24. „Wenn er fällt, wird er sich nicht zerschlagen.“ Wenn es sich auch ereignet, will er sagen, daß der Gerechte einen kleinen Fehltritt macht, so wird ihm kein Unheil begegnen, indem er Gott zur Seite hat, der ihn stützt.
V. 25. „Und seinen Samen nicht nach Brod suchen.“ Nach dem geistigen, will er sagen, das das göttliche Wort ist.
V.27. „Und wohne immer und ewig.“ Und Du wirst" will er sagen, die ewigen Zelte erben.
V.29. „Die Gerechten aber werden das Land erben.“ An vielen Stellen erwähnt er das Land, das den Sanftmüthigen gegeben wird, indem er zum Verlangen nach demselben aufmuntert.
V. 30. „Der Mund des Gerechten wird auf Weisheit sinnen.“ Es geziemt sich, will er sagen, sei es mit der Zunge, sei es im Geiste, die göttlichen Aussprüche mit sich herumzutragen und beständig über dieselben nachzudenken. Denn indem der Freund der Tugend in dieser Weise sich zu Herzen nimmt, was er thun soll, wird er furchtlos und unerschütterlich bleiben und über die siegen, die ihn zu überwinden suchen. Das sprach er auch im ersten Psalme: „Sondern am Gesetze des Herrn sein Wohlgefallen hat und in seinem Gesetze betrachten wird Tag und Nacht.“’ 175 „Und seine Zunge wird reden, was Recht ist.“ Ein gerechtes Recht, nicht das der Rechtsbrecher, sondern nach einem unfehlbaren gesunden Urteilsspruche.
V. 31. 32. „Das Gesetz Gottes ist in seinem Herzen, und seine Schritte werden nicht zum Wanken gebracht werden. Es schaut der Sünder auf den Gerechten. Der Herr aber …“ Er sagt auf verschiedene Weise das Nämliche, indem er durch umständlichere Darstellung es dem Gedächtniß mehr einprägen will. Er will aber sagen: Der Herr wird den Gerechten der Verfolgung der Bösen nicht Preisgeben, noch wird er zu ihnen halten, wenn sie dergleichen Dinge wagen sondern er wird ihm über die Netze weghelfen. Diese Fürsorge wurde dem Abraham zu Theil, als ihm Sara zwei mal entführt wurde, dem Isaak, als ihm das Nämliche widerfuhr, dem Jakob, als Bruder und Schwiegervater ihn beneideten, dieselbe dem Joseph, als er von Neid und Verleumdung verfolgt wurde. Doch wozu soll ich Alles aufzählen, da die Wißbegierigen leicht das Alte aufsuchen und zusammenstellen und das Neue wahrnehmen können?
V. 33. „Und er wird ihn nicht verurtheilen, wenn er ihn richtet.“ das heißt, wenn er gerichtet wird.
V.34. „Du wirst zusehen, wenn die Sünder ins Verderben stürzen.“ Du wirst, will er sagen, die Vernichtung der Sünder sehen.
V.35.“Ich sah den Gottlosen hochgewachsen und erhöht wie die Cedern des Libanon.“ Nach dem Ausspruch: „Ein Schatten ist unser Leben.“176
V. 36. „Und ich ging vorüber und sieh, er war nicht mehr.“ Als ich, will er sagen, schlechte Menschen sah, die glücklich waren, dachte ich nach, wie ihnen das zu Theil wurde. Und als ich so nachdachte und es wiederholt erwog, konnte ich sie nicht mehr sehen, ja ich konnte nicht einmal mehr die Stelle finden, wo ich sie glaubte gesehen zu haben.
V.37.“Bewahre die Unschuld und sieh, was Recht ist. Denn