Abb. 4: Das regionale Innovationssystem
Quelle: CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH
Neben den Innovationsaktivitäten der Wirtschaft sind bei der Analyse regionaler Innovationspotenziale auch die Hochschulen in den Blick zu nehmen. Während die Anzahl der Studierenden je 1.000 Einwohner in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg mit einem Wert von 33,9 sehr nah an dem Vergleichswert für Deutschland (34,0) liegt, ist für das Lehr- und Forschungspersonal an den Hochschulen der Metropolregion ein stark überdurchschnittlicher Wert festzustellen. Mit 50,8 Personen je 10.000 Einwohner, die im Bereich der Lehre und Forschung an Hochschulen beschäftigt sind, liegt der Indikatorwert deutlich über den Vergleichswerten für Deutschland (47,5) und Niedersachsen (36,3). Durch diesen vergleichsweise hohen Anteil an Humankapitalressourcen, der explizit zur Generierung neuen Wissens eingesetzt wird, kann das Innovationspotenzial der Metropolregion ebenfalls gesteigert werden.
Die Analyse quantitativer Innovationsindikatoren ermöglicht eine erste Einschätzung der regionalen Innovationskraft, kann die spezifischen Stärken, Schwächen und Wachstumspotenziale eines Wirtschaftsraums jedoch nur zum Teil abbilden. Um ein breites Verständnis für die Innovationskraft einer Region entwickeln zu können ist es deshalb notwendig, die verschiedenen Komponenten des regionalen Innovationssystems vertiefend zu analysieren sowie die Austauschbeziehungen der einzelnen Elemente zu beleuchten. Die Bedeutung solcher regionalen Zusammenhänge bei der Generierung innovativer Produkte und Dienstleistungen wird im folgenden Teilkapitel diskutiert.
1.5 Das regionale Innovationssystem
Die Metropolregion ist aufgrund ihrer hohen Diversität von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und anderen Institutionen eine wichtige Plattform für den Austausch von Information und Wissen und zur Generierung von Lernprozessen. Der Innovationsprozess verläuft in der Regel jedoch nicht linear. Innovationen basieren vielmehr auf starken Rückkopplungsprozessen und erfordern somit intensive Verflechtungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren. Vor diesem Hintergrund hat sich in der regionalökonomischen Theorie der Begriff des Innovationssystems durchgesetzt. Diesem Verständnis nach nehmen auch soziokulturelle Faktoren eine wichtige Funktion im Innovationsgeschehen ein, da sie entscheidenden Einfluss auf die Wissensressourcen und die Austauschbeziehungen zwischen den Akteuren im Innovationsprozess haben (Revilla Diez 2002; Koschatzky 2001).
In metropolitanen Verdichtungsräumen ergeben sich viefältige Agglomerations- und Lokalisationsvorteile, die sich positiv auf die Entstehung von Innovationen auswirken: Dazu gehören das große Angebot hoch qualifizierter Arbeitskräfte, der dichte Besatz mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, betriebliche Forschungs- und Entwicklungszentren, spezialisierte Dienstleistungsunternehmen und die räumliche Nähe von Akteuren, die persönliche Kontakte und somit Wissensspillover begünstigt. Metropolitane Verdichtungsräume lassen sich aus diesem Grund auch als metropolitane Innovationssysteme interpretieren. Gerade in metropolitanen Innovationssystemen sind die Bedingungen für kompetenzfeldübergreifende Innovationsaktivitäten sehr günstig. Die Ergebnisse einer Vielzahl empirischer Studien deuten darüber hinaus darauf hin, dass regionale Innovationssysteme vor allem dann bedeutsame Innovationen hervorbringen, wenn die verschiedenen regionalen Kompetenzfelder inhaltliche Schnittstellen aufweisen (vgl. van Oort et al. 2014; Boschma et al. 2012; Mameli et al. 2012). Metropolregionen verfügen aufgrund ihrer räumlichen Ausdehnung über eine hinreichende kritische Masse, um unterschiedliche Spezialisierungen (Kompetenzfelder) herauszubilden, so dass sich i.d.R. eine Vielzahl von Optionen der „verwandten Diversifizierung“ ergeben.
Dem Konzept der Innovationssysteme zufolge existieren in Regionen „spezifische Umfeldbedingungen und Verflechtungsbeziehungen zwischen unterschiedlichen Akteuren […], die das regionale Innovationsgeschehen beeinflussen und sich positiv oder negativ auf die Ausschöpfung des regionalen Innovationspotenzials auswirken.“ (Revilla Diez 2002: 26). Im Mittelpunkt eines solchen Innovationssystems stehen Forschungseinrichtungen und Unternehmen mit ihren Innovationsaktivitäten. Darüber hinaus sind auch die regionalen Umfeldbedingungen von Bedeutung, die durch folgende Faktoren determiniert werden:
• Das Bildungssystem, welches für das Vorhandensein qualifizierter Arbeitskräfte verschiedener Qualifikationsstufen von elementarer Bedeutung ist. Insbesondere das deutsche Modell der dualen Ausbildung hat sich in diesem Zusammenhang bewährt. Angebote zur berufsbegleitenden Weiterbildung gewinnen vor dem Hintergrund verkürzter Innovationszyklen und den Auswirkungen des demografischen Wandels ebenfalls an Bedeutung.
• Politische Akteure und die öffentliche Verwaltung, die beispielsweise im Rahmen der Forschungspolitik sowie durch die Konzeption von Förderprogrammen und Wettbewerben Einfluss auf das Innovationsverhalten der regionalen Akteure nehmen können.
• Innovations- und diffusionsunterstützende Einrichtungen des privaten und öffentlichen Sektors (z.B. Institutionen des Technologie- und Wissenstransfers, Technologie- und Gründerzentren, Förderbanken etc.).
• Die Unternehmenskultur, die Einfluss auf die Kooperationsneigung der Akteure haben kann.
• Der Markt, der als ein zentraler Anreizmechanismus für die Entstehung von Innovationen zu verstehen ist.
• Weitere Rahmenbedingungen wie die technische Infrastruktur, die Durchsetzbarkeit von geistigen Eigentumsrechten oder das Vorhandensein bestimmter Standards und Normierungen.
Das alleinige Vorhandensein dieser Elemente reicht jedoch nicht aus, um ein funktionierendes Innovationssystem vollständig abzubilden. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit und den Erfolg des regionalen Innovationssystems ist das effiziente Zusammenwirken dieser Faktoren. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Qualität des Wissens- und Technologietransfers zwischen den verschiedenen Elementen des Innovationssystems. Forschungseinrichtungen und Unternehmen können den Wissenstransfer auf unterschiedliche Art und Weise gestalten. Sie können dabei jeweils sowohl die Funktion des Wissensgebers als auch die des Wissensnutzers übernehmen. Entscheidend ist, wie die jeweiligen Austauschbeziehungen gestaltet sind und welche Transferkanäle für den Wissensfluss existieren und genutzt werden (Backhaus 2000).
Forschungseinrichtungen fungieren in verschiedenen Bereichen als Wissensgeber für den industriellen Innovationsinput: Dies sind die Qualifizierung des für den Innovationsprozess benötigten wissenschaftlichen Personals, die Durchführung von Grundlagen- und angewandter Forschung und damit die Generierung neuen Wissens sowie die Unterstützung von Unternehmen bei praxisrelevanten Problemlösungen durch verschiedene Formen der Zusammenarbeit. Über internationale Forschungskooperationen verschaffen sie sich zudem Zugang zu international verfügbarem Wissen, das durch eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Akteuren auch zur Lösung von spezifischen Problemen der Betriebe auf regionaler Ebene angewendet werden kann.
Auch Unternehmen sind in der Lage durch eigene FuE-Anstrengungen neues Wissen zu generieren. Neben der unternehmensinternen Wissensgenerierung, die nach wie vor einen hohen Stellenwert einnimmt, ist allerdings feststellbar, dass in zunehmendem Maße technologisches Wissen auch extern bezogen wird. Innovations- und Produktlebenszyklen werden wettbewerbsbedingt zunehmend kürzer und erfordern kontinuierliche Forschungs- und Entwicklungsprozesse. In der Konsequenz bedeutet dies für die Unternehmen, dass sie zur Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit die Ergebnisse der Forschung und Entwicklung zielorientiert und zeitnah in neue Produkte und Verfahren umsetzen müssen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die häufig über keine eigenen FuE-Abteilungen verfügen, können vor diesem Hintergrund in besonderer Weise von der Einbindung in Forschungskonsortien profitieren (Dömötör 2011; Rammer et al. 2005).
Bei der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stehen auf beiden Seiten ökonomische Interessen im Vordergrund. Öffentliche Forschungseinrichtungen versprechen sich Anregungen für Forschung und Lehre, die Anwendung ihrer Forschungsergebnisse, die Gewinnung von Praxiserfahrungen, die Rekrutierung von Personal sowie die Mobilisierung zusätzlicher finanzieller Ressourcen. Zu den Zielen der Unternehmen gehören, neben dem Zugang zu Expertenwissen, die Einführung neuer Produkte und Verfahren, die Risikominimierung, die