Die regionale Ebene ist nach wie vor eine wichtige Plattform für den Austausch von Information und Wissen sowie zur Generierung von Lernprozessen. Metropolitanen Verdichtungsregionen wie der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg kommt in diesem Kontext eine besondere Bedeutung zu. In den Metropolregionen sind spezifische Agglomerationsvorteile vorzufinden, die sich positiv auf die Entstehung von Innovationen auswirken. Dazu gehören das große Angebot hoch qualifizierter Arbeitskräfte, der dichte Besatz mit universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, betriebliche Forschungs- und Entwicklungszentren, spezialisierte Dienstleistungsunternehmen, leistungsfähige Intermediäre und die räumliche Nähe von Akteuren, die Face-to-face-Kontakte und somit den Wissensaustausch begünstigt. Diese Raumkonstellationen lassen sich daher auch als metropolitane Innovationssysteme interpretieren.
Vor diesem Hintergrund hat die Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg in den zurückliegenden Jahren der Wissensvernetzung eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Bereits im Jahr 2007 wurde eine Studie zur Wissensvernetzung in der Metropolregion in Auftrag gegeben, die im Jahr 2015 noch einmal aktualisiert wurde. Nunmehr liegen die Ergebnisse der neuen Studie in überarbeiteter Form vor, die im Tectum Verlag veröffentlicht werden. Neben der Unterstützung der Geschäftsführung der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg wurde diese Publikation nur durch die großzügige Förderung durch Die Allgemeine Arbeitgebervereinigung Hannover und Umgebung e.V. (AGV), dem Verband der Metallindustriellen Niedersachsen e.V. und der Wolfsburg AG ermöglicht. Unterstützung erhielt das Projekt auch von Hannover Impuls GmbH und der GWG Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen sowie vielen anderen Wirtschaftsförderungen und politischen Entscheidungsträgern in der Metropolregion. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang auch die vielen wissenschaftlichen Akteure, die erheblich zum starken Rücklauf der Befragungen beigetragen haben. Diesen Akteuren gilt unser besonderer Dank. In diesen Dank einbezogen ist auch die CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH, die ihre Kompetenzen für die Erarbeitung der Netzwerkanalyse bereitgestellt hat, und das Land Niedersachsen wegen der großzügigen Bezuschussung dieses Projektes.
Dank gilt auch Professor Dr. Alain Thierstein und Dr. Michael Bentlage, die auf der Basis der in der Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg erhobenen Daten einen eigenständigen Beitrag zur Netzwerkanalyse verfasst haben.
Dr. Arno Brandt
1 Einleitung
1.1 Der Übergang zur wissensbasierten Ökonomie
Die entwickelten Industrieländer sind heute durch eine zunehmend wissensintensivere Wirtschaft geprägt, die mittlerweile alle Sektoren der Wirtschaft erfasst. Dieser Strukturwandel wird durch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft zusätzlich befördert (Brandt 2019, Brandt 2015). Auf Basis der hoch entwickelten Informations- und Kommunikationstechnologien ist eine wissensbasierte Ökonomie entstanden, die vor allem bei den wissensintensiven Dienstleistungen und Industrien ein dynamisches Beschäftigungswachstum aufweist. Produkt- und Technologielebenszyklen werden zunehmend kürzer und wirtschaftliches Wachstum beruht maßgeblich auf der Generierung von neuem Wissen und Innovationen. Die wissensbasierte Ökonomie ist jedoch kein homogener Wirtschaftssektor. Vielmehr beschreibt sie ein breites Spektrum unterschiedlicher Aktivitäten, deren gemeinsame Merkmale intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten und eine wachsende Bedeutung von Informationsgütern oder -dienstleistungen in den jeweiligen Wertschöpfungsketten sind (vgl. Strambach 2011; Kujath, Zillmer 2010; Kujath 2005)1.
Die wissensbasierte Ökonomie ist eine „people-driven-economy“, die auf die Gewinnung hoch qualifizierter Arbeitskräfte angewiesen ist. Wissen und Kreativität sind ihre wichtigsten Motoren und werden durch Investitionen in Humankapital sowie durch Lernen bestimmt. Aus- und Weiterbildungsprozessen kommt im Zuge eines „lebenslangen Lernens“ eine wachsende Bedeutung zu (Stiglitz 2015). Steigende Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die öffentliche und private Bildung gelten dabei als Investitionen in Wissen und signalisieren den Bedeutungsgewinn der Wissensarbeit (Infobox).
Mit der zunehmenden Rolle des Wissens als wichtigste Ressource einer innovationsgetriebenen Wirtschaftsentwicklung gewinnt für die Unternehmen auch die Zusammenarbeit in formellen und informellen Netzwerken bzw. Forschungskooperationen an Bedeutung. Netzwerke bzw. Kooperationen repräsentieren spezifische Organisationsformen zwischen Markt und Hierarchie, die unter bestimmten Voraussetzungen in besonderer Weise geeignet sind, den Wissensaustausch zu befördern. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Preismechanismus (Markt) und der Anweisungsmechanismus (Hierarchie) nicht funktionieren bzw. zu suboptimalen Ergebnissen führen, so dass sich die Kooperation als institutionelle Zwischenform als überlegen erweist. Diesen Zusammenhang begründet Walter Powells als einer der Begründer der ökonomischen Netzwerktheorie mit spezifischen Vorteilen der Kooperation bzw. Netzwerkaktivität als eigenständigem Koordinierungsmechanismus zwischen Markt und Hierarchie: „In netzwerkartigen Formen der Ressourcenallokation finden Transaktionen weder durch diskrete Tauschprozesse noch durch administrative Anweisungen statt, sondern innerhalb von Netzwerken von Individuen, die in wechselseitige, sich gegenseitig bevorzugende und unterstützende Handlungszusammenhänge involviert sind. Netzwerke können sehr komplex sein: sie beinhalten weder die expliziten Kriterien des Marktes noch den üblichen Paternalismus von Hierarchien. Eine grundlegende Annahme bei Netzwerkbeziehungen ist, dass einzelne Parteien von den Ressourcen der anderen abhängig sind, und dass durch die Kombination von Ressourcen Vorteile erzielt werden können“ (Powell 1996, S. 224). Die Kooperation bzw. Netzwerkaktivität sind vor allem deshalb als Koordinationsmechanismus für den Austausch von Wissen prädestiniert, weil Wissen ein immaterielles Gut ist und sich zu weiten Teilen dem Preis- und Anweisungsmechanismus entzieht. Stattdessen ist der Transfer von Wissen in besonderer Weise auf Vertrauen, Reziprozität und Reputation gegründet, die für die Funktionsweise von Kooperations- bzw. Netzwerkbeziehungen von zentraler Bedeutung sind (Strambach 2011, Sukowski 2002; Genosko 1999).
INFOBOX
Wissensintensive Wirtschaft in Deutschland
Der Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die über einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss verfügen, ist zwischen 2009 und 2016 von 12,6% auf 16,8% angewachsen. Positiv verlief auch die Entwicklung beim FuE-Personal. Gegenüber 2008 ist in Deutschland die Zahl der Forscher und Entwickler bis 2016 um knapp 22 Prozent auf fast 405.000 gewachsen. Während die Anzahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland insgesamt zwischen 2009 und 2015 um 4,7 Prozent gestiegen ist, erhöhte sich die Anzahl des in Forschung und Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe beschäftigten Personals im gleichen Zeitraum um 17,9 Prozent. Auch das Feld der wissensintensiven Wirtschaftszweige verzeichnete in den vergangenen Jahren ein messbares Wachstum. Von 2009 bis 2016 ist die Beschäftigung der Wissensintensiven Dienstleistungen und des wissensintensiven Verarbeitenden Gewerbes um 14,5% gewachsen und damit in etwa so stark wie die Beschäftigungsentwicklung insgesamt. Darunter haben sich die Wissensintensiven Dienstleistungen (+18,1 %) deutlich positiver entwickelt als das Wissensintensive Verarbeitende Gewerbe (+8,1%). Der Anteil dieser Wirtschaftszweige an der Beschäftigung insgesamt beträgt 2016 knapp ein Drittel (31,1%).
Quelle: IAB, Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
Der Wissensaustausch wird nicht zuletzt durch die fortschreitende Digitalisierung erleichtert. Digitale Netze können nur kodifiziertes Wissen (explizites Wissen) übertragen, d.h. Wissen, das in verbaler oder schriftlicher Form (auch Grafiken, Blaupausen, Algorithmen etc.) festgehalten wird und personenunabhängig transferiert werden kann. Die Digitalisierung führt aber auch zur Aufwertung der nicht kodifizierbaren und damit technisch nicht substituierbaren Wissensformen. Kodifiziertes Wissen setzt einen Fundus von kontextuellem